Kistlerhofstraße:Angst vor der Abrissbirne

Kistlerhofstraße: Ungewohnte Silhouette: Künstler Wolfgang Flatz hat auf dem Dach der Kistlerhofstraße 70 einen Skulpturengarten angelegt.

Ungewohnte Silhouette: Künstler Wolfgang Flatz hat auf dem Dach der Kistlerhofstraße 70 einen Skulpturengarten angelegt.

(Foto: Robert Haas)

Der Verkauf der Hirmer-Gebäude in Obersendling weckt im Viertel Furcht vor möglichen Investorenplänen zu dem divers und kreativ genutzten Gebäude-Ensemble. Die Lokalpolitiker warnen vor allzu weitreichenden Neubau-Absichten.

Von Jürgen Wolfram

Sie gehören zu den auffälligsten Erscheinungen im Münchner Süden: die Hirmer-Gebäude an der Kistlerhofstraße mit ihren poppigen Fassaden, die an Krawattenmuster erinnern sollen. Die Aufmerksamkeit gesteigert haben Installationen auf dem Dach der Hausnummer 70, darunter ein Hubschrauber und ein Wohnwagen - Einfälle des Kunstprofessors Wolfgang Flatz.

Die Immobilie ist unlängst verkauft worden - angeblich an Empira, einen Spezialisten für institutionelle Immobilienanlagen. Was der Investor in Obersendling vorhat, ist noch unklar. Bekannt ist immerhin, dass der Lokalbaukommission ein Antrag auf Bauvorbescheid vorliegt. Einzelheiten werden voraussichtlich im März publik. Im Bezirksausschuss (BA) Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln haben die Veränderungen, die sich an der Kistlerhofstraße ankündigen, bereits für Spekulationen und eine hitzige Diskussion gesorgt.

In Gang gesetzt worden ist die BA-Debatte durch einen Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion. Sie wollte die Stadtverwaltung zur Auskunft darüber auffordern, was es mit der Bauvoranfrage auf sich hat und wie diese sich auf die Mieter in den betreffenden Gebäuden auswirke. Ferner verlangen die Sozialdemokraten, dass die Bezirksausschüsse auch dann zeitnah über Bauanträge und Bauvoranfragen informiert werden, wenn im Planverfahren auf eine Nachbarschaftsbeteiligung verzichtet wird.

Alexander Aichwalder (Grüne), Vorsitzender des BA-Unterausschusses Bau und Planung, versicherte indes, es liege keine Verzögerung durch die Stadtverwaltung vor. Die Lokalbaukommission habe lediglich mit erheblichen Personalengpässen zu kämpfen, weshalb das Vorhaben an der Kistlerhofstraße noch nicht auf der aktuellen Bauliste aufgetaucht sei. Mit diesem Hinweis überzeugte Aichwalder die BA-Mehrheit, den SPD-Antrag abzulehnen.

Kistlerhofstraße: Auffällige Fassaden zeichnen das Ensemble aus.

Auffällige Fassaden zeichnen das Ensemble aus.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Dies wiederum hinderte die SPD-Fraktion um Dorle Baumann nicht daran, eine Pressemitteilung zum Thema Kisterhofstraße 70 herauszugeben. Darin zeigen sich die Sozialdemokraten "ziemlich überrascht" über den Verkauf der Hirmer-Bauten. Aus ihrer Sicht drohten nun "ein Abriss und ein Neubau unbekannten Ausmaßes". Sie erinnern daran, dass die Hirmer-Bauten erst vor zehn Jahren saniert worden und durch den Skulpturengarten von Wolfgang Flatz "weltbekannt" geworden seien. "Wer im Stadtviertel wohnt oder arbeitet, kennt den mit Blattgold belegten Wohnwagen an der Südwestecke des Daches", so die SPD.

Die Vorsitzende des BA-Unterausschusses Kultur, Andrea Barth (SPD), zeigt sich "entsetzt" über die möglichen Investorenpläne: "Für unseren Stadtteil wäre es ein nicht wiedergutzumachender Verlust", sollten die diversen Einrichtungen in dem signifikanten Gebäude für immer verschwinden. Dazu zählen von der Stadt vermietete Künstlerateliers sowie ein großes Fitness-Studio und ein Billardsalon. Gleich nebenan hat die Brotfabrik Aumüller ihr Domizil. Sie betreibt auch ein Café, das sich über die Jahre zum beliebten Treff der in Obersendling lebenden und arbeitenden Menschen entwickelt hat. "Dafür wäre kein Ersatz in Sicht", befürchtet Hannelore Prechtel (SPD).

Einen Komplettabbruch hielten Stadtteilvertreter für "ökologischen Wahnsinn"

Sollte es zum Abbruch des gesamten Gebäudekomplexes kommen, wäre das aus Dorle Baumanns Sicht "ökologischer Wahnsinn" und "Ressourcenverschwendung in Reinkultur". Und Michael Kollatz (SPD), Mitglied im BA-Bauausschuss, warnte den Investor schon mal davor, auf "einen Traum von teuer zu verkaufenden Wohnungen" zu setzen; der würde sich weder schnell noch leicht verwirklichen lassen.

Andere Stimmen mahnten, von voreiligen Urteilen abzusehen. Womöglich ließen sich einige der kulturellen Errungenschaften sogar in die künftigen Projekte integrieren. "Wir hoffen jetzt mal auf eine baldige Vorlage des Antrags auf Bauvorbescheid, dann haben wir Klarheit", sagte abschließend der BA-Vorsitzende Ludwig Weidinger (CSU). Die Mietverträge in den besagten Gebäuden laufen bis 2023. Es bleibt also noch Zeit zu gründlicher Beratung.

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