Oktoberfest 2010:Wo Herzkasperl den Zwiefachen tanzt

Der Fraunhofer-Wirt Beppi Bachmaier wird Wiesnwirt. Er führt das Zelt, in dem das Oktoberfest zum Jubiläum seine 200 Jahre alte Geschichte feiert.

W. Görl

Wiesnwirt zu sein ist gewiss das Höchste, was ein Münchner Gastronom erreichen kann, es ist gleichsam das Adelsprädikat der Branche, und gewöhnlich sind es zwirbelbärtige, urwüchsige Männer (oder Damen, dann aber ohne Bart), denen diese Gnade zuteil wird. Josef Bachmaier, der Wirt der Künstlerkneipe Fraunhofer, passt nicht so ganz in dieses Schema, das Krachledern-Rustikale liegt dem 1947 geborenen Münchner weniger.

Und doch gehört er bald zum erlauchten Kreis der Oktoberfestbarone - zumindest während der Jubiläumswiesn 2010. Dann nämlich jährt sich zum 200. Mal der Tag, an dem Kronzprinz Ludwig, der spätere König Ludwig I., die Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen ehelichte, was die Münchner unter anderem mit einem Pferderennen feierten. Im Laufe der Jahre traten das Bier und andere Lustbarkeiten in den Vordergrund, das Rossrennen mauserte sich zum Oktoberfest.

Zum diesjährigen Jubiläum gibt es eine Extra-Wiesn auf dem südlichen Teil des Festgeländes, wo in drei Zelten allerlei Historisches und Nostalgisches zu bewundern sein wird, aber auch Kunst und Musik von heute. In einem der Zelte wird Bachmaier als Wirt fungieren, und wenn auch sonst noch vieles im Stadium der Planung ist, so steht eines bereits fest: Bachmaiers Festhalle wird "Herzkasperl-Zelt" heißen.

Herzkasperl - das ist zuvorderst eine Anspielung auf den Wiesnwahnsinn, bei dem das Herz durchaus mal aus dem Takt geraten kann; vor allem aber ist der Titel eine Hommage an den großen Münchner Schauspieler Jörg Hube, der im vergangenen Jahr gestorben ist. In Hubes Kabarettprogrammen war der Herzkasperl die zentrale Figur, die mit Witz und Aberwitz das Zeitgeschehen auf die Schippe nahm.

Unzählige Male ist Hube mit seinen Herzkasperl-Stücken im Fraunhofer-Theater aufgetreten, der Bühne, die zu Bachmaiers Wirtshaus gehört. Und folglich wird im Herzkasperl-Zelt gewissermaßen der Geist Jörg Hubes walten, ein kritischer und satirischer Geist, der auf der Höhe der Zeit ist.

Selbstverständlich muss der Kasperl dabei sein, "der ist ganz wichtig für München", sagt Bachmaier. Für die Kinder hat er das "Kasperltheater Doctor Döblinger" engagiert, das zu den witzigsten seiner Zunft zählt. Zudem will der künftige Wiesnwirt zwei Bühnen einrichten, auf denen Gstanzlsänger oder jene Interpreten der neuen Volksmusik auftreten, die zum Schrecken der Traditionalisten die althergebrachten Klänge als Spielmaterial für musikalische Experimente nutzen.

Da kommen Zwiefache mit Rock zusammen, Jodler mit Techno oder Zitherweisen mit Samba. Wem solche Mixturen missfallen, der muss nicht unbedingt zu den "Hey-Baby"-Bands in der Käferschänke flüchten. Es wird auch ein Traditionszelt auf der historischen Wiesn geben. Schuhplattler treten dort auf und Blasmusiker vom alten Schlag, die sich noch nicht der Interpretation von Stimmungskrachern à la "Who the Fuck is Alice" verschrieben haben.

Auch Literarisches wird im Herzkasperl-Zelt zu hören sein. Elisabeth Tworek, die Leiterin der Monacensia, ist gerade dabei, das entsprechende Programm zusammenzustellen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Texte über das Oktoberfest im Vordergrund stehen - Erzählungen aus früheren Zeiten wie etwa Thomas Wolfes Wiesn-Abenteuer und ebenso Neuerscheinungen.

Zudem hat Tworek bei diversen Theatern nachgefragt, ob sie bereit wären, szenische Lesungen auf die Bühne zu bringen. Für den 26. September plant die Monacensia-Chefin eine Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer des Oktoberfest-Attentats von 1980 - inklusive der Diskussion, ob das Massaker wirklich umfassend aufgeklärt ist.

Eine Welt für sich

Die offizielle Version, der Rechtsradikale Gundolf Köhler habe als Einzeltäter gehandelt, ist umstritten. Es gibt Spuren, die auf Hintermänner verweisen. Die Behörden aber haben das Bombenattentat längst zu den Akten gelegt. Auch darüber wird zu reden sein.

Die historische Wiesn wird eine Welt für sich sein. Wer hinein will, muss Eintrittsgeld bezahlen, die Höhe steht noch nicht fest. Quasi im Schatten der modernen Hightech-Schleudern werden dort Wiesnrequisiten aus alter Zeit stehen: ein Schaustellerwagen aus dem Jahr 1905 oder ein Salonwagen von 1937.

Sie stammen aus den Beständen des Stadtmuseums. Florian Dering, dessen stellvertretende Direktor, bastelt noch an einem Gesamtkonzept, aber einiges kann er schon verraten. Beispielsweise werden die Besucher ihre Geschicklichkeit an Scherzrädern erproben dürfen, also an Fahrrädern, deren Reifen extrem eiern.

Dergleichen war früher eine Oktoberfestattraktion im "Humoristischen Velo- drom". Und natürlich würde die Nostalgie-Wiesn ihren Zweck verfehlen, gäbe es nicht einen Blick zurück zu den Anfängen. Täglich wird es ein Pferderennen geben, so wie damals, als der Kronprinz heiratete.

Und doch: Eine veritable Reise in die Vergangenheit dürfen die Leute nicht erwarten. "Wir werden das Oktoberfest, so wie es früher war, nicht nachbauen", sagt Florian Dering. "Aber wir werden versuchen, die einstige Grundstimmung wieder aufleben zu lassen."

Josef Bachmaier, den alle nur Beppi nennen, brütet derweil über dem kulinarischen Angebot in seinem Herzkasperl-Zelt. Bayerisch soll die Küche sein, was sonst? Bachmaier möchte sich an der Speisekarte des Fraunhofer orientieren, nur wird das Wiesn-Angebot ein wenig kleiner ausfallen.

Er wird sich treu bleiben, so wie er, Bachmaier, sich immer treu geblieben ist, von seinen gastronomischen Anfängen in der Kleinkunstbühne MUH bis heute, da er unter anderem die Wolfratshauser Loisachhalle und das danebenliegende Wirtshaus Flößerei führt. Die Kleinkünstler, Kabarettisten und Musiker waren und sind seine Wegbegleiter.

Und nun ist er plötzlich Wiesnwirt, Kollege von Großgastronomen wie den Schottenhamels oder den Heides. "Es ist eine wunderbare Aufgabe", schwärmt Bachmaier. "Wenigstens ein Mal Wiesnwirt sein, was will man mehr?" Wenn er es Freunden erzählt, halten diese erst mal die Luft an. "Wie? Du und Wiesnwirt? Des gibt's ja gar ned."

Während Bachmaier das erzählt, schüttelt er mit dem Kopf. Für gut zwei Wochen ist er Wiesnbaron. Und wer, wenn nicht Beppi Bachmaier, wäre ein legitimer Nachfolger des Steyrer Hans, in dessen Oktoberfestbude im 19. Jahrhundert eine "Athletenkapelle" spielte und der auch sonst zur allgemeinen Freude aus dem Rahmen fiel.

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