Offene Ateliers:Kunst auf Knopfdruck

Die Haidhauser Kulturtage zeigen, wie ausgehungert die Menschen nach Kreativität sind

Von Patrik Stäbler, Haidhausen

Bei Harald Peters gibt's Kunst auf Knopfdruck - und das zieht die Leute erkennbar an. Der Eisenschnitzer, wie sich der Künstler nennt, hat vor der Goldschmiede an der Kreppe am Max-Weber-Platz eine sogenannte Farbschleuder aufgestellt, um die sich fast ein Dutzend Menschen drängt. Im Inneren der selbstgebauten Apparatur, erzählt Peters, stecke ein Akkuschrauber, der eine Platte antreibe, auf der wiederum ein weißes Blatt Papier befestigt ist. Ein Druck auf die Fernbedienung, und schon rotiert das Papier im gewünschten Tempo - während ein Mädchen von oben herab Farben darauf träufeln lässt. Und voilà, keine Minute später ist das Kunstwerk fertig, das Mädchen selig und der nächste Knopfdruck-Künstler an der Reihe.

Die Farbschleuder ist eine von vielen Mitmachaktionen bei "Obacht! - Kultur im Quartier", einer dreitätigen Kultur-Biennale in Haidhausen, die überdies Konzerte, Lesungen und Theaterstücke umfasst. Im Zentrum stehen jedoch die circa 40 Künstlerinnen und Künstler, die in gut zwei Dutzend Ateliers ihre Werke präsentieren. Die Palette reicht von Keramik über Malerei bis hin zu Skulpturen aus Holz oder Metall. Doch so unterschiedlich die Werke, so einmütig ist die Stimmung in den Ateliers. "Ich bin einfach nur froh, dass ich meine Kunst endlich wieder zeigen kann", sagt etwa Stephanie Schmitz, deren Siebdrucke in der Goldschmiede neben den Eisenskulpturen von Harald Peters hängen. Dazu komme der direkte Austausch mit dem Publikum: "Was man selbst in einem Werk sieht, ist ja nur das eine", sagt Schmitz. "Das andere ist, wie das Werk bei den Menschen ankommt."

Für fast alle Künstlerinnen und Künstler sind die Haidhauser Kulturtage die erste Ausstellungsgelegenheit nach der gefühlt unendlichen Corona-Zwangspause. Doch nicht nur sie seien froh und erleichtert, sagt Peter Euser, Chef-Organisator von "Kultur im Quartier". Sondern auch bei vielen Besuchern in seinem Atelier am Bordeauxplatz habe er gemerkt, "wie groß die Sehnsucht nach Kultur ist". Mit der Resonanz an den drei Tagen zeigt sich Euser jedenfalls hoch zufrieden - ebenso wie Harald Peters in der Schmiede. "Es war durchgehend etwas los. Und vielen Leuten hat man angemerkt, dass sie ausgehungert nach Kultur sind." Sagt's und widmet sich sogleich wieder seiner Farbschleuder - und dem nächsten Kunstwerk auf Knopfdruck.

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