Süddeutsche Zeitung

Obersendling:Maßlos und desaströs

Das Ensemble "Südlicht" und viele Bäume sollen einem riesigen Gewerbepark weichen - zum Entsetzen der Lokalpolitiker

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

An der Hofmannstraße in Obersendling ballen sich Gewerbebauten aller Art. Die wenigstens von ihnen glänzen durch architektonischen Anspruch. Eine rühmliche Ausnahme bildet der vierteilige Gebäudekomplex "Südlicht", den der New Yorker Stararchitekt Richard Meier konzipiert hat. Doch ausgerechnet dieses strahlend weiße Ensemble aus Bürobauten mit seiner streng geometrischen Formgebung soll einem riesigen Gewerbepark weichen. Ein Vorhaben, das vom Bezirksausschuss (BA) Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln strikt abgelehnt wird. Das entschiedene Nein zum Antrag auf Vorbescheid gilt auch für die beantragte Fällung von 73 Bäumen, deren Stammumfänge bis zu 2,09 Meter messen.

Allein schon der beabsichtigte Umgang mit wertvollen Bäumen in einem überaus dicht bebauten Viertel beweist für den BA die "Maßlosigkeit des Bauvorhabens", belege dessen "desaströse ökologische Auswirkungen". Jenseits der Gigantomanie-Kritik geht es den Lokalpolitikern um den Erhalt der stilvollen Richard-Meier-Bestandsbauten. Ausdrücklich bedauert wurde in der jüngsten BA-Sitzung die Entscheidung der Denkmalbehörden, die "Südlicht"-Gebäude nicht in die Denkmalschutzliste aufzunehmen.

Die 1990 errichteten und von 2003 bis 2006 modernisierten fünfgeschossigen Riegel an der Hofmannstraße 51 bieten auf 22 000 Quadratmetern Mietfläche jede Menge zeitgemäßer Büroarbeitsplätze. Der Büroraum sollte eigentlich ausreichen, um eine ausreichende Rendite zu erzielen, meint der BA. Doch die Eigentümerin, die Alster Wealth GmbH, Grünwald, beurteilt die Lage offenbar anders. Ihr von den p.k. Architekten geplanter Neubau eines "modernen Gewerbeparks" sieht den Abbruch aller Bestandsgebäude vor, um diese durch Baukörper mit bis zu acht Geschossen zu ersetzen. Büros, Dienstleistungsbetriebe, Werkstätten, Labore, Co-Working-Spaces, Fitness-Angebote, Gastronomie und eine Kinderbetreuung sollen darin Platz finden.

Die angestrebte "Baukörperstruktur" ist dem Bezirksausschuss "viel zu massiv". Sie würde die Umgebung "mit einer Wucht erdrücken, die selbst die anderen nachverdichteten Grundstücke in der Umgebung nicht aufweisen", kritisiert das Stadtteilgremium. Überdies würde der "offene, lichtdurchflutete Charakter" der Richard-Meier-Bauten in sein Gegenteil verkehrt, das Gebiet "zu Lasten der Grünflächen über alle Maßen verdichtet".

Die geplanten achtgeschossigen Gewerberiegel könnten dem Bürostandort seine Gestalt rauben und das Grundstück an der Hofmannstraße "wie eine Wand komplett vom Rest des Stadtviertels abschotten", befürchten die Lokalpolitiker. Dabei entstünden Stauräume, welche die Frischluftzufuhr abschneiden, was in Zeiten des Klimawandels technisch und energetisch schwer zu kompensieren wäre.

Im Übrigen gebe es für "eine solche Massivität" weit und breit keinerlei Bezugsfälle, stellt der BA fest. Nicht einmal das benachbarte chinesische Generalkonsulat könne da mithalten. Dabei ist diese Vertretung von der Baumasse her alles andere als ein Leichtgewicht.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2021
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