Süddeutsche Zeitung

Obikes in München:Stören die 7000 Obikes in München - oder nicht?

Die eine kann die Aufregung um die Leihräder nicht verstehen und hält die mehr als 700 000 Autos in München für das viel größere Problem. Die andere fordert die Stadt zum Handeln auf.

Ein Pro und Contra von Ingrid Fuchs und Nina Bovensiepen

7000 Fahrräder führen in München gerade zu lautem Geheule: Platzmangel auf den Gehwegen! Optische Verschandelung der Straße! Grau-gelbe Müllberge überall! Schuld sind die Obikes, die man seit einigen Wochen an wirklich jeder Ecke der Stadt ausleihen kann. Das Hauptargument der Genervten und Empörten: Die Räder stören. Wie bitte?

In einer Stadt, in der 700 000 Autos zugelassen sind und noch viele weitere herumstehen, die kein M-Kennzeichen haben, fühlt man sich durch zu viele Fahrräder eingeengt? Und beklagt sich, weil sie Stellplätze wegnehmen? Das ist absurd. Es ist doch sinnvoll, wenn weniger Menschen Auto fahren, damit auch viel weniger Platz auf der Straße brauchen und nicht mehr die Luft verpesten. Dafür braucht es Anreize, etwa die unkomplizierte Möglichkeit, kurze Strecken auch spontan mit dem Rad zurückzulegen. Ein Leihrad-System funktioniert aber nur, wenn es genug Räder gibt. Bis vor Kurzem musste man dafür extra Zeit einplanen: Um überhaupt ein MVG- oder DB-Rad zu finden, um es aus verschachtelten Hinterhöfen zu holen - und am Ende sogar bei der Rückgabe, die manchmal minutenlang dauert.

Keine Frage, das System Obike ist noch verbesserungswürdig; technisch sind die Räder auch nicht unbedingt überzeugend. Aber sie fahren. Wenn eines zickt, muss man nicht lange nach dem nächsten suchen. Platzmangel kann also kein Argument gegen mehr Räder sein. Und wer sich an den auf Haufen geworfenen Obikes stört, möge doch bitte die Leute anmotzen, die das anstellen. Die Räder können nichts dafür.

Ingrid Fuchs

Die Firma Obike demonstriert gerade, wie ein Mobilitätswandel nicht funktioniert. Im Prinzip wäre es ja extrem wünschenswert, dass in einer Großstadt wie München immer mehr Autofahrer auf alternative Verkehrsmittel, etwa Fahrräder, umsteigen. Dies wird allerdings nicht gelingen, wenn Unternehmen wie Obike nach dem Billigheimerprinzip und unter Ausnutzung von Regelungslücken ein Leihradchaos produzieren.

In einer Stadt, in der jeder Obststand in der Fußgängerzone nur mit Lizenz seine Äpfel verkaufen darf, regt es Menschen zurecht auf, dass eine Firma aus Singapur mit ihren 7000 Rädern nach Lust und Laune Plätze und Fußwege zustellt. Die ästhetisch und funktional nicht gerade überzeugenden Gefährte landen mitunter im Gebüsch oder stehen unbenutzt im Weg herum. All das macht vielen keine Lust mehr, ein Leihrad auszuprobieren.

Daran kann der Stadt München, deren größtes Problem in Nichtferienzeiten das tägliche Verkehrschaos ist, so gar nicht gelegen sein. Deshalb sollten die Politiker handeln. Bisher vertrat die Stadt den Standpunkt, dass man gegen Obike keine Handhabe habe - weil ein Leihrad-Anbieter, anders als der Obststand-Betreiber, eben keine Lizenz braucht. Aber das ist ja nicht in Stein gemeißelt, sondern es lässt sich ändern. Es mag zwar nicht unbedingt begrüßenswert sein, mit neuen Regularien für Leihrad-Anbieter daherzukommen. Andererseits hilft vermutlich nur das, wenn sich eine richtige und gute Idee wie in diesem Fall ins Gegenteil zu verkehren droht.

Nina Bovensiepen

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Quelle:
SZ vom 12. Oktober 2017/jana
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