Obersendling:Gehört, gesagt, getan

1200 Studenten aus 70 Ländern studieren am Sprachen- und Dolmetscher-Institut München. Nun soll der Komplex für 30 Millionen Euro um einen siebenstöckigen Neubau mit zusätzlichen Auditorien und 180 Apartments für Studenten erweitert werden

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Wenn es kriselt in den internationalen Beziehungen, und die europäische Integration mal wieder stockt, bleibt eine tröstliche Gewissheit: Die babylonische Sprachverwirrung wird sich nicht wiederholen. Für dieses Versprechen stehen Einrichtungen wie das Sprachen- und Dolmetscher-Institut (SDI) München.

Seit 2011 hat das SDI sein Domizil in einem früheren Bürogebäude von Siemens-Nokia-Networks an der Baierbrunner Straße in Obersendling, das auch schon mal als Rechenzentrum bei den Olympischen Spielen diente. Mit 1200 Studenten aus 70 Ländern, 110 Lehrern, mehr als 40 Unterrichtsräumen und 144 verfügbaren Studentenapartments zählt der Komplex aus Hochschule für angewandte Sprachen sowie der Fachakademie für Übersetzen und Dolmetschen zu den Schwergewichten unter den Bildungseinrichtungen im Münchner Süden. Und die Expansion ist fest geplant: Auf der Freifläche westlich des SDI, an der Gmunder Straße, soll nach Plänen von Walter Roßmann (KIP Architekten) ein Bau mit zusätzlichen Hörsälen und 180 weiteren Apartments für Studenten entstehen, sieben Stockwerke hoch, in Modulbauweise und mit zeitgemäßen ökologischen Akzenten. Das Investitionsvolumen liegt bei 30 Millionen Euro, erhoffter Baubeginn ist 2020. Ein ambitioniertes Vorhaben, das beinahe sprachlos macht.

Obersendling: Fast wie im richtigen Leben: Die Studenten am SDI üben das simultane Dolmetschen in verglasten Kabinen: reale Bedingungen, unter denen viele der Absolventen arbeiten werden.

Fast wie im richtigen Leben: Die Studenten am SDI üben das simultane Dolmetschen in verglasten Kabinen: reale Bedingungen, unter denen viele der Absolventen arbeiten werden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das SDI hatte bisher schon eine Geschichte stetigen Wachstums vorzuweisen. Bis 2010 war es an der Amalienstraße zu Hause, idealerweise einen Katzensprung von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) entfernt, doch lästig verteilt auf mehrere Gebäude. "Das war auf die Dauer kein haltbarer Zustand, deshalb haben wir uns nach Alternativen umgesehen", erinnert sich Gernoth Wagner. Der Chef für Immobilien- und Bauangelegenheiten beim SDI richtete alsbald den Blick nach Obersendling, wo der Siemens-Konzern den Rückzug angetreten und einen wahren Dschungel an Bürogebäuden hinterlassen hatte. Wagner hält den Standort bis heute für eine glückliche Wahl, nicht zuletzt der günstigen Verkehrsanbindung und benachbarter Bildungseinrichtungen wegen, darunter die deutsch-italienische Leonardo-da-Vinci-Schule. "Exzellente Voraussetzungen, um den Campus rund zu machen." Hinzu kommt die Gewogenheit der Politik. "Kritische Stimmen haben wir noch nicht gehört", berichtet Wagner.

Obersendling: Modern: So soll der Neubau an der Gmunder Straße aussehen.

Modern: So soll der Neubau an der Gmunder Straße aussehen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Einmal sei sogar der Bezirksausschuss (BA) im Audimax zu Gast gewesen. Kürzlich erst hat eben diese Stadtteilvertretung mit Wohlwollen auf die Neubaupläne an der Gmunder Straße reagiert. Von der Kommunalverwaltung fühlt man sich gleichfalls unterstützt. Alle Seiten hätten verstanden, dass das Institut für das Lernen und Wohnen in Uni-Nähe gleichermaßen Sorge tragen müsse, zumal im teuren München. Die bestehenden Apartments im "Campus Viva" und im "Campus SDI" reichten längst nicht mehr aus, um das Institut "am Florieren" zu halten und den Betrieb noch stärker international auszurichten. "Wir sind auf weiteren Wohnraum dringend angewiesen", so Wagner.

Obersendling: SDI-Immobilienchef Gernoth Wagner.

SDI-Immobilienchef Gernoth Wagner.

(Foto: Stephan Rumpf)

"Kompetenz, Praxisnähe und die individuelle Betreuung der Studenten bei zugleich entspannter Atmosphäre sind Säulen unseres Erfolgs", konstatiert Felix Mayer, Institutsdirektor und Präsident der Hochschule. Das lockere Miteinander von jungen Menschen aus aller Welt findet seinen Ausdruck nicht zuletzt im hauseigenen Bistro, aber auch im quirligen Foyer mit seiner großen Begrüßungstafel. "Herzlich willkommen" steht da. In 13 verschiedenen Sprachen. Der Gruß gilt auch Gastorganisationen, die an Wochenenden Tagungen im Audimax abhalten. "Die müssen aber irgendwie zu uns passen, Tanzveranstaltungen sind nicht gemeint", erläutert Gernoth Wagner.

Wie der Albtraum eines Sprachstudenten aussehen könnte? Womöglich so: das simultane Dolmetschen einer Rede des EU-Kommissars Günther Oettinger ins Finnische? Beim SDI jedenfalls wappnen sie sich für viele Herausforderungen, die Politik und Wirtschaft bereithalten. Vom vierwöchigen Crashkurs in Deutsch für Ausländer bis zum fünfjährigen Studium mit akademischen Abschlüssen reicht das Angebot. Simultanes Dolmetschen gilt als "Königsdisziplin". Kein Wunder: Länger als eine Viertelstunde halten selbst die Qualifiziertesten die hochverdichtete Konzentration kaum durch. Aber beim SDI steht technisch wie pädagogisch alles bereit, damit die Studenten sich fit machen können, wenn sie Übersetzer, Dolmetscher oder Fremdsprachenkorrespondent werden wollen. Zur Ausstattung gehören etwa verglaste Kabinen, die den Blick freigeben auf den jeweiligen Redner. Denn Mimik und Gesten spielen in fast allen Sprachen eine wichtige Rolle.

An der Spitze des SDI steht neben Felix Mayer ein Geflecht aus Gremien, das die Ausbildungsstätte auf Kurs hält. Kuratorium, Beirat, Senat. Träger ist ein gemeinnütziger Verein, 1952 ins Leben gerufen. Ein Verein, der in der Nachkriegszeit die Zeichen der Zeit erkannt hat, sich dem internationalen Austausch, der Völkerverständigung verpflichtet fühlte. Vorausschauend zu planen und Vielsprachigkeit noch stärker zum Programm zu machen, an diesem Auftrag hat sich für das SDI nichts geändert.

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