Obergiesing:Die Stadt hält sich raus

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Wer durch den Kauf von Anteilen Genossenschaftsmitglied wird, wohnt günstiger - etwa in diesem Wohnblock des Bauvereins München-Haidhausen. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Bauverein München-Haidhausen plant eine umfassende Sanierung seiner Giesinger Wohnanlage. Die Mieter befürchten jahrelange Bauarbeiten, Schmutz und Lärm. Aber eine Erhaltungssatzung wird es nicht geben

Von Hubert Grundner, Obergiesing

Die Hoffnung auf stärkeren Schutz durch eine städtebauliche Erhaltungssatzung erfüllt sich nur in selten Fällen. Diese Erfahrung machen gerade die Mieter der Wohnanlage Giesing, welche dem Bauverein München-Haidhausen gehört. Mehrheitlich gegen die Stimmen der Grünen haben die Stadträte in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung beschlossen, keine Gestaltungserhaltungssatzung zu erlassen. Es fehle sowohl an den Voraussetzungen als auch an der Rechtfertigung für dieses Instrument, lautete das Fazit. Damit befassen musste sich der Ausschuss, nachdem im Juni vergangenen Jahres bei der Bürgerversammlung für Obergiesing-Fasangarten eine entsprechende Empfehlung beschlossen worden war.

Konkret bezog sich der Antrag auf das Areal zwischen Deisenhofener Straße 81-129 und Schlierseestraße 32-84. Eine bis auf zwei Einfahrten praktisch lückenlose Bebauung bildet ein Dreieck, auf dessen Innenfläche weitere drei Riegel stehen. Oberirdisch finden sich hier außerdem 45 Einzelgaragen sowie zwei Sammelgaragen. Gebaut wurde dieser Komplex mit seinen insgesamt 498 Wohnungen in den Jahren 1939 bis 1953.

Der Ruf nach einer Erhaltungssatzung hat vermutlich direkt mit den Plänen zu tun, die der Bauverein für die Anlage verfolgt und vergangenes Jahr bekanntgegeben hat. Die Genossenschaft hat sich nämlich eine ziemlich umfassende Modernisierung der Anlage zum Ziel gesetzt. Dazu zählen etwa eine Aufwertung des Innengeländes, Balkonanbauten, Modulanbauten, Dachgeschossausbauten oder auch eine Erneuerung und Vereinheitlichung der Wärmeversorgung. Nicht zuletzt sollen auch die Garagen mit ihren 186 Stellplätzen verschwinden und durch eine Tiefgarage ersetzt werden. In einfacher Ausführung würde sie 145 Stellplätze bieten, mit zwei Ebenen wären es sogar 250.

Für Vorstand und Aufsichtsrat der Genossenschaft geht es bei dem Vorhaben darum, sich für die Zukunft zu rüsten und gleichzeitig bezahlbaren und lebenswerten Wohnraum zu erhalten. Doch obwohl die Genossenschaft anscheinend frühzeitig über ihre Pläne informierte, scheint diese Botschaft nicht bei allen Mietern so anzukommen. Im Gegenteil, einige Bewohner der Anlage hegen massive Befürchtungen angesichts des angekündigten Modernisierungskonzepts. So sagte beispielsweise ein betroffener Bürger bereits Ende vergangenen Jahres im Bezirksausschuss (BA) Obergiesing-Fasangarten, voraus: Erst sei mit jahrelangem Lärm und Schmutz und anschließend mit deutlich angehobenen Mieten zu rechnen.

"Der jahrelange Baulärm ist eine Katastrophe", klagte der Mann im BA, der nach eigenen Angaben als Selbständiger viel zu Hause arbeitet. Und diese Sorge scheint keineswegs unbegründet zu sein. Angesichts der Dimensionen der ins Auge gefassten Tiefgarage, insbesondere bei einer Realisierung mit zwei Parkebenen, dürften die Bewohner der Anlage mit einem enormen Baustellenbetrieb konfrontiert werden.

Die Sorgen der Mieter nahmen die Mitglieder des Bezirksausschusses damals zwar überaus ernst. Gleichwohl musste das Gremium den Mann vertrösten. Der BA könne erst eingeschaltet werden, wie ihm Joachim Lorenz (Grüne) erklärte, sobald der Bauverein München-Haidhausen offiziell einen Bauantrag eingereicht habe. Dann müssten die Lokalpolitiker damit befasst werden und eine Stellungnahme zu dem Projekt abgeben. Stand Dezember 2018 aber war laut Lorenz: "Es gibt noch keinen Bauantrag." Und daran hat sich bislang nichts geändert. Denn in der Sitzung des Planungsausschusses am 29. Mai hieß es: "Der Lokalbaukommission liegen jedoch nach derzeitigem Stand keine Bauvoranfragen oder Bauanträge für bauliche Veränderungen vor." Dies wurde von Seiten der Baugenossenschaft jetzt bestätigt.

Warum sich die Grünen in diesem Fall besseren Mieterschutz gewünscht hätten, erklärte in der Diskussion Stadtrat Paul Bickelbacher: "Wir sehen hier eine Chance, einmal eine städtebauliche Erhaltungssatzung auszuprobieren. Deshalb lehnen wir die Vorlage ab, weil sie dieses Instrument ablehnt." Brigitte Wolf (Linke) hingegen erwiderte: "Ich kann die Grünen in dem Punkt nicht verstehen, weil die Anlage ja einer Genossenschaft gehört, da ist ja nichts zu befürchten." Michael Mattar (FDP) merkte ebenfalls an: "Ich verstehe die Grünen auch nicht, weil das Motiv ja ist, dass man potenzielle Nachverdichtung verhindert. Über so ein Instrument an dieser Stelle eine potenzielle Nachverdichtung komplett zu verhindern und möglicherweise oberirdische Garagen zu erhalten, das ist lächerlich."

© SZ vom 26.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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