Oberlandesgericht:Andrea Titz - Ein Paradiesvogel im Grau der Paragrafen

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Andrea Titz spokeswoman of the regional court gives a statement about the trial against Bayern Munich President Uli Hoeness in Munich

Kurz, prägnant, präzise: Andrea Titz wurde das Gesicht des Oberlandesgerichts München und erklärte schwierigste juristische Verwicklungen in druckreifen Sätzen.

(Foto: Michael Dalder/Reuters)

Als Sprecherin des Oberlandesgerichts brachte sie Ordnung ins Chaos vor dem NSU-Prozess oder erklärte das Urteil gegen Uli Hoeneß. Nun macht Andrea Titz einen neuen Karriereschritt.

Von Annette Ramelsberger

Sie wurde geholt, als es bereits zu spät war. Als die Republik schon lachte über dieses Oberlandesgericht München, vor dem der wichtigste Prozess der deutschen Nachwendezeit laufen sollte und das doch nicht fähig war, auch ausländische Journalisten zuzulassen.

Zu diesem Zeitpunkt, im April 2013, hatte das Bundesverfassungsgericht bereits verfügt, dass zumindest ein paar türkische Journalisten im Gerichtssaal Platz finden mussten - eine Selbstverständlichkeit eigentlich, bei zehn rassistischen Morden, acht davon an türkischstämmigen Männern. Eine Selbstverständlichkeit, aber nicht für das Münchner Oberlandesgericht (OLG). Der Ruf des Gerichts hatte schwer gelitten. Da bat der damalige Gerichtspräsident die Staatsanwältin Andrea Titz um ein "bisserl Unterstützung".

Das "Bisserl" entwickelte sich zur Vollzeitaufgabe, Titz selbst wurde das Gesicht des OLGs und die von ihr neu durchgezogene Organisation von Großverfahren das Vorbild für die meisten großen Prozesse der Republik. Nach dem Münchner Muster laufen nun auch zahlreiche Prozesse in Dresden, Stuttgart und Düsseldorf - bis hin zu den identischen Ausweiskarten. Die Frau, die Ordnung ins Chaos brachte, ist alles andere als eine brave Streber-Juristin.

Andrea Titz, 47, ist der Paradiesvogel im Grau der Paragrafen. Eine Richterin, die auf 14 Zentimeter hohen Leoparden-Stilettos trittsicher über die Treppen des Gerichts balanciert. Deren wilde dunkle Mähne aus jedem Pulk von Fotografen heraussticht. Die sich nicht unter einer schwarzen Robe versteckt, sondern tizianrote oder wildblaue Kleider in Größe 34 trägt. Und die ohnehin unüberhörbar ist: mit dieser tiefen Stimme, die druckreif die schwierigsten juristischen Verwicklungen in verständliche Sätze zwingt.

Sie hat nicht nur den NSU-Prozess erklärt, sondern auch, warum das Gericht ausgerechnet Formel-1-Chef Bernie Ecclestone gegen eine Zahlung in Millionenhöhe laufen ließ: ihre schwierigste Aufgabe, wie sie selbst sagt. Sie hat erklärt, warum der Prozess gegen Bayern-Präsident Uli Hoeneß im März 2014 in nur vier Tagen durchgezogen und er dann auch gleich nach der Hälfte seiner Strafe wieder freigelassen wurde. Und sie weiß, dass ihr die wenigsten geglaubt haben, dass es da keinen Deal gegeben hat. Erklärungsgabe hin oder her.

Die schwierigsten Sachen verständlich erklären

So etwas macht ihr zu schaffen: Wenn die Unabhängigkeit der Justiz angezweifelt wird. Denn dafür steht sie ein. Sie will deutlich machen, was Richter bewegt, wenn sie ein Urteil fällen. Sie will die Rechtslage auch für die verständlich machen, die nicht zehn Semester Jura studiert haben. Sie hat in drei Sätzen erklärt, wofür die Anklage gegen die Deutsche-Bank-Manager allein elf Seiten Vorspann brauchte. Und sie war das wandelnde Lexikon im NSU-Verfahren: kurz, prägnant, präzise. Getreu ihrem eigenen Motto: "Ich will mir nicht stundenlang Unsinn anhören." Und: Sie nimmt sich trotz aller Aufgaben auch noch Zeit für den jüngsten Praktikanten, der sie mit Fragen bestürmt.

Andrea Titz ist in Schwandorf geboren und wuchs in Nittenau in der Oberpfalz auf. Ihre ersten Stationen nach dem Studium waren die Staatsanwaltschaft Traunstein, die Amtsgerichte in Mühldorf und Altötting und dann wieder das Landgericht Traunstein. 2005 wechselte sie zur Staatsanwaltschaft München II, wo sie bald Gruppenleiterin für politische Strafsachen und Rechtshilfeverfahren wurde.

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