Auf sein Bauchgefühl kann sich Jürgen Wolfsgruber verlassen. Bisher habe er sich für jedes seiner gastronomischen Projekte aus dem Bauch heraus entschieden, sagt der Österreicher am Montag bei der Präsentation seines neuen Lokals. Sein erstes war das Sparkling Bistro, das er vor zehn Jahren in der Amalienpassage eröffnet und mit dem er im Alleingang einen Michelin-Stern erkocht hat, den er bis heute hält.
Vor gut einem Jahr folgte dann das Tschecherl, Wolfsgrubers „Östro“ (österreichisches Bistro) schräg gegenüber vom Sparkling Bistro. Mit der Kombination aus hochwertiger Produktküche und zwanglosem Ambiente traf er einen Nerv. Schnell mauserte sich das Tschecherl von der Mittagskantine zum ganztags gefragten Restaurant. Jetzt wagt Wolfsgruber mit dem Obers in Gern einen dritten Wurf.
Fragt sich bloß, warum, wo er doch selbst sagt: „Ich wollte ja schon das zweite nicht haben.“ Weil ihm zwei entscheidende Voraussetzungen, die sich Gastronomen in München sonst mühsam zusammensuchen müssen, sozusagen auf dem Silbertablett serviert wurden: fähiges Personal und eine Location, zu der man nicht „Nein“ sagen kann.
Mitten im Wohnviertel oberhalb der Gerner Brücke wurde ihm ein charmantes Eckhaus angeboten mit der Bitte, das Erdgeschoss mit einem Konzept wie im Tschecherl zu bespielen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal ein Lokal in Gern aufmache“, sagt Wolfsgruber. Doch bei einem Rundgang durchs Viertel mit dem vielen Grün habe er sich sofort wohlgefühlt. Früher war in dem Haus eine Bäckerei mit Backstube im Keller untergebracht, danach hielt sich länger als 20 Jahre der Stadtviertel-Italiener Tiziano.
Natürlich hätten die Anwohner hier „Pulver“, meint Wolfsgruber, trotzdem schauten sie genau hin. Er wolle ihnen mit dem Obers eine „Homebase“ bieten. So richtig definieren kann er diese „Homebase“ aber selbst nicht: „Es ist kein Östro wie das Tschecherl und eigentlich auch kein Restaurant. Am ehesten könnte man das Obers als ein gehobenes Tschecherl bezeichnen.“ Ein Ort für Erwachsene solle es sein, gediegen und „heimelig“.
Der kleine Gastraum mit 30 Plätzen ist zweigeteilt: Im vorderen Abschnitt mit Bartresen und Weinregal (auch zum Verkauf außer Haus) lassen Rundbogenfenster viel Tageslicht ein, im hinteren Teil kommen Annette Sandners Fotografien aus der Serie „Culinary Timepieces“ an den Wänden in dunklem Olivgrün besonders gut zur Geltung.
Zu essen gibt es ehrliche „Herzensküche“ mit Fokus auf hohe Produktqualität, wie man es vom Tschecherl und Sparkling Bistro gewohnt sei, sagt Wolfsgruber. Für die Umsetzung sorgt Küchenchef Lukas Gietl, der aus Südtirol stammt und in München zuvor in Bobby Bräuers Esszimmer gearbeitet hat. Gietl bringt seine Heimat ohne Schnörkel auf den Teller: von Schüttelbrot und Schlutzkrapfen bis zu „Tirteln“, mit Spinat gefüllten Brottaschen, die Gietl mit charmant alpenländischem Hals-Gurgeln in etwa „Diarschtler“ ausspricht.

Tirteln zum Brot, Schlutzkrapfen (28 Euro) und Grammelknödel (25 Euro) gehören zum ständigen À-la-carte-Angebot, das je nach Saison wechseln wird. Für die nächsten Wochen stehen unter anderem gebeizte Lachsforelle mit Latschen und Bröseltopfen (20 Euro), Gockelbrust mit Morcheln, Mangold und Schwarzwurzel (35 Euro) und Tafelspitz mit Saubohnen, Kernöl und Maggikraut (20 Euro) auf der Karte. Dazu kommen wechselnde Tagesgerichte, zum Beispiel demnächst mit Spargel, ein Mittagsmenü mit zwei Gängen (35 Euro, Mittwoch bis Freitag bis 15 Uhr) und wie im Tschecherl das Degustationsmenü „Ö-Makase“ in fünf Gängen (85 Euro). Dabei genießt Küchenchef Gietl volle Freiheit, denn laut Speisekarte „wird gegessen, was auf den Tisch kommt“.
Weil Wolfsgruber sich nicht dritteln kann und selbst im Sparkling Bistro am Herd steht, übernimmt im Obers Henning Neufeld die Rolle des Gastgebers und Restaurantleiters. Als ehemaliger Barchef in Schumanns Les Fleurs du Mal serviert er Drinks wie Negroni (12,50 Euro), Bellini mit frischem Weinbergpfirsich (15 Euro) oder für die, die es alkoholfrei und doch besonders mögen, Olivenlimonade (sieben Euro).
Auch wenn Wolfsgruber damit kokettiert, die ersten drei Lokale nicht geplant zu haben, träumt er schon von den nächsten drei. Denn am liebsten wolle er in München noch eine Bar, ein Kaffeehaus wie das Demel in Wien und ein Fischlokal aufmachen. Einem Bauchmenschen wie ihm gehen eben nie die Ideen aus.
Das Obers, Gerner Straße 48, 80638 München, Telefon: 089/92744428, Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag 11.30 Uhr bis 22 Uhr, durchgehend warme Küche bis 20.30 Uhr, Eröffnung am 2. April, www.dasobers.com