Wahl in Oberbayern:Grüner Höhenflug auch im Bezirkstag

Wahl in Oberbayern: 67 Mitglieder zählt der oberbayerische Bezirkstag momentan. Zwar steht noch nicht fest, wer genau ins Gremium gewählt wurde, von November an werden es aber mehr als 70 Politiker sein.

67 Mitglieder zählt der oberbayerische Bezirkstag momentan. Zwar steht noch nicht fest, wer genau ins Gremium gewählt wurde, von November an werden es aber mehr als 70 Politiker sein.

(Foto: Bezirk Oberbayern)

Die Partei gewinnt fünf von neun Direktmandaten in München und legt auch bei den Zweitstimmen kräftig zu. Eine Koalition aus CSU und SPD ist nicht mehr möglich.

Von Melanie Staudinger

Zehn, sagt Sylvio Bohr ohne zu überlegen. Ja, auf einer Zufriedenheitsskala von eins bis zehn stehe er gerade eindeutig bei zehn. Kein Wunder, Bohr engagiert sich für die Grünen im Bezirkstag. Er gewann seinen Stimmkreis mit fast 35 Prozent und ließ damit Inge Linder von der CSU, die dem Bezirkstag immerhin 15 Jahre angehörte und dieses Mal 20 Prozent der Erststimmen holte, ziemlich deutlich hinter sich. Doch Bohr kann nicht nur auf sein eigenes Ergebnis stolz sein. Denn der Höhenflug seiner Partei setzt sich auch bei der Wahl des oberbayerischen Bezirkstags fort.

In München holten sich die Grünen fünf der neun Direktmandate - wie bei der Landtagswahl auch. Sylvio Bohr gewann in Schwabing, Max Döring in Bogenhausen, Petra Tuttas in Giesing, Delija Balidemaj in Milbertshofen und Ulrike Goldstein in München-Mitte, die mit 43,85 Prozent das beste Erststimmenergebnis oberbayernweit erzielte. Die CSU, die 2013 noch in allen Münchner Stimmkreisen vorne lag, muss sich mit vier Direktmandaten begnügen: Rainer Großmann holte die meisten Stimmen in Moosach, Barbara Kuhn in Pasing, Birgit Hainz in Hadern und Friederike Steinberger in Ramersdorf.

Die Kandidaten mussten bei dieser Wahl ziemlich lange zittern. Während fast alle anderen oberbayerischen Kommunen ihre Zahlen schon Anfang der Woche gemeldet hatten, ließ das Ergebnis aus München lange auf sich warten. Erst am Donnerstagvormittag standen alle direkt gewählten Bewerber fest. Die Frage, wer es über die Liste schafft, klärt sich sogar erst an diesem Freitag. Eines aber ist klar: Der oberbayerische Bezirkstag wird ganz anders aussehen und arbeiten als bisher. Bei der CSU setzten oberbayernweit 31,1 Prozent der Wähler ihr Kreuz - damit verlor die Partei rund 13 Punkte im Vergleich zu 2013. Die Grünen gewannen zehn Punkte hinzu und kamen auf 21,4 Prozent. Drittstärkste Kraft wurden die Freien Wähler mit zwölf Prozent (plus 2,6 Punkte), vor der SPD mit 9,6 Prozent (minus 9,4 Punkte). Die AfD erhielt 8,5 Prozent der Stimmen.

Während die Grünen ihr Wahlergebnis feiern, beginnt bei der CSU die Ursachenforschung. Man habe sich dem allgemeinen Abwärtstrend nicht entziehen können, sagt Friederike Steinberger, die stellvertretende Bezirkstagspräsidentin. Seit 2015 sei in der Öffentlichkeit nur gestritten worden, erst mit Kanzlerin Angela Merkel und der CDU, dann parteiintern. "Streit und Personalgeschacher mag halt kein Wähler", sagt Steinberger. Sachthemen seien hingegen fast gänzlich untergegangen, klagt sie.

Im Bezirkstag muss sich die CSU nun umorientieren. Bisher unterhielt sie dort ähnlich wie im Münchner Stadtrat eine Kooperation mit der SPD. Weil die aber nur mehr einstellig abgeschnitten hat, hätte eine "große Koalition" nun keine Mehrheit mehr. "Ich befürchte, wir werden zwei Partner brauchen", sagt Steinberger. Man werde am Wochenende Gespräche führen - allerdings nicht mit allen im Bezirkstag vertretenen Parteien. Neben CSU, SPD und Grüne werden das die Freien Wähler, die FDP, die Linke, die ÖDP, die Bayernpartei, erstmals die Tierschutzpartei und die AfD sein, weil es auf Bezirksebene keine Fünf-Prozent-Hürde gibt wie bei der Landtagswahl. "Mit der AfD und der Linken werden wir aber nicht reden", sagt Steinberger.

Rechtspopulistische Stimmungen und Angstmache werden von Beginn an abgelehnt

Überhaupt scheinen viele Bezirksräte froh zu sein, dass die AfD mit ihren 8,5 Prozent nicht ganz so gut abgeschnitten hat, wie es sich die Rechtspopulisten vor der Wahl erhofft hatten. "Wir müssen unbedingt darüber sprechen, wie wir die Arbeit in unserem Gremium auch weiterhin kollegial und demokratisch gestalten können und wollen von Anfang an klarstellen, dass wir rechtspopulistische Stimmungen und Angstmache ablehnen", sagt der grüne Bezirksrat Sylvio Bohr. Eine Zusammenarbeit mit der CSU hingegen lehnt er nicht grundsätzlich ab. "Wir werden uns Gedanken machen, wenn wir sicher wissen, wer es tatsächlich in den Bezirkstag geschafft hat."

Das Gremium kümmert sich hauptsächlich um Soziales, Gesundheit und Bildung. Den meisten Münchnern ist das frühere Bezirksklinikum in Haar ein Begriff. Der Bezirk betreibt Förderschulen, zahlt den Bewohnern von Pflegeheimen eine Finanzhilfe aus und ist für ein beliebtes Ausflugsziel verantwortlich: das Freilichtmuseum Glentleiten bei Murnau, in dem historische Bauernhöfe und Wirtschaftsgebäude zu sehen sind.

Am 6. November wird sich das Gremium neu konstituieren - dann nicht mehr wie bisher mit 67 Mitgliedern, sondern mit 82.

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