Süddeutsche Zeitung

Öffentlicher Nahverkehr:Was das neue MVV-Tarifsystem für die Fahrgäste bedeutet

  • 2018 soll im Münchner Nahverkehr ein neues Tarifsystem eingeführt werden.
  • Sieben Tarifkreise sollen das bisherige Modell mit Ringen, Zonen, Innen- und Außenräumen ablösen.
  • Verlierer der Reform könnten die Nutzer der aktuellen Ringe 1 und 2 sein.

Von Andreas Schubert

Die Gesellschafterversammlung der Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) will am 24. November einen großen Wurf beschließen: Die Reform der Tarifstruktur, die alles einfacher machen und dadurch mehr Menschen zum Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel bewegen soll. Die wesentlichen Eckpunkte sind schon seit Längerem bekannt, an diesem Dienstag stellt Bürgermeister Josef Schmid (CSU) im Wirtschaftsausschuss des Stadtrats den aktuellen Sachstand der Verhandlungen vor.

Wichtigste Änderung ist die Abschaffung der derzeit 16 Ringe im Zeitkartentarif und der vier Zonen für Kunden, die Einzeltickets kaufen. Künftig wird es einheitlich nur noch sieben Kreise geben, die für beide Tarifarten gelten. Der bisher in vier Ringe aufgeteilte Innenraum soll nur noch ein einziger Tarifkreis sein. Im Außenraum werden jeweils zwei Ringe zu einem Kreis zusammengefasst.

Hinter den Kulissen gibt es aber noch Unstimmigkeiten, die nicht etwa die Vereinfachung betreffen, sondern die Kosten für die Monatskarte. Und da weichen die Vorstellungen von Stadt und Bahn voneinander ab. Vor allem Nutzer, die derzeit noch mit zwei Ringen auskommen, sollen nach einem Vorschlag der Bahn künftig 64,50 Euro zahlen. Das wären zehn Euro mehr als derzeit. Aus dem Rathaus bekommt man bestätigt, dass die Summe im Raum steht, ebenso, dass manche sie für zu hoch halten.

Weil aber die Verhandlungen noch laufen und nicht öffentlich sind, will sich niemand der Beteiligten offiziell und namentlich dazu äußern. Wie aber aus der Vorlage für die Ausschusssitzung hervorgeht, rät die Verwaltung explizit, bei der Preisfindung für den zukünftigen Innenstadtkreis die bisherigen Nutzer von zwei Tarifringen nicht überproportional zu belasten.

Fix sind allerdings noch keine Zahlen, wie aus dem Verbundrat des MVV zu hören ist. Die Bahn habe die genannte Summe zur Debatte gestellt, wolle aber auch nicht auf diesem Betrag "herumreiten". Fest steht: Schon bei der jüngsten Tariferhöhung, die Ende September beschlossen wurde und die am 10. Dezember in Kraft tritt, hatte die Bahn sich für einen höheren Preissprung ausgesprochen, als ihr die Gesellschafterversammlung letztlich zugestehen wollte.

Bahn und Freistaat wollten eine Erhöhung um 3,5 Prozent; letztlich setzten sich die Stadt und die Landkreise mit 1,9 Prozent durch. Die Erhöhung fiel moderat wie nie aus, dabei hatte die Bahn vorab wiederholt betont, dass sie wegen steigender Kosten und diverser Investitionen auf das Geld angewiesen sei.

Wer von der neuen Tarifstruktur profitieren soll

Jetzt geht es um die künftigen Einnahmen nach der großen Reform, aber weder die Bahn noch die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), die beide im Verbundrat vertreten sind, entscheiden letztlich über Details. Dafür sind die Gesellschafter zuständig - und dazu gehören die Stadt München, die acht Verbundlandkreise und der Freistaat. Das Votum ist also ein politisches. Letztlich sei die Reform, die von den Beratungsbüros Civity und Intraplan erarbeitet wird, keine "eierlegende Wollmilchsau", wie ein Beteiligter erklärt. Es werde immer jemanden geben, der bei einer Reform benachteiligt wird.

Die Verlierer der Reform, also Nutzer der aktuellen Ringe 1 und 2, sind laut Schmids Vorlage allerdings in der Minderheit: Nur knapp ein Drittel kommt mit zwei Ringen aus. Überdies profitierten sie von der Reform, weil sich der Bewegungsraum mehr als verdopple. 68 Prozent der MVV-Fahrgäste nutzten dagegen drei bis vier Ringe. Und für diese Kunden wird es laut Wirtschaftsreferat günstiger werden. Auch Schüler und Auszubildende könnten von der Reform enorm profitieren, indem sie ihr Ticket auch für Fahrten in ihrer Freizeit nutzen dürfen und nicht nur in einem eng definierten Gebiet - doch für diesen Punkt ist die Finanzierung noch nicht geklärt.

Vorgabe der Reform war von Anfang an, dass sie "erlösneutral" ablaufen soll, also die Einnahmen im Vergleich zum jetzigen System nicht höher oder geringer ausfallen dürfen. 2016 hat die MVV insgesamt Tickets für 872 Millionen Euro verkauft, davon kamen 425 Millionen aus dem Zeitkartentarif, 339 Millionen aus dem Bartarif (einzelne Tickets) und 108 Millionen aus dem Ausbildungstarif. Der größte Anteil der Einnahmen, etwa 90 Prozent, geht an die Bahn und die MVG, der Rest an die Landkreise und Verkehrsunternehmen im Umland.

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SZ vom 07.11.2017/amm
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