Oktoberfest 2012:Wiesn-Liebe

Die einen haben sich vor 60 Jahren im Hacker-Zelt kennengelernt, die anderen sind direkt vom Standesamt auf die Wiesn - den Ort ihrer ersten Begegnung: Das Oktoberfest bringt die Menschen zusammen. Manchmal für ein ganzes Leben. Fünf Geschichten.

Florian Haamann

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Wiesndesk

Quelle: Jakob Berr

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Die einen haben sich vor 60 Jahren im Hacker-Zelt kennengelernt, die anderen sind direkt vom Standesamt auf die Wiesn - den Ort ihrer ersten Begegnung: Das Oktoberfest bringt die Menschen zusammen. Manchmal für ein ganzes Leben. Fünf Geschichten.

Nur ihren pinken Hut hat Friederike Erhardt nach der standesamtlichen Hochzeit mit ihrem Walter ausgezogen, und dann ging es in Hochzeitskleid und Anzug da hin, wo sich die beiden ein Jahr zuvor kennengelernt hatten: auf die Wiesn. Ihre Hochzeitsgesellschaft haben die beiden daheim noch mit einem Umtrunk versorgt, bevor sie sich alleine davon gemacht haben. Genau wie bei ihrem ersten Treffen am 29. September 1984.

Auch da trennten sich die beiden schnell von ihrer Gesellschaft: Ihr Onkel hatte die damals 22-Jährige von Braunschweig nach München eingeladen, damit sie mal die Wiesn kennenlernt. Mit am Tisch war Walter, Sohn eines Bekannten. Nach kurzem Kennenlernen sind sie gemeinsam aus dem Bräurosl-Zelt abgehauen - und am Ende des Abends stand für beide fest: ab heute sind wir ein Paar.

Die ersten Monate allerdings waren die beiden gezwungen, eine Wochenendbeziehung zu führen; München-Braunschweig. Aber schon im Juni 1985 ist Friederike zu Walter nach München gezogen. Immerhin stand im Oktober die Hochzeit an. Vor zwei Jahren dann wollten die beiden ihren silberne Hochzeit im Bräurosl-Zelt feiern. Auf ihre schriftliche Anfrage kam allerdings eine Absage - die nicht einmal auf die Silberhochzeit einging. Darüber ärgert sich Friederike noch heute. Die Silberhochzeit wurde also in den heimischen Garten verlegt. Gefeiert haben sie natürlich in einem großen Zelt.

Wiesndesk

Quelle: Jakob Berr

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Viermal habe sie dem Mann auf die Finger gehauen, bevor sie ihm eine Chance gab, erinnert sich Waltraud Maucher. Jedes Mal, wenn sie auf die Toilette wollte, musste sie an seinem Tisch vorbei. Und immer hat er versucht, sie zu sich zu ziehen. Irgendwann hat Paul Maucher es geschafft. 60 Jahre ist das her, und seitdem haben Waltraud und Paul keine Wiesn ausgelassen - und seit 59 Jahren sind die beiden glücklich verheiratet. Seither lesen sie auch gemeinsam die Süddeutsche Zeitung, sie nennen sogar eine Erstausgabe vom 6. Oktober 1945 ihr Eigen.

Damals war Waltraud "ein total verrücktes Huhn", wie sie sagt. Mit einer Trompete im Mund ist sie lärmend durch die Reihen gezogen. Da ist es kaum verwunderlich, dass sie Pauls Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Eigentlich wollte sie den frechen jungen Mann allerdings schnell abwimmeln: "Nachdem ich mich an seinen Tisch gesetzt habe, habe ich ihm zuerst klargemacht, dass ich nicht zu haben bin. Zumindest nicht ohne meinen Sohn." Dessen Lockenkopf zierte einen Anhänger um ihren Hals. Doch Paul reagierte nicht wie erwartet: Statt sich zurückzuziehen, erklärte er ihr, wie süß der Junge doch sei, und dass er sie auf jeden Fall kennenlernen möchte. Er lud Waltraud also zu einem Spaziergang ein.

Noch immer kritisch, lehnte sie seine Einladung ab - vorerst. Bis sie doch schwach wurde. Später am Abend hat Paul sie nach Hause gebraucht und ist erst gegangen, als er die Zusage für ein zweites Treffen bekommen hat. Aber nicht auf der Wiesn, wie sich Waltraud erinnert: "Wir waren ja arm wie die Kirchenmäuse damals, obwohl wir beide viel gearbeitet haben. Wir waren froh, dass unsere Firmen uns mal auf die Wiesen eingeladen haben."

Bis heute laufen die Wiesnbesuche der beiden immer gleich ab: Fischessen bei der Fischer-Vroni, dann die erste Maß im Hacker-Zelt, ein Spaziergang, bei dem es ein Herzerl für Waltraud gibt, dann die zweite Maß. "Danach sind wir dann immer ganz schön high", erzählt Waltraud. Um wieder ein wenig runter zu kommen, lassen die beiden den Tag dann in einem Café ausklingen. Früher haben sie immer "mächtig auf den Putz gehauen".

Heute müssen es die 84-jährige Waltraud Maucher und ihr 87-jähriger Mann Paul etwas ruhiger angehen lassen, auch privat. Früher ging Waltraud regelmäßig zum Turnen und zum Eiskunstlauf, dann musste sie zweimal an der Hüfte und zweimal am Knie operiert werden. Deswegen kann sie heute nur noch einmal in der Woche Sport machen. Und da das Turnen nicht mehr klappt, hat sie sich etwas Ruhigeres gesucht: Bauchtanz.

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Quelle: Robert Haas

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Seit 20 Jahren sind Christel Specht (links) und Ingrid Bujanowski nunmehr beste Freundinnen. In welchem Zelt sie sich kennengelernt haben, weiß Christel zwar nicht mehr, aber "es war bestimmt nicht so ein Krachmacherzelt". Sicher ist aber, dass Christel damals mit Freunden spontan auf der Wiesn war. Nach längerer Suche fand die Gruppe einen Platz, und der gesellige Abend begann mit der ersten Maß.

Beim mehrmaligem Zuprosten vernahm Christel in der Stimme der Dame gegenüber einen vertrauten Klang. Also fragte sie die Fremde nach deren Herkunft - und schnell war klar: Beide Frauen wurden in Gelsenkirchen geboren. "Der ganze Tisch war begeistert, hat fröhlich gelacht und unsere Bekanntschaft gefeiert", erinnert sich Christel.

Die beiden tauschten Nummern, und zwischen ihnen entwickelte sich eine wunderbare Freundschaft, erzählt Christel: "Wir telefonieren, treffen uns alle vier Wochen in München und fahren gemeinsam in den Urlaub." Von Kärnten über die Türkei, die beiden haben mittlerweile schon die halbe Welt bereist. "Ich liebe die Türkei, wegen des schönen Wassers dort. Außerdem gehen Ingrid und ich gerne am Strand spazieren, das kann dann schon einmal mehrere Stunden dauern."

Auf das Oktoberfest gehen die beiden natürlich auch jedes Jahr, trinken ein bis zwei Maß und denken laut Christel: "Was könnten wir uns eigentlich mehr wünschen?"

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Quelle: SZ

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Mit einer dicken Zigarre im Mund, beim Versuch, schöne Ringe in die Luft zu pusten, und das bei einem ordentlichen Weißwurstfrühstück: So fühlte sich der junge Mann, der von Köln zu Besuch in München war, wie ein ganz Großer. Deshalb misstraute ihm Utes Mutter anfangs erheblich: "Das ist ein richtiger Schlawiner, lass bloß die Finger von dem!" So warnte sie ihre Tochter damals, im Jahr 1982.

Ute hat nicht auf ihre Mutter gehört und sich stattdessen in Norbert Vensky, so hieß der junge Mann, verliebt. Getroffen haben sich die beiden bei einem Betriebsausflug von Utes Mutter. Sie war Sekretärin in einer Leiharbeitsfirma und wollte eigentlich ihren Mann auf den Wiesn-Ausflug mitnehmen. "Mein Vater hatte damals keine Lust, und so durfte ich mit auf die Wiesn gehen", erinnert sich Ute. Eine glückliche Fügung des Schicksals. Denn der Chef von Utes Mutter hatte am selben Abend auch Geschäftspartner aus Köln eingeladen.

Nach einigem Bier wagte Norbert einen ersten Vorstoß in Richtung Ute. Der junge Mann gefiel ihr durchaus, und so durfte er den Rest des Abends mit ihr verbringen. Der Kölner wusste genau, wie man es auf der Wiesn so macht, erzählt Ute: "Wir schlenderten über die Theresienwiese, er schenkte mir Blumen, und wir ließen uns zusammen fotografieren." Motiviert durch ihr Interesse - und sicher auch durch die ein oder andere Maß - wollte Norbert nicht länger warten und machte seiner Ute am Ende des ersten Abends auch schon einen Heiratsantrag. Völlig überrumpelt - und vielleicht mit den Worten ihrer Mutter im Kopf - sagte sie erst einmal nichts dazu.

Norbert ließ sich von dieser Abfuhr allerdings nicht entmutigen, sagt Ute: "Direkt am nächsten Tag hat er sich bei mir gemeldet und mich wieder auf die Wiesn ausgeführt." Um seiner frischen Liebe nahe sein zu können und nicht zurück nach Köln zu müssen, ließ sich Norbert sieben Tage krank schreiben. Aber auch diese Woche war schnell vorbei, und so entwickelte sich zwischen den beiden eine Fernbeziehung.

Jedes Wochenende pendelte er zwischen Köln und München. Nach knapp einem Jahr wurde er für seine Hartnäckigkeit belohnt: im September 1983 nahm sie seinen erneuten Heiratsantrag an, im Mai darauf wurde geheiratet. Heute kommen die beiden jedes Jahr von Köln nach München, um auf der Wiesn zu feiern. Natürlich hat Ute wieder an das erste Treffen mit ihrem Mann gedacht: "Man kann schon sagen: Damals, das war Liebe auf den ersten Blick."

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Quelle: Stephan Rumpf

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Sehr viel Geld hat Vinzenz Aukenthaler im Jahr 1960 an einer Schießbude verschossen. Aber es war gut angelegt, denn mit jedem Schuss ist er der jungen Frau in der Bude etwas näher gekommen.

Mit Arbeitskollegen war er damals auf der Wiesn, als sich die Gruppe entschied, ihr Glück beim Schießen zu versuchen. Evelin, die Frau aus der Schießbude, erinnert sich noch genau an die erste Begegnung: "Er war sehr lustig und er hat mich die ganze Zeit angeblinzelt. Und er war so nervös, dass er das Gewehr nicht ruhig halten konnte. Also habe ich ihm angeboten, das Gewehr auf meiner Schulter abzulegen, damit er wenigstens etwas trifft." Und mit ihrer Hilfe traf Vinzenz - viele Blumen hat er geschossen, die er ihr schenkte. Nach dem Schießen haben die Männer die Belagerung der Bude erstmal aufgegeben und sind weiter in eines der Zelte gezogen.

Aber Vinzenz kam wieder, Tag für Tag. Um Evelin zu sehen und sie nach Hause zu bringen. Dafür nahm er große Opfer in Kauf, wie Evelin stolz berichtet: "Einmal sind wir zusammen zum Romanplatz gegangen. Von dort bin ich mit dem Taxi nach Hause gefahren, ich hatte es nicht weit. Vinzenz hatte allerdings kein Geld mehr, dass hat er mir aber nicht erzählt. Ich dachte also, er steigt einfach in die nächste Tram, das war ja nicht teuer damals. Stattdessen ist er den ganzen Weg nach Oberföhring gelaufen."

Bis heute gehen die beiden einmal im Jahr auf die Wiesn. Die Schießbude, an der Evelin gearbeitet hat, gibt es zwar schon lange nicht mehr, trotzdem gehen die beiden manchmal noch an eine Bude, und dann schießt Vinzenz seiner Frau Blumen und Herzen. Der Lieblingsort der beiden ist die Bavaria, sagt Evelin: "Wir stellen uns immer dort oben hin, schauen auf das Treiben und schwelgen ein wenig in Erinnerungen. Das ist sehr wichtig für uns."

Eine diese Erinnerungen führt zurück ins Jahr 1960. Vinzenz hatte der jungen Frau aus der Bude wieder einmal versprochen, sie abzuholen. Aber diesesmal wartete Evelin vergeblich: "Ich war schon enttäuscht, schließlich hatte er die ganze Zeit sehr verliebt getan." Als Vinzenz doch noch an der Bude ankam, waren die Läden schon verriegelt und Evelin längst gegangen. Er war mit Arbeitskollegen im Zelt sitzen geblieben und hatte einfach die Zeit vergessen. Aber ganz Gentleman, hat er sich am nächsten Tag bei Evelin entschuldigt - mit Blumen, einer langen Erklärung für seinen Fehler und vielfacher Beteuerung, wie leid es ihm tue. Evelin hat ihm verziehen.

© SZ vom 29.09.2012/afis
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