Obermenzing:Das Brummen der Andenkamele

Am Ortsrand von Obermenzing grasen die Alpakas von Georg Angermair. Der Junglandwirt hat einiges mit ihnen vor, er möchte sie züchten und als Therapietiere einsetzen

Von Jutta Czeguhn, Obermenzing

"Hier haben wir die Fohlen Samira und Matteo, dann Silvana, da hinten, der Kleine, das ist der Achilles, die, die uns gerade den Hintern zudreht, das ist die Aurora, die anderen sind die Annabelle, die Hera und die Anny." Georg Angermair kann die Tiere seiner Herde mühelos auseinanderhalten. Er hat allen seinen Alpakas Namen gegeben. Wir stehen auf einer Weide am Ortsrand von Obermenzing, ohne Hast, aber sehr zielgerichtet, kommen die Tiere nun auf uns zu in Richtung Zaun gelaufen. Was alles andere als bedrohlich wirkt, denn mit ihren Puschelohren, dem Pony zwischen den weit auseinander stehenden Kugelaugen, mit ihren rundlichen, wollweichen Körpern als Schlüsselreize entsprechen sie geradezu perfekt dem Kindchenschema. Und dann ist da auch noch dieses sanfte Brummen.

Georg Angermair wirkt nicht wie einer, der den ganzen Tag verzückt vor seinen Alpakas steht und sie putzig, niedlich und zum Knuddeln findet. Auch wenn der 25-jährige Landwirt genau um die Wirkung der Tiere weiß, sieht er die Dinge relativ nüchtern. Er hat sich die Herde angeschafft, hat investiert, nun trägt er für sie die Verantwortung. Also lassen wir ihn die Geschichte von Anfang an erzählen, zumal sich Silvana, Achilles und die anderen wieder abgewandt haben und ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen, grasen und wiederkäuen.

Angermair stammt aus einer alteingesessenen Obermenzinger Bauernfamilie, die ihr Gehöft im historischen Dorfkern hat, unweit vom "Alten Wirt". Bis Ende der Neunzigerjahre betrieben die Angermairs Tierwirtschaft mit Mastrindern, mittlerweile haben sie einen reinen Ackerbaubetrieb. Angermair junior ist ausgebildeter Landwirt, es sei geplant, erzählt er, dass er den Hof seiner Eltern eines Tages übernehme. Klar sei das eine Herausforderung in der heutigen Zeit, "schwierig, aber machbar", sagt er, und dabei huscht ihm ein leises Grinsen übers Gesicht. Er spricht von einer "Lebensentscheidung". Zudem hat er so seine Pläne für den Hof. Aber nur eins nach dem anderen.

Obermenzing: Dickes Fell: Der Winter macht den Alpakas nichts aus, als Hochland-Bewohner sind die Tiere extreme klimatische Verhältnisse gewöhnt.

Dickes Fell: Der Winter macht den Alpakas nichts aus, als Hochland-Bewohner sind die Tiere extreme klimatische Verhältnisse gewöhnt.

(Foto: Catherina Hess)

Auch die Alpakas, die vor uns auf dem Angermairschen Weiden in der Münchner Frischluftschneise grasen, sind ganz augenscheinlich Teil dieser Pläne. "Sie sind mir im Internet über den Weg gelaufen", sagt der Jungbauer. Durch seine Recherchen hat er dann recht schnell eine Menge herausgefunden über die Haltung dieser Tiere, die ursprünglich aus dem Hochland der Anden stammen und zur Familie der Kamele gehören, weshalb sie auch gern als "Neuweltkamele" bezeichnet werden. Im Körperbau kleiner als die bekannteren Lamas, werden die Herdentiere auch in Deutschland bei Züchtern und Haltern immer beliebter. Zumal sie als pflegeleicht gelten, friedfertig, auch wenn sie wie die Lamas spucken können. Ehe er sich entschloss, Alpakas anzuschaffen, ist Georg Angermair viel herumgefahren, hat sich Betriebe angesehen, vor allem im Schwäbischen. Wer Alpakas halten will, braucht viel Platz. "1000 Quadratmeter für die ersten beiden Tiere, dann 100 Quadratmeter für jedes weitere", erzählt er. Zudem einen Stall oder Unterstand nahe der Weidefläche. All das war beizubringen dort, am Obermenzinger Ortsrand. Und auch die Eltern, Georg und Beate Angermair, fanden die Idee des Sohnes nach anfänglicher Skepsis nicht mehr ganz so verrückt.

"Angefangen hab' ich mit drei Stuten, die alle trächtig waren", sagt Angermair, das war im Juli 2017. Vom Start weg hatte er auch das Veterinäramt mit ins Boot geholt. Mittlerweile hat er elf Tiere, die Hengste hält er auf einer anderen Weide von den Stuten getrennt. Sie würden den "Mädels", wie Angermair Samira und Co. nennt, zu viel Stress bereiten, zumal sie alle wieder trächtig sind. Im Herbst 2019 erwartet er also weiteren Zuwachs für seine Herde, Alpaka-Weibchen hätten eine durchschnittliche Tragezeit von 11,5 Monaten. Insgesamt plant er eine Herde von etwa 25 Tieren, so viele fänden auf dem Weideland nahe der Lochhausener Straße Platz.

Der Winter macht den Tieren nichts aus, als Hochland-Bewohner sind die Alpakas extreme klimatische Verhältnisse gewöhnt, ihr dickes Fell schützt sie vor Kälte. Im Winter muss der Landwirt Heu zufüttern, das ganze Jahr über auch Mineralstoffe wie Selen. Der vergangene Jahrhundert-Sommer sei nicht einfach gewesen, erzählt Angermair. Die Alpakas hätten sich dann oft in den Stall zurückgezogen, und was die Weiden angeht, so habe er immer hin und her gewechselt auf den Flächen, damit das Gras wieder nachwachsen konnte. Sommer ist auch die Zeit, wenn die Alpakas geschoren werden. Im vergangenen Juni war es für die Obermenzinger Herde soweit. Drei bis vier Kilo Wolle sei da pro Tier abgefallen, sagt Angermair. Die hochwertige Rohfaser hat er zu Bettwäsche für seine Eltern verarbeiten lassen.

Obermenzing: Im Winter muss der Landwirt Georg Angermair Heu zufüttern, das ganze Jahr über auch Mineralstoffe wie Selen.

Im Winter muss der Landwirt Georg Angermair Heu zufüttern, das ganze Jahr über auch Mineralstoffe wie Selen.

(Foto: Catherina Hess)

Noch kann von Wirtschaftlichkeit in Bezug auf Angermairs kleine Alpaka-Herde keine Rede sein. Aber er hat Pläne. Wir sind wieder an den Zaun getreten, eine der Stuten, eine cremefarbene, die in der Nähe steht, gibt einen leisen Brummton von sich. Es klingt nicht bedrohlich, eher zufrieden, ausgesprochen angenehm. Alpakas hätten auf den Menschen eine ähnlich beruhigende Wirkung wie etwa Delfine, sagt Georg Angermair, weshalb sie auch als Therapietiere eingesetzt würden. Womöglich will er in diese Richtung mit seiner Herde gehen, auf jeden Fall aber möchte er eines Tages Alpaka-Trekking-Touren anbieten und in das Züchter-Geschäft einsteigen. Auf dem Angermair-Hof in Obermenzing will der Junior zudem die Direktvermarktung weiter ausbauen.

Schon heute bieten die Obermenzinger Landwirte ihre Kartoffeln, die Eier aus einem mobilen Hühnerstall, Nudeln und Honig im Hofladen an, wo man die ausgepreisten Waren in Selbstbedienung kaufen kann. Das Geld legt man in eine offene Kasse. Vertrauenssache. Die Angermairs setzen auf die Ehrlichkeit der Kunden. Vielleicht gibt es dort auch eines Tages Alpaka-Socken und Mützen zu kaufen. An Annabelle, Hera und Achilles jedenfalls soll' s nicht liegen.

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