Öffentlicher Nahverkehr in München:Azubi-Ticket verzögert sich

Das Semesterticket für Studenten war ein Erfolg. Im Wahlkampf forderten fast alle Parteien einen Billig-Tarif auch für Schüler und Lehrlinge. Doch das Azubi-Ticket ist rechtlich kompliziert.

Von Marco Völklein

Für Norbert Specht, den Tarifexperten des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV), ist es "der Fluch der guten Tat". Im Herbst 2013 hatten Stadt und MVV das Semesterticket für Studenten eingeführt. Nach immensen Geburtswehen - das Gezerre um die Kosten dauerte mehr als 20 Jahre. Als das vergünstigte Studi-Ticket endlich an den Start ging, lief es gleich so gut, dass Rufe nach einem ähnlichen Angebot für Schüler und Lehrlinge laut wurden. Nicht zuletzt im Kommunalwahlkampf forderten Vertreter fast aller Parteien ein verbilligtes "Azubi-" oder "Jugend-Ticket".

Nun, da der Wahlkampf vorbei ist und sich die Fachleute um die Sache kümmern müssen, zeigt sich aber: Rasch dürfte es wohl nicht kommen, das Azubi-Ticket. So will der MVV zunächst einmal eine Marktstudie in Auftrag geben, um "Verbesserungspotenziale im Ausbildungstarif und finanzielle Auswirkungen zu ermitteln". So steht es in einer Vorlage für den Wirtschaftsausschuss des Stadtrats.

Die Studie soll im Herbst vorliegen. Bis dahin will der MVV auch "ein Konzept für eine umfangreiche Kundenkommunikation bezüglich der Kinder-, Jugend- und Ausbildungstarife" vorlegen. Ein Azubi-Ticket, wie von vielen vor der Wahl angekündigt, steht somit also "nicht direkt vor der Tür", wie auch MVV-Tariffachmann Specht sagt.

Die ganze Thematik ist zudem auch noch mehr als kompliziert. So bezuschusst das Land Bayern schon jetzt einen Teil des Schülerverkehrs durch gesetzlich festgeschriebene Ausgleichsregelungen. Würden Stadt oder MVV, in dem neben der Landeshauptstadt auch noch der Freistaat und die Landkreise vertreten sind, dieses komplizierte Gefüge ändern und zum Beispiel ein (zusätzlich bezuschusstes) Azubi-Ticket einführen, würde man unter Umständen gegen diese Ausgleichsregeln verstoßen - und laut Specht "im Nachhinein hohe Mindereinnahmen riskieren".

"Milchmädchenrechnungen, die am Ende nicht aufgehen"

Aus Sicht der MVV-Tarifplaner wie der Verantwortlichen bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ist klar, dass ein wie auch immer gestaltetes Azubi-Ticket von irgendeiner Seite subventioniert werden müsste. Entweder von der Stadt (sowie den anderen MVV-Partnern, also Freistaat und Landkreisen). Oder von den anderen Fahrgästen über eine Anhebung der allgemeinen Ticketpreise. Auch beim im Herbst gestarteten Studententicket musste die Stadt eine Sicherheitsleistung garantieren, um mögliche Einnahmeausfälle abzufedern.

Zumal man beim MVV "die Kritik an dieser Stelle nicht so wirklich verstehen kann", wie Specht sagt. Schon jetzt offeriere man Jugendlichen "ein preiswertes Angebot, wie es kaum ein anderer Verbund bietet". So erhalten jüngere Schüler (sechs bis 14 Jahre) im Ausbildungstarif 30 Prozent Rabatt, junge Leute ab 15 Jahren noch 25 Prozent Nachlass (aber nur für den Weg von zu Hause zur Ausbildungsstätte). Mit der "Grünen Jugendkarte" können die Nutzer den Geltungsbereich dann noch erweitern.

Doch vielen Politikern im Rathaus reicht das nicht. So glauben die Grünen, dass sich eine günstigere Azubi-Karte am Ende auch selbst tragen könnte, ohne dass Subventionen fällig würden - allein schon, weil dadurch "mehr Nachfrage" entsteht, wie Stadträtin Lydia Dietrich sagt. Entsprechende Berechnungen müssten MVV und MVG erst einmal vorlegen, dann werde man weitersehen. Für Specht indes sind solche Ideen nicht mehr als "Milchmädchenrechnungen, die am Ende nicht aufgehen". Beim Studententicket allerdings, muss er einräumen, werde der MVV die Kostengarantie der Stadt vermutlich nicht anfassen müssen. Konkrete Zahlen würden gerade ermittelt. Aber: "Das geht in Richtung kostenneutral."

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