Obergiesing:Nichts gehört und nichts gesehen

Obergiesing: Giesinger Schuttberg: Nach dem Abriss des Uhrmacherhäusls Ende 2017 wurden die Reste beiseitegeräumt und das Anwesen gesichert.

Giesinger Schuttberg: Nach dem Abriss des Uhrmacherhäusls Ende 2017 wurden die Reste beiseitegeräumt und das Anwesen gesichert.

(Foto: Robert Haas)

Als der illegale Abriss des Uhrmacherhäusls längst die Öffentlichkeit empörte, bekam dessen Eigentümer noch immer Millionenaufträge von der Stadt. Wer daran schuld ist, bleibt auch nach einer CSU-Anfrage ungeklärt

Von Hubert Grundner, Obergiesing

Den illegalen Abriss des Uhrmacherhäusls an der Oberen Grasstraße vor rund zweieinhalb Jahren haben viele Giesinger als extremen Auswuchs einer grassierenden Immobilienspekulation empfunden. Die Dreistigkeit, die die Bürger dem Eigentümer Andreas S. in dieser Sache vorwarfen, sahen viele später sogar noch durch den Umstand übertroffen, dass Andreas S. gleichzeitig von städtischen Aufträgen profitierte: Seine Rohrreinigungsfirma betreute jahrelang Anlagen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag. Doch selbst nachdem der Skandal um das denkmalgeschützte Handwerkerhaus vor Gericht gelandet war, wo die Stadt bis heute mit dem Unternehmer um den Wiederaufbau des Anwesens streitet, vergab die Gewofag Ende vergangenen Jahres erneut Aufträge in Millionenhöhe an ihn. Entsprechende Unterlagen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, belegten dies. Woraufhin sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) Ende Januar zum Eingreifen veranlasst sah: Er beauftragte die Gewofag, den Vertrag mit Andreas S. schnellstmöglich zu kündigen - was inzwischen offenbar geschehen ist.

Aus Sicht der CSU gab es aber immer noch einige Ungereimtheiten zu klären. Weshalb Stadträtin Sabine Bär und Fraktionschef Manuel Pretzl zu der fragwürdigen Auftragsvergabe der Gewofag eine Anfrage stellten, welche nun vom Planungsreferat beziehungsweise von Stadtbaurätin Elisabeth Merk beantwortet wurde. So interessierte Bär und Pretzl vor allem, wie es dazu kommen konnte, dass an den Unternehmer überhaupt ein solcher Auftrag vergeben wurde, nachdem der Abriss des Uhrmacherhäusls und die Umstände bereits stadtbekannt waren. Nach einigen Erläuterungen zu den Formalia der Ausschreibung heißt es dazu von Seiten der Gewofag: "Zum Zeitpunkt der Bezuschlagung war der Gewofag nicht bekannt, dass der geschäftsführende Gesellschafter dieser Firma gleichzeitig der Eigentümer des Uhrmacherhäusls ist." Schilderungen einer mit der Vergabepraxis vertrauten Person gegenüber der SZ lassen jedoch an dieser Darstellung Zweifel aufkommen.

Ferner wollten die beiden CSU-Stadträte wissen, wie der Vertrag gekündigt werden konnte, nachdem die Vergabe erfolgt war. Worauf Merk antwortet: "Die Gewofag führt aus, dass der Vertrag seitens der Gewofag außerordentlich und, hilfsweise, ordentlich gekündigt wurde." Die außerordentliche Kündigung stütze sich auf die Tatsache, dass die anbietende Firma wesentliche Angaben, insbesondere zur baurechtlichen Zuverlässigkeit des geschäftsführenden Gesellschafters, nicht gemacht habe. Diese Zuverlässigkeit sei jedoch unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Gewofag einen Auftragnehmer in ihren Gebäuden arbeiten lassen kann. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung bedürfe keines Grundes.

Naheliegenderweise hat sich Bär und Pretzl auch die Frage aufgedrängt: Entstehen gegenüber der Gewofag etwaige Schadensersatzansprüche durch die Kündigung und auf welche Summe belaufen sie sich? Worauf Merk erklärt, dass laut Gewofag eine detaillierte Bezifferung von Ansprüchen derzeit nicht vorliegt. Die Gewofag werde umgekehrt ihrerseits Ansprüche gegen den ehemaligen Vertragspartner erheben, da beispielsweise die notwendig werdende Wiederholung der Ausschreibung zusätzliche Kosten verursachen werde. Die Vermutung, dass die Stadt und Unternehmer Andreas S. bald schon wieder vor Gericht aufeinander treffen könnten, scheint bei dieser Ausgangslage nicht völlig aus der Luft gegriffen zu sein.

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