Öko-Kette Basic:"Als wir kamen, stand die Insolvenz bevor"

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Rettungsplan bei Basic: Die neue Leitung schließt vier Läden - und will den Standort München stärken.

Bernd Kastner

Weinende Mitarbeiter habe er in den Märkten angetroffen, sagt Joachim Kreuzburg. Er ist der neue Chef der Biosupermarkt-Kette Basic, und bevor er seine Powerpoint-Präsentation startet, um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des schwer gebeutelten Öko-Filialisten zu erklären, erzählt er vom vergangenen Samstag.

Käufer in Münchner Basic-Filiale: Die Krise bei der Biomarkt-Kette begann, als der Discounter Lidl ins Spiel kam. Diese Kooperation wollte ein Teil der Stammkunden nicht dulden. (Foto: Foto: AP)

Da sind er und seine beiden Kollegen aus der Geschäftsleitung in vier Supermärkte gefahren im Norden und Westen der Republik, um den Beschäftigten zu verkünden, dass ihr Laden geschlossen werde. In Münster, Hagen und Karlsruhe sofort, in Köln in ein paar Tagen. Als ob das nicht schon traurig genug wäre, erbost Kreuzburg besonders, dass die Nachricht schon in der SZ stand, ehe er die Mitarbeiter informierte.

Es seien rechtliche Gründe gewesen, weshalb er die 59 betroffenen Mitarbeiter nicht früher unterrichtet habe. Man habe zuerst die Zustimmung des Betriebsrates einholen müssen, sagt der Basic-Vorstand am Montag vor der Presse. Der Betriebsrat weiß seit Wochen Bescheid, aber er hielt dicht. Immerhin, von den Beschäftigten habe man 20 bereits in anderen Märkten untergebracht und einen Sozialplan erarbeitet.

"Cash negativ"

Dann aber geht's los mit der Lein-wandpräsentation, und am Ende wird Kreuzburg sagen: "Wir haben das Tal der Tränen verlassen." Das vergangene Wochenende war eine Zäsur für Basic: Die ersten Filialschließungen in der zehnjährigen Geschichte von Deutschlands zweitgrößter Öko-Kette markieren den Höhepunkt der Sanierung. Und den vorläufigen Abschluss: Man sei weitgehend durch, erklärt der neue Basic-Boss. Er kommt aus der Industrie und wurde mit den Generalbevollmächtigten Jörn Göbert und Wilfried Rathert als Retter nach München gerufen: "Als wir kamen, stand die Insolvenz vor der Tür."

Überschuldet und zahlungsunfähig sei die Firma gewesen. Gekommen sind sie im Mai als Interims-Sanierer, im August haben sie die Führung auch formal übernommen. "Fünf vor zwölf" sei es im Sommer gewesen, so Kreuzburg. "Cash negativ", lautete das Fazit.

Banken und Lieferanten musste die nicht börsennotierte AG um Stundung bitten. Eben wegen dieser Misere habe man den "Kostenapparat" angehen und auch Stellen abbauen müssen. 850 Mitarbeiter waren es bis vor kurzem, was 700 "FTE" entspreche. FTE entstammt der Sprache der Sanierer und bedeutet, ausgeschrieben und übersetzt, Vollzeitstellen. Heute gebe es 600 FTE, wie viele "Köpfe" das seien, vermag man "aus dem Stegreif" nicht zu sagen. Fazit und Ausblick der neuen Spitze lesen sich zahlenmäßig so: 2007 ein Verlust von sieben Millionen Euro, heuer voraussichtlich die Hälfte, 2009 wolle man wieder eine schwarze Null schreiben.

Misslungene Allianz

Das Spitzen-Trio und die verbliebenen Mitarbeiter leiden noch immer unter der misslungenen Allianz mit dem Schwarz-Konzern im vergangenen Jahr. Die Kunden rebellierten und zwangen den Lidl-Eigner aus Neckarsulm zum Ausstieg. Mit ihm ging aber auch viel Kapital, und das zu einem Zeitpunkt, als in München alles auf Expansion ausgerichtet war, inklusive vieler Neueinstellungen. Entsprechend deutliche Worte richtet Kreuzburg in die Vergangenheit - gegen die einstige Führungsriege: "Nicht maßvoll", ja, "blindwütig" und "völlig krank" sei deren Wachstumsstrategie, die von bis zu 50 neuen Märkten pro Jahr träumte.

Nun wollen sie jeden potentiellen Standort genau untersuchen. Das habe man in München gemacht, wo die Kette 1998 den ersten Markt eröffnete, und kam zum Ergebnis: Zwei weitere Läden könne die Stadt gut vertragen. Einen in der Nymphenburger Straße, einen in der Amalienburgstraße, Eröffnungen Ende 2008, Anfang 2009. Dazu drei weitere Filialen im Bundesgebiet.

Auch den Laden in der Müllerstraße habe man noch nicht ganz abgeschrieben: Dort gibt es massiven Ärger mit den verbliebenen Bewohnern im dazugehörigen Haus, wofür Basic nur indirekt etwas kann - der Laden aber steht seit zwei Jahren leer.

Harte Konkurrenz

Die Neueröffnungen an der Isar geschehen in einer Zeit, da zwei der Hauptkonkurrenten von Basic nach München kommen: Marktführer Alnatura und Vierlinden, der Öko-Ableger von Rewe. Die Stärkung des Basic-Heimatstandorts fällt aber auch in eine Zeit, da der Biofachhandel zunehmend mit der Konkurrenz in den konventionellen Supermärkten zu kämpfen hat. Während die Verbraucher insgesamt immer mehr Ökolebensmittel aufs Kassenband legen - der Gesamt-Bio-Umsatz stieg von 3,1 Milliarden Euro (2003) auf 5,3 Milliarden (2007) -, tun sie das aber verstärkt bei Lidl und Co. Das gab es früher kaum.

Heute kommt kein Tengelmann, kein Aldi mehr ohne Ökoprodukte aus. Entsprechend ist deren Anteil am Biohandel von 2003 bis 2007 von 35 auf 53Prozent gestiegen, während zeitgleich der des Fachhandels von 26 auf 22 Prozent sank. "Die Branche steht vor einer Konsolidierungsphase", sagt Kreuzburg.

Um hier gegenhalten zu können, setzt er auf die Strategie "Back to the Basic(s)" - zurück zu den Anfängen. Das gelte für das angestrebte "organische Wachstum". Aber auch für die Beratung in den Läden und die Qualität und Herkunft der Ware: Je regionaler, desto lieber. Aber es könnte auch noch etwas ganz anderes passieren, deutet Kreuzburg an, als zwei Worte an der Leinwand leuchten: Zukäufe und Kooperationen. Damit meint er die Konkurrenz, mit der man durchaus zusammenarbeiten könne, ja, mehr sogar: Basic seien schon Läden von anderen zum Kauf angeboten worden. Näheres bleibt Kreuzburg schuldig.

Dem Manager schmeckt es

Vorerst sei es oberstes Ziel, wieder Ruhe ins Unternehmen zu bringen. "Mit der Restrukturierung sind wir eigentlich durch", sagt Kreuzburg, und: "Personal ist erledigt", was heißen soll: Keine weiteren Kündigungen und auch keine weiteren Schließungen, "das ist nicht unser Ziel", auch wenn fünf Filialen auf der internen "Watch List" stünden. Sie genössen besondere Aufmerksamkeit des Controllings.

Bald könnte es auch wieder einen neuen Kopf im Vorstandszimmer geben. Kreuzburg, bislang ohne einschlägige Bio-Erfahrung, versteht sich offenbar als Übergangs-Chef. "Es wird gesucht", sagt er und meint seinen eigenen Nachfolger. Dabei ist der Manager mit der wuchtigen Statur gerade erst dabei, mit drängelnder Unterstützung seiner Assistentin, Bio-Kost schätzen zu lernen: "Ich probiere alles. Das schmeckt mir auch."

© SZ vom 21.10.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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