Öffentliche Probe:Kuscheln mit dem König

Martin Lacey junior erklärt im Circus Krone, wie man den Löwen Kunststücke beibringt. Tierschützer halten von solchen Dressuren wenig und fordern ein Wildtierverbot in der Manege - doch der Dompteur hält dagegen

Von Toni Wölfl

Die letzte Zirkusnummer steht bevor. Orchestermusik setzt ein, alle Blicke aus dem Publikum folgen dem Schweinwerferlicht. Die Spots richten sich auf den höchsten Punkt in der Manege. Dort oben, auf einem Podest, thront Baluga, der weiße Löwe. Stattlich steht er da, der König unter den Tieren. Er spannt seine Muskeln an und springt von einem Podest zum nächsten, dem Mann hinterher. Dann schauen sich die beiden in die Augen, bewegen sich aufeinander zu und - beginnen zu kuscheln. Der Löwe wirft sich in den Sand, der Mann streichelt ihn und legt sich auf Baluga. Ein Mensch und ein Raubtier, in größtmöglicher Nähe vereint. Das ist das letzte Bild, ehe in der Manege das Licht ausgeht.

"Ich bin der beste Freund der Tiere", hatte der Mann kurz vorher gesagt. Er heißt Martin Lacey Junior, ist Tiertrainer und hat zur öffentlichen Raubtierprobe in den Circus Krone eingeladen. "Ich weiß genau, in welcher Stimmung die Tiere sind." Baluga hat er vor viereinhalb Jahren selbst mit der Flasche aufgezogen, das Tier war der erste in einem Zirkus geborene weiße Löwe. Heute ist er die Hauptattraktion. Seine Tricks hat er alle von Lacey jr., dem Löwendompteur. Der 39-Jährige ist in einer Zirkusfamilie in England aufgewachsen, mit seinen Wildkatzen tourt er heute durch ganz Europa und steht noch bis 2. April in der Münchner Manege.

Öffentliche Probe: Dompteur Martin Lacey junior und seine Löwen begeisterten am Sonntag die Besucher.

Dompteur Martin Lacey junior und seine Löwen begeisterten am Sonntag die Besucher.

(Foto: Robert Haas)

Sehr zum Missfallen der Tierschutzorganisation Peta, die immer wieder gegen Wildtiere im Zirkus protestiert. "Es geht nicht nur um die nicht-artgerechte Haltung bei herumreisenden Wanderzirkussen, sondern auch um die Dressurmethoden", sagt Peta-Fachreferent Peter Höffken. "Die Peitsche ist nicht nur ein Dirigentenstab. Sie ist eine Waffe, mit der man andere Lebewesen kontrolliert." Dass an diesem Samstag Ringling, der größte Zirkus der Welt, bei dem auch Martin Laceys Bruder Alexander arbeitet, nach 146 Jahren sein Ende bekannt gab, sieht Höffken als Signal. "Wir hoffen, dass der Circus Krone die Zeichen der Zeit erkennt."

Das sehen die meisten Besucher der öffentlichen Probe am Sonntag wohl anders. 2300 sind gekommen, um zu sehen, wie man einem Löwen beibringt, auf Kommando zu springen und auf den Hinterpfoten zu gehen. Und wie man einen Scheinangriff auf den Dompteur einübt? Um kurz nach halb elf laufen sieben Nachwuchsstars in die Manege. Lacey kennt natürlich jedes einzelne Tier beim Namen. Roofy, Simba, Stella und Goldie, Silvie, Clio und Tara, der weiße Löwe. "Jedes Tier ist anders", erklärt Lacey den Besuchern. "Clio ist richtig schlau, mag aber nicht springen. Das ist sein Charakter." Löwen seien faule Tiere, die Proben dauerten deswegen auch nur eine Stunde. "Das Geheimnis eines guten Tiertrainers ist: Dem Tier darf es nicht langweilig werden."

Demonstranten vor Circus Krone

Bei der Krone-Premiere im Dezember aber protestierten Tierschützer gegen Wildtier-Dressuren.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Besonders reizvoll macht die öffentliche Probe, dass die Zuschauer die Kommandos mithören können. "Sit, lay down! Brav, good girl! Clio, I'm watching you", ruft er den Löwen zu. Mit dem Publikum spricht Lacey Deutsch, mit den Tieren eine Mischung aus Englisch und Deutsch - und ein bisschen Löwisch gehört wohl auch dazu, wenn er ihnen ein sanftes "Zsss, Zsss" zuzwitschert. Raubkatzen zu dressieren funktioniere nicht anders als bei Hunden: "Liebe, Lob und Leckerli." Heißt im Klartext: Rindfleisch im Wert von 20 000 Euro monatlich. Eine Peitsche hat er trotzdem.

"Die Tiere verstehen 30 Kommandos", sagt Lacey. Klar, viele davon beherrschen die sieben Löwen bereits, sie sind immerhin drei Jahre alt. Dass es sich aber um keine einstudierte Probe, sondern um ein realistisches Training handelt, beweist zum Beispiel der Clio, der öfter aus der Reihe tanzt und nicht stehen bleibt, wo er soll. Oder die Tiger Anara und India, die sich lieber noch auf dem Sandboden wälzen, als die Manege wie geplant zu verlassen. Obwohl Orchestermusiker fehlen und das Licht bis auf das Finale immer an bleibt, kommt bei den Kindern die Zirkus-Stimmung an. Liebling ist bei den meisten Baluga: "Mir hat der weiße Löwe am besten gefallen", sagt der siebenjährige Manuel.

Am Ende der Probe bitte der Dompteur die Besucher dann noch, eine Petition gegen das Wildtierverbot zu unterstützen. "Das unterschreib' ich gleich", sagt Ernst Obermeier. "Den Tieren geht's gut, das sieht man doch", sagt der 60-Jährige. Knapp 9000 Unterschriften wurden seit 25. Dezember gesammelt, sagt Krone-Sprecherin Susanne Matzenau. "Es sollen nicht nur die gehört werden, die laut Nein schreien."

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