Süddeutsche Zeitung

Obermenzing/Aubing:Die Kröte schlucken

Bei dem anstehenden Live-Stream zur Quartiersentwicklung am Dreilingsweg können nur Besucher mit Google- oder YouTube-Account mitchatten. Die Bezirksausschüsse als Gastgeber bringt das in eine heikle Lage

Von Jutta Czeguhnund Ellen Draxel, Obermenzing/Aubing

"Es geht gar nicht, dass wir unsere Demokratie abhängig machen von Google." Andreas Bergmann von den Grünen fasste in der Sitzung am Dienstag das Unbehagen zusammen, das die Mitglieder aller Fraktionen im Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing beschlichen hat. Das Gremium ist zusammen mit dem von Aubing-Lochhausen-Langwied Gastgeber einer Bürgerinfoveranstaltung am 21. September zur Quartiersentwicklung am Dreilingsweg. Sie wird ausschließlich digital stattfinden, allein schon das ist offenbar nicht im Sinne der Lokalpolitiker, die sich eine Präsenzveranstaltung oder doch zumindest eine hybride Form gewünscht hätten. Was sie nun aber fast dazu veranlasst hätte, alles abzusagen: Bürger, die im Live-Stream über den Chat Fragen stellen wollen, werden dies nur können, wenn sie sich zuvor über einen Google- oder YouTube-Account angemeldet haben.

"Eine Kröte", die man nun notgedrungen und nur ausnahmsweise schlucken werde, so Sven Wackermann (CSU). Nichtsdestotrotz sei man irritiert, dass das Planungsreferat hier keine technischen Alternativen habe vorschlagen können. Frieder Vogelsgesang (CSU), Vorsitzender des Bezirksausschusses, wird nun einen Beschwerdebrief an OB Dieter Reiter verfassen. Er schilderte, wie enervierend die Vorbereitung der Veranstaltung zusammen mit dem Referat und der moderierenden Agentur Bauwärts gewesen sei. Die gesamten Sommerferien habe ihn das beschäftigt, erst kurzfristig habe er von dieser Sache mit Google und Youtube erfahren. Ähnliches bestätigt auch der Aubinger Gremiumschef Sebastian Kriesel (CSU) der SZ: "Es war schwierig, bis alles ausgemacht war". Auch er hätte sich eine "neutrale Anmeldeplattform" gewünscht, nicht die Google- und Youtube-gestützte Version. Trotzdem sei es gut, dass die Stadt und die Bayerische Hausbau als Grundstückseigentümer die Bürger jetzt beizeiten über ihre Pläne informieren wollten.

Eine Absage kam deshalb für beide Gremien letztlich nicht in Frage. Denn in dem 14 Hektar großen Gebiet ist einiges geplant, was die Anrainer betreffen wird: Neben Wohnungsbau auch ein Gymnasium, Sportflächen und Kindertagesstätten. Die Veranstalter erwarten sich durchaus Gegenwind, weshalb es ihnen wichtig ist, dass sich die Teilnehmer im Chat möglichst mit Klarnamen zu Wort melden. Auch um Beschimpfungen gegen Mitarbeiter der Verwaltung auszuschließen, was Christian Müller (SPD) für unabdingbar hält. Dies sei bei ähnlichen Veranstaltungen immer wieder der Fall gewesen.

Jan Weber-Ebnet, Moderator der Infoveranstaltung, sieht in der Verwendung einer Plattform wie YouTube wesentliche Vorteile: "Das Portal ist weit verbreitet, niederschwellig erreichbar. Sehr viele Bürger sind bereits registriert und mit der Anwendung vertraut." Grundsätzlich könne jeder ohne Anmeldung den Stream verfolgen. Nur registrierte und geprüfte reale Personen jedoch könnten im Chat teilnehmen, damit seien anonyme Beiträge, Chatbots und Trolle ausgeschlossen.

Das Planungsreferat indes gibt den Ball zurück an die beiden Bezirksausschüsse. Wie Sprecher Ingo Trömer mitteilt, biete das Referat bei seinen eigenen virtuellen interaktiven Veranstaltungen, die über Youtube übertragen werden, eine separate Chat-Funktion für die Bürger an. Über die zentrale Infoplattform "München MitDenken" können sie sich mit Fragen und Kommentaren unmittelbar beteiligen, ohne sich bei Youtube registrieren zu müssen. Bei der Veranstaltung zum Dreilingsweg aber sei das Planungsreferat lediglich Gast. Die Verantwortung für die Organisation läge also bei den Veranstaltern, also den Bezirksausschüssen Pasing-Obermenzing und Aubing-Lochhausen-Langwied.

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SZ vom 16.09.2021
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