Öffentliche WCs:Echtes Bedürfnis

Eisdiele, Bistro, Partyzone! Ein paar öffentliche Klos in München sollen künftig nicht im ursprünglichen Sinne genutzt werden. Ein Blick auf (ehemals) stille Orte.

Von Thomas Anlauf

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Quelle: Alessandra Schellnegger

Die öffentlichen Toiletten in München sind dem Stadtrat ein dringendes Anliegen. Seit mehr als fünf Jahren diskutieren die Politiker, wie viele Bedürfnisanstalten in der Stadt eigentlich nötig sind - und wer sie letztlich so betreiben kann, dass sie auch ohne Ekelgefühle benutzt werden können. Vor dreieinhalb Jahren sollten noch fast drei Dutzend Toilettenanlagen geschlossen und 36 saniert werden, nun sollen vielmehr neue gebaut oder seit Jahren geschlossene wieder zugänglich gemacht werden.

Nach der Sanierung der Anlage im U-Bahnhof Münchner Freiheit steht nun die Renovierung der Toiletten am Marienplatz an. Das kostet viel Geld: 875 000 Euro investiert die Münchner Toiletten GmbH in die Sanierung der Anlage an der Münchner Freiheit. Die jüngste Tochtergesellschaft der Stadtwerke München soll sich vor allem um die Sanierung der Klos in den U-Bahnhöfen kümmern.

Doch es gibt zahlreiche weitere Stille Örtchen in der Stadt, die auf ihre Nutzung warten. Manche werden auf durchaus ungewöhnliche Art betrieben.

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Kultur im Pissoir

KloHäuschen an der Großmarkthalle. Ausstellung: die Nebenwirkungen Thalkirchner Str. 81 Ecke Oberländerstr. Großmarkthalle Westtor. Darin ist eine Installation von Robert Klein (was Leuchtendes im dunklen Raum)

Quelle: Florian Peljak

Er ist mit seinen acht Quadratmetern der wohl kleinste Kulturraum der Stadt. Das ehemalige Pissoir an der Großmarkthalle hat die Münchner Raumkünstlerin Anja Uhlig seit sechs Jahren von den Markthallen München gepachtet und lädt regelmäßig bildende Künstler, Musiker, Schriftsteller, Performer oder Architekten ein, das Kleinod mit Leben zu erfüllen. Derzeit ist dort Robert Kleins Installation "Nebenwirkungen" zu erleben, zuvor hatten schon 61andere Klo-Artisten einen ganz individuellen Bezug zu dem Häuschen gefunden. Es gehe nicht darum, den Raum "zu nutzen, sondern ganz neu mit ihm zusammenzuarbeiten, wie mit einem Partner", sagt Anja Uhlig. Auch wenn das mehr als einhundert Jahre alte Pissoir öffentlich zugänglich ist - als Toilette dient es heute nicht mehr.

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Örtchen im Park

Kiosk "Fräulein Grüneis" in München, 2012

Quelle: Stephan Rumpf

Von 1904 an war es fünf Jahrzehnte lang eine öffentliche Toilette, dann diente das Gebäude als Schwulen-Treff, bis es 18 Jahre lang in einen Dornröschenschlaf verfiel. Für Sandra und Henning Dürr war das Haus an der Lerchenfeldstraße jedoch "das Beste, was uns passieren konnte". Das Ehepaar bewarb sich erfolgreich bei der Schlösser- und Seenverwaltung, dem das Häuschen gehört. "Wir dachten erst, dass das eine sehr romantische Sache wird", sagt Henning Dürr heute, dreieinhalb Jahre nach der Eröffnung. Doch das Kiosk-Café hat sich schnell zum beliebten Treffpunkt entwickelt. Hier kommen Spaziergänger vorbei und Geschäftsleute aus der Gegend, die in der Mittagspause die täglich wechselnden Gerichte oder eine Brotzeit genießen. Aber auch Touristen kommen häufig, schließlich rauscht nur ein paar Meter entfernt die Surferwelle.

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Feiern am Fluss

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Quelle: Robert Haas

Der Plan vom 23. März 1901 beschreibt detailliert die Lage und die Raumaufteilung der "öffentlichen Bedürfnis-Anstalt nebst Fahrrad-Abstellraum sowie Freitreppen-Anlagen etc. an der Ludwigs-Brücke". Wer heute unter der Ludwigsbrücke nach Norden spaziert, wird hingegen kaum registrieren, dass dort auf der rechten Seite eine öffentliche Toilette ist. Die Sanitäranlagen sind bereits seit Jahren ungenutzt, auf den Türen haben Graffiti-Künstler ihre Spuren hinterlassen. Doch jetzt läuft bis 31. Januar eine Ausschreibung für das ehemalige WC. Wie viele potenzielle Betreiber sich bereits beworben haben, kann das Kommunalreferat erst nach Ablauf der Frist sagen. Jonas Imbery und David Walker sind zwei der Kandidaten, die aus dem Klohäusl in der Brücke etwas Besonderes machen wollen. Die Beiden haben bereits vor geraumer Zeit ein Konzept erarbeitet und dem Haidhauser Bezirksausschuss sowie den zuständigen städtischen Referaten vorgelegt. Ihnen schwebt in dem alten Gemäuer eine kleine Café-Bar vor, die an Wochenenden auch nachts geöffnet hat.

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Bistro im Berg

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Quelle: Robert Haas

"Wo es möglich ist, schreiben wir öffentliche Toiletten zur gewerblichen Nutzung aus", sagt Bernd Plank vom Münchner Kommunalreferat. Derzeit prüft die Stadt, ob die Vision von Florian Falterer Wirklichkeit werden kann. Der Giesinger würde gerne eine ehemalige WC-Anlage am Nockherberg in ein Kiosk-Café verwandeln. Genauer: im Nockherberg. Denn das historische Klohäuschen ist Teil einer Treppenanlage zum Kronepark am Isarhochufer. Noch in diesem Monat will der Autor und Veranstalter einen Bauantrag einreichen und hat bereits zahlreiche Gespräche mit Experten der Stadtverwaltung geführt. Und er ist überrascht, wie viel positive Resonanz er von den städtischen Experten erhalten hat. Wenn alles klappt, wird dort schon bald eine ganz besondere "Bedürfnisanstalt" entstehen: neben einer öffentlichen Toilette eine Gastronomie mit Bioprodukten, im Sommer könnte es sogar kleinere Kulturveranstaltungen auf dem Treppenplateau geben.

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Traum vom Eis

Pissoir am Holzplatz im Glockenbachviertel, 2012

Quelle: Stephan Rumpf

Seit fast zwei Jahren schon will sich Thomas Bartu einen Traum verwirklichen: ein historisches Pissoir am Holzplatz im Glockenbachviertel in eine kleine Eisdiele zu verwandeln. Bislang scheiterte der Plan - zunächst am Widerstand von Anwohnern, die abendlichen Lärm befürchteten. Dann protestierte der Verein Kiez und Kultur, der das seit Jahrzehnten ungenutzte Pissoir als Erinnerungsraum an die Verfolgung von Homosexuellen nutzen wollte. Doch mittlerweile liegt der Fall bei Gericht, weil Bartu in das verfallende Baudenkmal drei Fenster einbauen will. Die Stadt hatte ihm lediglich ein Verkaufsfenster genehmigt. So steht das Pissoir weiterhin ungenutzt herum, obwohl der Gelatiere, der seit einigen Jahren eine Eisdiele in der Schwabinger Wilhelmstraße betreibt, seit eineinhalb Jahren Pacht bezahlt.

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Bad in der Menge

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Quelle: Robert Haas

Während des Oktoberfests liegt das einstige Brausebad am Bavariaring wie ein Fels in der Brandung. Das Gebäude auf der Verkehrsinsel vor dem Wiesn-Haupteingang wird dann von Menschenmassen umspült. Ein idealer Ort, um gute Geschäfte machen zu können. Das dachte sich auch Thomas Hirschberger. Der Geschäftsführer der Burger-Kette "Hans im Glück" pachtete 2012 das historische Brausebad. Während der Wiesn 2013 öffnete das "Hans geht feiern". Doch es gab Beschwerden von Anwohnern. Seither ist es etwas still geworden um die Bedürfnisanstalt. Dabei überlegt der Unternehmer seit geraumer Zeit, was für ein Lokal dort hinpassen könnte. System-Gastronomie soll es wohl nicht werden, eher etwas Bayerisches. Während der Wiesn 2014 diente das Haus übrigens nicht als Partyzone, sondern als öffentliche Toilette.

© SZ vom 12.1.2015/bica/ahem
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