Obergiesing:"Gib die schöne Hand"

Selbst heutzutage wird es Linkshändern oft schwergemacht

Von Hubert Grundner, Obergiesing

"Ich hätte mir nie vorstellen können, dass die Leute davon heute nichts mehr wissen wollen." Agnes Forsthofer klingt wirklich niedergeschlagen, als sie das sagt, während sie doch kurz zuvor noch fröhlich und leidenschaftlich von dem Thema sprach, mit dem sie sich seit etwa 25 Jahren intensiv beschäftigt: das Leben als Linkshänder beziehungsweise Linkshänderin. Aber, Hand aufs Herz: Wer hätte von sich aus gewusst, dass an diesem Donnerstag der Internationale Linkshändertag begangen wurde - so wie jeden 13. August seit 1976?

An der Sinnhaftigkeit kalendarisch geregelter Betroffenheit darf man sicher des öfteren zweifeln. Den Linkshändern aber täte man damit Unrecht, auf ihre speziellen Anliegen hinzuweisen ist mehr als angebracht. Und eine engagiertere Anwältin ihrer Sache als Agnes Forsthofer ist schwerlich zu finden. Zumal sie selbst als Linkshänderin geboren wurde, in einer Zeit, als diese Veranlagung noch als unerwünscht, ja geradezu als unnatürlich gebrandmarkt wurde. "Gib die schöne Hand" bekam sie als Kind oft zu hören, wenn sie intuitiv ihre Linke statt der Rechten zum Grüßen hinstreckte. Denn teilweise wurden und werden Linkshänder bis heute auf die rechte, kulturell oder historisch in vielen Ländern als besser bewertete Hand umerzogen. Doch dabei handelt es sich keineswegs um eine Bagatelle, wenn Eltern ihre Kinder dazu zwingen. Denn so wie die linke Hand mit der rechten Gehirnhälfte korrespondiert, so korrespondiert die rechte Hand mit der linken Gehirnhälfte. "Umgeschulte Linkshänder zahlen einen hohen Preis dafür, das ist wie eine Gehirnvergewaltigung", verdeutlicht Forsthofer die Folgen. Denn in solchen Fällen warte die rechte Hirnhälfte vergeblich auf Input - der linken Hand -, während die linke Hirnhälfte überfordert werde. Wenn Kinder zu stottern beginnen, sei das ein dann häufig auftretendes Symptom.

Obergiesing: Agnes Maria Forsthofer

Agnes Maria Forsthofer

(Foto: privat)

Im Laufe ihres weiteren Lebens verdrängen viele Kinder ihre Probleme mit der Linkshändigkeit, so auch Agnes Forsthofer. Erst ein Volkshochschulvortrag 1995 geriet zu einer Art Erweckungserlebnis: "Aha, deshalb konnte ich das Brot nie richtig schneiden oder den Drehverschluss einer Flasche nicht öffnen", wusste sie danach. Diese Welt ist anscheinend nur für Rechtshänder gemacht, und das wollte sie ändern: Sie verkaufte auf der Auer Dult spezielle Alltagsartikel für Linkshänder und gründete 2004 den Linkshänder e.V. mit. Beides gehört inzwischen der Vergangenheit an. Ihren Verkaufsstand hat sie nicht mehr, nicht zuletzt, weil immer weniger Haushaltswarenhersteller für eine "linke" Kundschaft produzieren. Und der Verein löste sich Anfang des Jahres auf.

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