Serie: Frauen machen Politik:"Probleme von Familien wären präsenter"

Katrin Habenschaden (Die Grünen)

Seit 2014 im Stadtrat, seit Mai 2018 auch Fraktionsvorsitzende der Grünen: Katrin Habenschaden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Bisher haben Männer München regiert. Katrin Habenschaden von den Grünen könnte das bei der OB-Wahl 2020 ändern. Was ist ihre Vision von München?

Protokoll von Heiner Effern

Katrin Habenschaden glaubt, dass man es einer Stadt immer anmerke, ob die Führungsspitze über eine lange Zeit männlich oder weiblich ist oder ob es mal einen Wechsel gab. "Frauen haben eine andere Sicht auf die Stadt, sie haben andere Bedürfnisse." An den Angeboten, die das tägliche Leben einfacher machen, würde man den Unterschied merken. Es gehe nicht darum, künstlich etwas zu verändern, obwohl es keine Notwendigkeit gibt.

OB-Wahl 2020

Bisher haben Männer die Stadt regiert. In eineinhalb Jahren wollen Kristina Frank (CSU) und Katrin Habenschaden (Grüne) als Spitzenkandidatinnen ihrer Partei das Münchner Patriarchat beenden. Dass für die SPD wieder Dieter Reiter antritt, gilt als sicher. Doch was wäre anders mit einer Frau an der Stadtspitze?

Mobilität: Zwei Drittel aller Autos fahren Männer. Frauen, die unterwegs sind, benützen überproportional häufig die anderen Verkehrsmittel. Würde schon länger eine Frau regieren, wäre der Verkehrsraum anders aufgeteilt: Erst kommen Fußgänger und Radler, dann der öffentliche Nahverkehr, dann wird geschaut, was für den motorisierten Individualverkehr noch bleibt.

Öffentliche Toiletten: Ein Großteil der öffentlichen Toiletten ist Männern vorbehalten, weil es sich in vielen Fällen nur um Pissoirs handelt. Das wäre mit Sicherheit nicht so, wenn an der Spitze einer Stadt über einen längeren Zeitraum eine Frau gestanden wäre.

Mädchen im öffentlichen Raum: Es gab eine große Diskussion, als ein Spielplatz in einem Pilotprojekt einmal an den Bedürfnissen eher von Mädchen ausgerichtet werden sollte. Die unterscheiden sich eklatant ab ungefähr dem Alter von zehn Jahren von den Bedürfnissen von Jungs. Trotzdem werden alle Spielplätze standardmäßig nach den Bedürfnissen von Jungs geplant. Da wurde eine Mords-Diskussion geführt über die Notwendigkeit, das ist natürlich ein absoluter Schmarrn. Es gibt mindestens genauso viele Mädchen wie Jungs in der Stadt. Solche Dinge müsste man nicht jedes Mal von null auf wieder erklären und rechtfertigen.

Kinderbetreuung: Es ist schlicht und ergreifend so, dass ein Großteil der Familienarbeit nach wie vor von Frauen geleistet wird. Wäre seit längerer Zeit eine Frau am Ruder der Stadt, und am besten hier auch eine jüngere, die von diesen Thematiken persönlich betroffen ist, würden wir den Kinderbetreuungsplätzen nicht so hinterherlaufen, wie wir das die letzte Zeit gemacht haben. Wir würden auch nicht die Diskussionen führen über Betreuungszeiten.

Eine weibliche Oberbürgermeisterin wüsste, dass Betreuungszeiten diesen Namen auch so verdienen müssen, dass Frauen ihre Tätigkeit ausüben können. Dasselbe gilt für das Versorgen von Angehörigen. Mir wäre lieber, wenn das paritätisch aufgeteilt wäre. In der Realität ist es so, dass auch das sehr viel von Frauen wahrgenommen wird. Dieses Thema wäre in der Öffentlichkeit sehr viel präsenter, wenn es eine weibliche Oberbürgermeisterin in München gäbe.

Frauentaxen: Jeder Frau ist die Notwendigkeit von Frauentaxen absolut klar, sei es weil es um ihr Töchter geht, um sich selbst oder auch Freundinnen, die etwa im Schichtbetrieb als Krankenschwester arbeiten. Der Bedarf wird unter Frauen komplett erkannt.

Führungspositionen: Jedes Jahr gibt es einen Bericht, wie viel Münchens Bosse in den städtischen Beteiligungsgesellschaften verdienen. Da stehen ausschließlich Männer drin. Männer fördern mehr Männer, das weiß man aus vielen Studien. Ab 30 Prozent Frauenanteil in einem Gremium ist erst messbar, dass die Ergebnisse frauenspezifischer werden. Eine einzige Frau als Feigenblatt bringt an dieser Stelle noch nichts. Wenn eine Frau als Oberbürgermeister einem Gremium wie dem Aufsichtsrat vorsteht, merkt man das selbstverständlich an der Besetzung der Vorstände und Geschäftsführerposten.

Politikstil: Frauen führen integrativer, ist es sehr sehr wichtig, dass das Ergebnis am Schluss möglichst konsens- oder mehrheitsfähig ist. Und auch einen Mehrwert für die Stadt darstellt, dass es nicht nur ums Durchsetzen einer Meinung geht. Weg von der reinen Machtpolitik mehr hin zur Sachpolitik. Der bewusst eingesetzte Ellenbogen ist ein männliches Instrument, den Gestaltungswillen mit Beharrlichkeit durchsetzen, das muss schon auch eine Oberbürgermeisterin. Ich glaube, dass sich der Weg dorthin unterscheidet.

Klischees: Wir haben mehr Frauen als Männer in der Stadt. Wenn es drei größere Parteien gibt, ist es genau folgerichtig, dass sich zwei Frauen um das Amt des Oberbürgermeisters bewerben und ein Mann. Als sich das herauskristallisiert hat, war das besondere Interesse da. Ich hätte ein Problem damit, wenn sich der Wahlkampf auf dieses Thema reduziert, bin mir aber ziemlich sicher, dass das im Verlauf keine Rolle mehr spielen wird. Dann geht es um die Inhalte, wofür steht eine Partei. Wenn öffentlich die Frage gestellt wird, ob es nun einen Zickenkrieg geben wird, muss ich mich schon sehr wundern. Das hat mit den Realitäten bei uns im Münchner Stadtrat nichts zu tun. Klischees soll man erstens nicht bedienen und sich auch nicht an ihnen abarbeiten, sondern als Kandidatin zeigen, was man anzubieten hat.

Vorbildfunktion: Ich fände es toll, wenn wir seit Längerem eine Oberbürgermeisterin hätten wie damals in Frankfurt. Das hätte eine starke Vorbildfunktion für unsere Kinder. Das wäre ein super Zeichen, dass allen Geschlechtern alle Positionen offenstehen. Frauen können ganz genau alles so gut wie Männer, egal ob Kanzlerin oder Oberbürgermeisterin.

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