Obermenzing:Des Rätsels Lösung

Obermenzing: Bedenklich: 500 Kinder der Grandlschule lernen seit September 2014 in Pavillons, im Oktober wurde Formaldehyd in der Raumluft festgestellt.

Bedenklich: 500 Kinder der Grandlschule lernen seit September 2014 in Pavillons, im Oktober wurde Formaldehyd in der Raumluft festgestellt.

(Foto: Catherina Hess)

Arm an Formaldehyd, aber nicht frei davon: In den Pavillons der Obermenzinger Grandlschule wurden belastete Holzwerkstoffplatten verbaut. Die Baufirma muss aber nicht mehr mit Regressansprüchen rechnen

Von Jutta Czeguhn, Obermenzing

Formaldehydarm statt formaldehydfrei: ein kleiner Unterschied mit Folgen. Betroffene Eltern und Lehrer können nun schwarz auf weiß nachlesen, warum ihre Kinder in der neuen Pavillonanlage der Grandlschule im vergangenen Herbst über Wochen einer erhöhten Belastung der Raumluft mit dem Krebs erregenden Gas Formaldehyd ausgesetzt waren. Mit der Folge, dass viele der 500 Kinder plötzlich über Hustenreiz, Kopfweh, Übelkeit oder Nasenbluten klagten. Das Zentrale Immobilienmanagement des Städtischen Schulreferates hatte am Dienstag einen Infobrief ausgeben lassen. Darin räumt es ein, dass der mit dem Pavillonbau beauftragte Bauunternehmer sich nicht an die schriftlichen Vereinbarungen mit der Stadt gehalten habe. Die verwendeten Holzwerkstoffplatten wurden zwar formaldehydarm, aber nicht formaldehydfrei verleimt. Zur Frage, welche Konsequenzen so ein offensichtlicher Vertragsbruch haben wird, erfahren die Eltern allerdings nichts. Aufschluss gab es am Mittwochnachmittag im Bildungsausschuss des Stadtrats. Etwaige Ansprüche der Stadt gegen die Firma? Keine.

Keine mehr, genauer gesagt. Die Rechtsabteilung des Baureferates hat die Sache geprüft und kommt - im Wortlaut - zu dem Schluss: "Nach Eingang einer entsprechenden Mängelrüge des Baureferates hat die beauftragte Baufirma vollständig auf eigenen Kosten Lüftungsgeräte in alle Aufenthaltsräume der von ihr errichteten Pavillonanlage einbauen lassen. Hierfür hat sie die Kosten in Höhe von rund 110 000 Euro übernommen. Der komplette Austausch der von der beauftragten Baufirma eingebauten Holzstoffplatten ist trotz der Abweichung vom vertraglich zugesicherten Material wegen der Unverhältnismäßigkeit des Aufwands und aufgrund der Einhaltung aller Richtwerte rechtlich nicht durchsetzbar." Allerdings müsse das Unternehmen für die abschließenden Kontrollluftmessungen aufkommen. Zudem verhandle man darüber, ob auch die in Zukunft anfallenden Betriebskosten für die Lüftungsanlagen der Firma in Rechnung gestellt werden können.

Sowohl im Elternbrief als auch in der Sitzung des Bildungsausschusses gab es zudem neue Nachrichten zu den jüngsten Raumluftuntersuchungen, die am 27. Februar sowie am 2., 3. und 4. März durchgeführt worden waren: "In alle Räumen in den Gebäudeteilen B und C, in denen Lüftungsgeräte installiert sind, wurde sowohl der Innenraumrichtwert für Formaldehyd in Höhe von 0,1 ppm (parts per million) als auch der WHO-Luftgüteleitwert von 0,08 ppm jeweils eingehalten und deutlich unterschritten". Dieses Ergebnis bestätige die Kontrollmessungen, die am 19. November 2014 - nach dem Einbau der Lüftungsgeräte - durchgeführt worden waren. Bei den ersten routinemäßigen Messungen in den Herbstferien, die die Geschichte erst ins Rollen brachten, hatte der TÜV Rheinland noch eine Belastung der Innenraumluft von 0,115 bis 0,156 ppm festgestellt. Das Referat kündigt an, dass man nun "aus reinen Vorsorgegründen" nochmals stichprobenartig in einigen Daueraufenthaltsräumen bei sommerlichen Bedingungen messen werde. Grundsätzlich kommt die Stadt aber zu dem Schluss, dass sämtliche drei Häuser der Schulpavillonanlage nun wieder "normal und ohne Einschränkungen genutzt werden können".

Ist die Angelegenheit damit nun vom Tisch? Zumindest nicht aus Sicht der Elternvertreter und der Stadtteilpolitiker. In der Sitzung des Bezirksausschusses Pasing-Obermenzing appellierte Maren Schüpphaus, Mitglied im Elternbeirat der Grandlschule, an die Verantwortlichen in der Stadt und im Viertel, den Vorfall nicht ad acta zu legen. Schon deshalb nicht, weil in München etliche ähnliche Schulcontaineranlagen zum Einsatz kommen werden. "Es ist ein Skandal, dass man unsere Kinder dort hatte einziehen lassen" , klagte Schüpphaus. Sechs Wochen habe man sie der belastete Raumluft ausgesetzt. Enttäuschend sei die Informationspolitik des Bildungsreferates gewesen.

Auch die Mitglieder des Bezirksausschusses schließen sich dieser Rüge an: Ihr Gremium sei in der Sache nur unzureichend eingebunden gewesen. "Wir haben kein Vertrauen in die Behörden und ihr Krisenmanagement", sagte Winfried Kaum (CSU). Christian Müller und Constanze Soellner-Schaar, beide SPD und Mitglieder im Stadtrat, räumten ein, dass die Informationspolitik des Referats besser hätte laufen können, von schlechtem Krisenmanagement könne aber keine Rede sein. Müller erinnerte an die Praxis europaweiter Ausschreibungen, welche die Stadt auch bei solchen Projekten dazu zwinge, den günstigsten Anbieter zu wählen. Er fürchtet, dass man nun den Werkstoff Holz wohl grundsätzlich hinterfragen müsse. Einer Forderung der Eltern und des Bezirksausschusses wird das Bildungsreferat nachkommen: Bald soll es eine Informationsveranstaltung für die Schulleitung, die Leitung der Mittagsbetreuung, die Vorsitzenden des Elternbeirats und Vertreter des BA geben, zudem einen weiteren Infoabend für die Eltern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: