Süddeutsche Zeitung

Öffentlicher Raum:Hauptsache plakativ

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Der Kampf um Aufmerksamkeit macht auch vor öffentlichen und denkmalgeschützten Gebäuden nicht halt. Für Fahnen, Poster und Tafeln gibt es von Seiten der Stadt Auflagen und erstaunliche Ausnahmen

Von Alfred Dürr

Leuchtende Firmenlogos, beschriftete Fahnen, riesige Werbeposter, Plakattafeln mit bewegten Bildern, dazu Straßenschilder, Ampeln und vieles andere mehr an optischen Reizen überfrachten zunehmend das Stadtbild, vor allem in der Innenstadt. Aber nicht nur die kommerzielle Reklame buhlt um die Aufmerksamkeit der Passanten. Die Werbeflut macht selbst vor öffentlichen Gebäuden nicht halt.

An den Fronten von Museen hängen Poster mit Informationen zu den jeweiligen Ausstellungen. Auch an anderen staatlichen Bauten mit ihren denkmalgeschützten Fassaden, etwa am Landwirtschaftsministerium an der Ludwigstraße oder an der Hofgarten-Mauer am Odeonsplatz, sind großflächige Tafeln mit Hinweisen auf Veranstaltungen angebracht. Der Respekt vor dem Wert historischer Bauten im Stadtbild - spielt er keine große Rolle mehr?

Besonders ins Auge sticht das achteckige, zitronengelbe Schild mit der Aufschrift "Theaterakademie August Everding", das sich an einem Stangengerüst unmittelbar vor der altehrwürdigen Fassade des Prinzregententheaters erhebt. Werbung pur: Viele Münchner wüssten nicht, dass sich im hinteren Bereich des Theaterbaus die größte Ausbildungsstätte für Bühnenberufe in Deutschland befindet, sagt Professor Hans-Jürgen Drescher.

Seit der Spielzeit 2014/2015 leitet er diese Lehrstätte. Sein erklärtes Ziel bei Dienstantritt war es, die Arbeit der Studenten noch deutlicher ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Die Tafel beeinträchtige die Fassade des Prinzregentheaters nicht, stellt er fest. Sie sei auch nicht für die Ewigkeit; ein Konzept zur Außenwerbung werde erarbeitet. Bei der Stadt sieht man das allerdings deutlich kritischer. Das Schild sei nicht genehmigt und es liege keine denkmalrechtliche Erlaubnis vor, sagt Thorsten Vogel, der Sprecher des städtischen Planungsreferats. Man sei in Verhandlungen mit der Akademie. Bislang liegt allerdings kein Ergebnis vor: "Ziel ist es, eine verträgliche Lösung herbeizuführen."

Kulturmanager Eckard Heintz, der von 1982 bis 1998 der erste Geschäftsführer des Gasteig-Zentrums war, versteht die zögerliche Haltung der Stadt nicht. Irritiert von der "zunehmenden Plakatierungswut" an öffentlichen und denkmalgeschützten Gebäuden versucht er seit eineinhalb Jahren bei den zuständigen Behörden zu erfahren, welche Richtlinien für die Genehmigung "kultureller Werbung" gälten: "Schlüssige Antworten habe ich nicht erhalten." In seiner Zeit als Gasteig-Geschäftsführer "wurde stets in positiver Abstimmung mit der Stadt plakative Außenwerbung für das Kulturzentrum, wenn überhaupt, sehr zurückhaltend betrieben". Den 1999 verstorbenen Regisseur, Kulturpolitiker und Intendanten August Everding habe er gut gekannt, sagt Heintz: "Er war eng mit dem Prinzregentheater verbunden, ein solches Schild hätte er jedoch niemals aufstellen lassen." In "seinem" Theater würden doch nicht nur Theater-Akademisten ausgebildet. Das Publikum besuche dort überwiegend Konzerte von Drittveranstaltern.

Vom Bayerischen Kunstministerium erhält man auf Nachfrage zur Werbung an den Staatsbauten nur allgemeine Antworten. Die Untere Denkmalschutzbehörde bei der Stadt habe in jedem Einzelfall die Erlaubnis zu erteilen. Ein zentrales Kriterium dabei ist, dass die "künstlerische Wirkung des Denkmals" nicht beeinträchtigt werden darf. "Erlaubnisfähig können beispielsweise Hinweiseinrichtungen sein, die in Maßstäblichkeit, Materialität, Form und Farbe auf das Denkmal besondere Rücksicht nehmen und die ästhetisch-künstlerische Anmutung des Denkmals nicht stören", heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums weiter.

Gemünzt ist das beispielsweise auch auf ein schmales Werbeplakat, das sich über zwei Stockwerke an der Fassade des Landwirtschaftsministeriums an der Ecke Ludwigstraße und Von-der-Tann-Straße zieht. Seit Montag hängt der Hinweis auf den bevorstehenden Advents-Hofmarkt im Ministerium. Für die Genehmigungsbehörde bei der Stadt stellt das keine Verschandelung der Ludwigstraße mit ihren historischen Prachtbauten dar. Man habe mit dem Ministerium eine Sondervereinbarung über "temporäre Werbung" geschlossen, sagt Thorsten Vogel: "Vier bis fünf mal im Jahr dürfen für jeweils eine Woche Hinweise auf Veranstaltungen an der Fassade erfolgen." Die Tafeln würden also nicht zur Dauereinrichtung.

Seit vielen Jahren hingegen sieht man an der Hofgarten-Mauer am Odeonsplatz die Werbeplakate der bayerischen Schlösserverwaltung. Sie sollen die Aufmerksamkeit auf die "kulturellen öffentlichen Institutionen im Bereich der Residenz" lenken, heißt es in der Mitteilung der Schlösserverwaltung. Es werde ausschließlich auf Ausstellungen in den Gebäuden des Freistaats Bayern hingewiesen, die sich um den Hofgarten gruppieren. Eine Vermietung der Flächen oder die Werbung für kommerzielle Zwecke sei ausgeschlossen.

Theatinerkirche, Feldherrnhalle, Residenz, das klassizistische Bazargebäude, die Ministerien und die Hofgarten-Arkaden - ein historischer Hochkaräter reiht sich an den anderen am Odeonsplatz. Warum nehmen Denkmalschutz und Stadtbild keinen Schaden durch die Werbung? "Weil in diesem Bereich durch den U-Bahn-Abgang und die Fahrradständer bereits erhebliche Störungen bestehen", lässt die Schlösserverwaltung dazu verlauten.

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SZ vom 29.11.2017
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