Süddeutsche Zeitung

Nymphenburger Park:Feuer frei vom Balkon der Amalienburg

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Früher legte man vom Dachplateau der Amalienburg im Nymphenburger Park gern auf Fasane an. Der einstige Schießstand bekommt heute allerdings nur noch selten Besuch.

Von Simone Boehringer

Oft sind es Orte, die schwer erreichbar sind, die Sehnsüchte und Phantasien der Menschen beflügeln. Dass man eine kleine Kletterpartie absolvieren muss, um einen der ungewöhnlichsten Hochbalkone im Münchner Westen zu erreichen, weckt die Neugierde nur noch mehr. Die Rede ist vom Dachbalkon der Amalienburg, jenem runden umhegten Hochplateau im Nymphenburger Schlosspark, das dem Kurfürsten Karl Albrecht von Bayern und seiner Gattin Maria Amalia im 18. Jahrhundert als Schießstand diente.

Richtig, der mit fast fünf Metern Durchmesser auf dem ansonsten abgeschrägten Dach des Lustschlösschens unweit des Nymphenburger Hauptschlosses platzierte Balkon war nie als Sonnenterrasse gedacht oder gar für Mahlzeiten im Freien - sondern einzig für die Fasanenjagd.

Zahlreiche Fasanerien hatte schon der Vater von Karl Albrecht, Kurfürst Max II. Emanuel in München erbauen lassen, unter anderem im nahe dem Schloss gelegenen Hartmannshofen, um für die Festgesellschaften stets genügend Vögel für das höfische Jagdtreiben bieten zu können. Wobei man mit dem Wörtchen Jagd in diesem Zusammenhang sicher vorsichtig sein muss: Von Maria Amalia ist überliefert, dass sie sehr viel auf Jagden ging und dazu auch durchaus ins weitere Umland reiste.

Aber offensichtlich wollte sie auch daheim in München nicht aufs Schießen verzichten, genauso wenig wie ihr Gemahl Karl Albrecht, dem später kurzzeitigen Kaiser Karl VII. (1742-45). Deshalb ließ der Wittelsbacher der Habsburgerin von 1734 an das Jagdschlösschen Amalienburg in den Nymphenburger Park bauen, mit extra Hundekammer samt Waffenschränken, die genauso im höfischen Rokoko-Stil gehalten waren, wie ein großer Spiegelsaal für Feste, Jagdzimmer, Prunkküche und anderen Schnickschnack. Auch einen weiteren Fasanengarten ließ Karl Albrecht im Park anlegen, der damals noch Garten hieß, damit nur ja genügend Tiere zur Verfügung stünden, wenn die Gemahlin oder er aufs Dach steigen wollte.

Karl Albrechts Amalienburg ist die jüngste von insgesamt vier Parkburgen im Schlosspark und die einzige, die dezidiert auf den Jagdspaß ausgerichtet war. Und dieser Spaß sah dann nach den überlieferten Reisenotizen einiger Hofgäste so aus: Die gehegten Fasane aus der nahen und ferneren Nachbarschaft wurden mit Hunden zu der von Bäumen umringten Lichtung getrieben, in der die Amalienburg noch heute steht. Dort waren Hindernisse gespannt, Tücher und Planen, die die Vögel zwangen, aufzusteigen. Genau darauf wartete Maria Amalia, mal mit und sehr oft auch ohne Gemahl.

Man muss beweglich sein, um auf das Dach zu kommen

Sie ließ sich die Gewehre reichen, die damals einen Schuss hergaben und zielte auf die teils fast senkrecht den Hindernissen ausweichenden Fasanen. Zwei bis drei Dutzend soll sie den Überlieferungen nach in ihren aktivsten Jahren selbst erlegt haben, ihr Gemahl weit mehr als 100. Wie viele Tiere sie auf echten Jagdpartien schossen, etwa in den Wäldern bei Schleißheim, Fürstenried oder Starnberg und wie viele bei der Standjagd auf dem Dach der Amalienburg, ist nicht bekannt.

Genauso wenig überliefert ist darüber, wie Maria Amalia in dem damals doch recht umständlichen höfischen Jagdrock samt steifem Schuhwerk auf den Dachbalkon gelangte. Zu vermuten ist, so bestätigen auch die mit den Bauten vertrauten Experten der Bayerischen Schlösserverwaltung, dass an der Stelle der heutigen kupfernen Regenrinnen eine kleine Treppe nach oben führte, die einigermaßen bequem begehbar war. Die Kurfürstin war nach Fertigstellung der Amalienburg 1739 gerade einmal 38 Jahre alt, dürfte also noch recht beweglich gewesen sein.

Heute kommt nur noch selten Besuch

Beweglichkeit ist heute erst recht gefordert zum Erklimmen des Schießstandes: Wie gesagt, eine Treppe oder Leiter gibt es nicht mehr. Von einer kleinen Türe auf der Ostseite des hölzernen Dachstuhls der Amalienburg gelangt man zwar aufs Dach des Jagdschlösschens, aber von dort geht es eben nur über die besagte, etwa 40 cm breite kupferne Ablaufrinne weiter das Dach hinauf, ein paar Meter bis zu einem Metalltörchen im verschnörkelten Geländer des Hochbalkons. Dort sind auch ganz geschwungen die Initialen des Bauherren CA für Carl Albrecht - in der damaligen Schreibweise mit C - sowie das M und A seiner Frau eingearbeitet.

Ledersohlen sind keinesfalls geeignet für diese kleine Balkonbesteigung, genauso wenig wie helle Hosen, denn das Herabsteigen ist eher eine Rutschpartie. Mehr als zwei-, dreimal im Jahr bekommt dieser Ort heute auch kaum mehr Besuch; in der Regel nur nach Unwettern begehe ein Mitglied der Parkverwaltung im Schlosspark das Dach der Amalienburg, um nach eventuellen Schäden zu schauen, erklärt Schlossverwalter Johannes Hamberger beim extra für die SZ ermöglichten Dachausflug. Ansonsten also liegt dieser historisch bedeutsame Aussichtsbalkon in einer der schönsten Parkanlagen Bayerns gänzlich brach.

Die Amalienburg und drei weitere Parkburgen im Park des Nymphenburger Schlosses sind vom 1. April bis 15. Oktober von 9 bis 18 Uhr täglich für Besucher geöffnet. Führungen allgemeiner Art, zu bestimmten Themen der Architektur, Kunst oder auch der höfischen Kultur, sowie auch speziell für Kinder rund um das Nymphenburger Schloss-Areal lassen sich gleichfalls buchen unter www.schloss-nymphenburg.de oder unter Telefon 089-17908-0.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2017
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