Oktoberfest:150 Jahre Schottenhamel: Von der Bretterbude bis zum Zeltpalast

Oktoberfest: Besonders belebt war die Festhalle 1922 nicht. Das mag am Bierpreis der beginnenden Inflationszeit gelegen haben: Die Mass kostete damals 50 Mark.

Besonders belebt war die Festhalle 1922 nicht. Das mag am Bierpreis der beginnenden Inflationszeit gelegen haben: Die Mass kostete damals 50 Mark.

(Foto: privat)

Als Michael Schottenhamel das erste Bier auf der Wiesn verkaufte, war die Bavaria gerade jungfräuliche 17 Jahre alt. In einer neuen Ausstellung geht es nun um die älteste Institution auf dem Oktoberfest.

Von Franz Kotteder

Gut, die Firma Thurn & Taxis zum Beispiel hat schon auch eine gewisse Beziehung zum Bier und zur Gastronomie. Aber im wesentlichen verdankt sie ihre Bekanntheit doch ihrer Eigenschaft als Fürstengeschlecht und jener Frau, die derzeit ihr bisweilen arg bizarres Aushängeschild darstellt, weniger dem Bier. In München ist das ganz anders. Da widmet man gerade einer ganz anderen Dynastie eine hübsche, kleine Ausstellung im Bier- und Oktoberfestmuseum, die ihre Bekanntheit und unzweifelhafte Popularität im wesentlichen dem Bier und im Besonderen dem Wiesn-Bier verdankt.

Es geht um die Wirtefamilie Schottenhamel, die heuer seit 150 Jahren auf dem Oktoberfest vertreten ist. Sie ist damit die älteste Institution auf diesem größten Volksfest der Welt. Und das ist ja nun wirklich ein guter Grund zum Feiern.

150 Jahre, das bedeutet auch: Als Michael Schottenhamel 1867 das erste Mal eine Bretterbude auf das Oktoberfest stellte und Bier ausschenkte, war die Bavaria noch jungfräuliche 17 Jahre alt. "Vermutlich hatte sie damals noch gar keine grüne Patina", sagt Florian Dering, der ehemalige stellvertretende Direktor des Stadtmuseums, der die Ausstellung im Bier- und Oktoberfestmuseum zusammengestellt hat.

Genau weiß man das nicht, weil aus jener Zeit noch keine Fotos vom Schottenhamel-Zelt existieren. Nur eine Urkunde, die festlegte, dass die Ausschankbude nicht breiter als 25 Fuß sein durfte. Für Michael I. - tatsächlich werden die Schottenhamel Michaels bis heute durchnummeriert wie sonst nur die Fürsten - war das aber dennoch schon ein Riesenerfolg, hatte er doch erst im Juli 1867 zusammen mit seiner Frau Rosalie das Wirtshaus "Zu den drei Mohren" gepachtet.

Und vom Fach war er eigentlich auch nicht. Geboren in Nittenau in der Oberpfalz, hatte er Schreiner gelernt und als Lehrbub in Amberg unter anderem die nicht sehr schöne Aufgabe übertragen bekommen, einmal die Särge für eine hingerichtete sechsköpfige Räuberbande zu schreinern. Und die Särge, nachdem die Räuber enthauptet waren, gleich auch noch zuzunageln.

Seine wahre Bestimmung findet der junge Schreiner freilich als Wirt. Mit 50 bis 60 Gästen auf der Wiesn fängt er an, denen er Lagerbier aus der Franziskaner-Leistbrauerei ausschenkt. 1872 aber ist der Sommer heiß und das Lagerbier schnell weg. Schottenhamel entscheidet sich dafür, ein teureres Märzenbier auszuschenken, für das er zwölf statt der üblichen neun Kreuzer pro Mass verlangen will.

Der Brauer Joseph Sedlmayr ist erst dagegen, aber Schottenhamel sagt: "Wann d'Münchner was Richtigs kriagn, na schaugn sie's Geld net an." Dieser Satz wird seither zum inoffiziellen Glaubensbekenntnis aller Wiesnwirte, und das Märzen zum offiziellen Oktoberfestbier. Schottenhamel behielt recht, sein neues Bier wird gleich der Renner.

Michael I. ist nicht nur beim Bier und seinem Preis ausgesprochen innovativ. Er ist der Erste, der in seinem Zelt elektrische Beleuchtung installieren lässt. Und zwar von der Firma J. Einstein & Cie. Der Neffe des Firmenchefs darf als Ferienjob die Glühbirnen einschrauben. Er ist damals 14 Jahre alt, heißt Albert Einstein und wird später einmal Physik-Nobelpreisträger werden.

Eine hübsche Anekdote, die die heutigen Schottenhamel-Wirte Christian und Michael IV. darüber sinnieren lässt, was dann wohl aus einem Oberbürgermeister wie Dieter Reiter noch werden könne, der ja mit dem Fassanzapfen in ihrem Zelt auch erst vor knapp vier Jahren begonnen habe. "Bestimmt nicht Nobelpreisträger!", platzt es aus Reiter heraus.

Dass es sich der Oberbürgermeister nicht nehmen lässt, die kleine Ausstellung selbst zu eröffnen, liegt natürlich an dem Umstand, dass das Oktoberfest seit 1950 traditionell mit dem Anzapfen des ersten Fasses im Schottenhamelzelt beginnt. Das geht zurück auf den Oberbürgermeister Thomas Wimmer, der mit Michael II. befreundet war und von ihm schlauerweise dazu eingeladen wurde, den Ausschank in seinem Zelt zu eröffnen.

Eine Zeitschrift regt an: Vorlesungen gleich ins Bierzelt verlegen

Das Anzapfritual, das mittlerweile fast alleine über das öffentliche Ansehen eines jeden Münchner Oberbürgermeisters entscheidet, ist natürlich eine wichtige Station im Museum. Aber in der Ausstellung geht es um viel mehr; es wird ein bunter Bogen gespannt über diese 150 Jahre. Man sieht die verschiedenen Zelte, ja Zeltpaläste. Die Schottenhamels ließen 1896 vom Stararchitekten der damaligen Zeit, Gabriel von Seidl, ein Wiesnzelt bauen, hatten zeitweise auch einmal das größte überhaupt. Schon damals scheint nach zwei Wochen doch ein bisschen was übrig geblieben zu sein.

Denn die Schottenhamels eröffneten unter anderem ein nobles Hotel am alten Botanischen Garten und werden vermögende Leute. Einige der Kinder studieren, und die Schottenhamel-Festhalle, wie sie seit 1921 heißt, wird zum Treffpunkt der Studenten. Die Zeitschrift Jugend legt der Universität nahe, die Vorlesungen während des Oktoberfests doch gleich ins Schottenhamel-Zelt zu verlegen.

Natürlich haben sich in einer derart langen Gastronomiegeschichte so viele Anekdoten angesammelt, dass eine Ausstellung allein dem gar nicht mehr gerecht werden kann. Aus diesem Grund haben die beiden Schottenhamel-Wirte den Münchner Journalisten Amadeus Danesitz damit beauftragt, eine Festschrift zum 150-Jährigen zu verfassen - und waren dann doch ein bisschen überrascht, dass sie am Ende beinahe 250 Seiten umfasst.

Aber, so Danesitz, kürzer sei's halt leider nicht zu machen, wenn man die Familiengeschichte aufrollen soll, die vielen schönen Fotos und Dokumente abbilden will, die das Familien- und andere Archive bereithalten. Schließlich will man wissen, warum die Bedienungen im Zelt so hübsche weiße Häubchen auf dem Kopf tragen wie im Kaffeehaus und warum es in der Schottenhamel-Festhalle diese merkwürdigen quadratischen Bänke und Tische gibt wie sonst in keinem anderen Wiesnzelt. Dies nur als Beispiele.

Schön auch, dass Christian Schottenhamel mit eigenen Worten sein russisches Abenteuer beschreiben darf. 1994 fuhr man nämlich mit einem Bierzelt im Gepäck nach Moskau in den Gorkipark, um den Russen bayerische Lebensart nahezubringen. Schottenhamel schildert die Episode mit viel trockenem Humor. Zum Beispiel, wie er lernen musste, dass man in Russland Wodka zum Bier trinkt, aber nie Bier ohne Wodka: "Das heißt, man hat eigentlich einen Liter Wodka getrunken und dazu auch noch einen Liter Bier."

Die Festschrift ist ein Prachtband geworden mit vielen verschiedenen Aspekten rund um das Oktoberfest, die nicht nur Fans des Münchner Bieradels faszinieren dürfte. Weil bisher nicht geplant ist, das Werk in den Buchhandel zu bringen, lässt sich jetzt schon sagen, dass es ein Sammlerstück werden wird. Vorstellen durfte es am Freitagabend übrigens der Zweite Bürgermeister Josef Schmid, womit die Schottenhamels, schlau wie sie sind, neben der SPD auch die CSU in ihr Jubiläum eingebunden haben. Schmid wird sich besonders über eine Passage gefreut haben. So kostete 1922 die Mass zum Beispiel schon mal 50 Mark, und ein Jahr später glatt 21 Millionen Mark. Es ist also noch Luft nach oben.

150 Jahre Festhalle Schottenhamel, Bier- und Oktoberfestmuseum, Sterneckerstraße 2, bis 24. Februar 2018, dienstags bis samstags 13-18 Uhr.

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