Nymphenburg:Drohender Wildwuchs

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Blick in die Ferne: Wie man von einem Fenster des Schlosses Nymphenburg aus die Zwillingstürme neben der Paketposthalle künftig sehen würde, soll die Fotomontage verdeutlichen, die das Münchner Forum und die Altstadtfreunde für die Ausstellung beigesteuert haben. Fotomontage: Privat (Foto: Privat)

Die Ausstellung "München von oben herab" im Geranienhaus von Schloss Nymphenburg liefert einen kritischen Beitrag zur Hochhaus-Debatte. Im Zentrum stehen die beiden geplanten 155-Meter-Türme neben der Paketposthalle

Von Alfred Dürr, Nymphenburg

Das idyllisch am Beginn des Parks gelegene historische Geranienhaus ist ein kleines Nebengebäude des mächtigen Nymphenburger Schlosses. Der Gartengestalter Friedrich Ludwig von Sckell hat das Geranienhaus 1816 als einen Ort für die Aufzucht fremdländischer Zierpflanzen errichtet. Heute finden hier meist Ausstellungen statt, wie aktuell die über bestehende und geplante Hochhäuser in München. Die sind nach Ansicht der Initiatoren alles andere als eine Zierde für das Stadtbild - im Gegenteil: Die Türme stellen eine Art Architektur-Exotik dar, die dem speziellen München-Charakter Schaden zufügt.

Auf 25 Bild- und Texttafeln zeigen das Münchner Forum - ein Verein, der sich kritisch mit Fragen der Stadtentwicklung auseinandersetzt - sowie die Initiativen Altstadtfreunde München und Bürgerdialog Online den Wandel der Silhouette. Im Zentrum stehen die beiden geplanten 155-Meter-Komplexe neben der Paketposthalle, nahe der Friedenheimer Brücke. Ebenfalls präsentiert wird, wo nach dem Entwurf der von der Stadt in Auftrag gegebenen Hochhausstudie sogar noch höhere Bauwerke entstehen können. Das Paketpost-Areal ist nur der Auftakt für eine Entwicklung, die München mit seiner historisch geprägten Altstadt und den charakteristischen Bauten Schaden zufügt, sagt der Planungsexperte Wolfgang Czisch.

Nicht nur die Alpen, sondern auch die vorgelagerte Schotterebene sind seiner Ansicht nach wie eine Bühne, auf der sich die Stadt großartig darstellen könne. Dieser Gedanke drücke sich genial im Schlossensemble Nymphenburg mit den Gartenanlagen und Auffahrtsalleen aus. Hier werde die Weite der Schotterebene in einmaliger Weise inszeniert. Wichtige Sichtachsen würden durch die markante Höhe der geplanten Zwillingstürme gestört.

Die Bayerische Schlösserverwaltung, die im Nymphenburger Schloss ihren Sitz hat, befürchtet ebenfalls ein störendes Ungleichgewicht innerhalb der weltberühmten Barockkomposition des Schlosses mit der Garten- und Parklandschaft. Bedingung müsse also sein, dass Hochhäuser von Schloss Nymphenburg und vom Rondell aus nicht zu sehen sein dürfen. Die maximale Höhe der Gebäude müsse auf 60 Meter begrenzt werden.

Wolfgang Czisch bedankte sich ausdrücklich bei der Schlösserverwaltung für die organisatorische Unterstützung im Zusammenhang mit der Ausstellung und vor allem für die Erlaubnis, das Geranienhaus nutzen zu dürfen. Bei der Pressekonferenz zur Eröffnung der Ausstellung war der Präsident der Schlösserverwaltung, Bernd Schreiber, nicht anwesend. Auf Nachfrage erklärte er, eine breit geführte Diskussion zur Hochhaus-Planung in München sei nötig. Die Ausstellung liefere zu dieser Debatte einen wichtigen Beitrag.

Hart ins Gericht mit den baulichen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte ging Kurator Dieter Klein. Die Silhouette sei lebhafter geworden, vor allem in die Höhe gewachsen. Geteilte Meinung herrsche allerdings darüber, ob sie auch moderner oder gar schöner geworden sei. Klein sieht einen Niedergang der Baukultur. Die Mehrzahl der Münchner Hochhäuser sei vom Schuhschachtel-Prinzip bestimmt. Beispiel für ein gelungenes Projekt aus der jüngeren Vergangenheit sei der 101 Meter hohe BMW-Turm ("Vierzylinder"), mit seiner ganz eigenständigen Gestaltung.

Die Initiatoren der Ausstellung zweifeln generell am Sinn von Hochhäusern. Der ökologische und ökonomische Wert solcher Gebäude sei mehr als zweifelhaft. Man verstehe auch nicht, warum München weiter "verdichtet" werden soll. Ob der Zuzug nach München weiter anhalte, müsse sich erst noch erweisen. Der Büromarkt befinde sich im Umbruch durch mehr Arbeit im Homeoffice; zusätzliche Flächen würden also gar nicht mehr benötigt. "Welches Problem soll in München eigentlich durch Hochhäuser gelöst werden", fragte Czisch.

Inzwischen zeichne sich in München eine weitere Entwicklung ab, sagte Kurator Robert Hölzl. Einige wenige potente Investoren seinen für immer mehr Projekte in der Stadt zuständig: "Wollen die Bürger und das Rathaus denen wirklich das Feld überlassen?"

Im Zusammenhang mit der Neuplanung für das Paketpost-Areal fühlte sich Wolfgang Czisch gar an die Pläne aus der Nazizeit für die Neugestaltung der Achse vom Hauptbahnhof in Richtung Pasing erinnert. Hier sollte eine Reihe von Monumentalbauten entstehen. "München hätte sich hier gründlich verändert", sagte er. Nun wolle man mit der neuen Nutzung der Paketposthalle und den beiden Hochhäusern samt Nebengebäuden ein eigenes "Zentrum" schaffen, dass die "kleinteilige Altstadt" beeinträchtige. Dies dürfe nicht geschehen.

München messe sich ja gern mit Wien, sagte Dieter Klein. Deswegen zeigt eine Tafel der Ausstellung die Veränderungen der Silhouette dort mit Hochhäusern, die Münchner Dimensionen teilweise weit übersteigen. Ob das schön ist? Die Ausstellungsinitiatoren jedenfalls hoffen, dass die Bilder für sich sprechen.

Die Ausstellung "München von oben herab" dauert vom 8. bis zum 21. Oktober. Geöffnet täglich von 10 bis 19 Uhr, Geranienhaus, Schloss Nymphenburg. www.von-oben-herab.com

© SZ vom 08.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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