Biergarten statt Brennpunkt:Der Nußbaumpark ist jetzt hip

Nußbaumpark Urban league Biergarten Zehra Spindler

Zehra Spindler in ihrem Biergarten im Nußbaumpark.

(Foto: Stephan Rumpf)

Zehra Spindler hat mit ihrer Urban League das Projekt "Make Nußbaumpark gschmeidig again" initiiert, damit sich dort alle wieder wohl fühlen.

Von Pia Ratzesberger

Der Mann, der eben noch schlief, steht jetzt auf. Er klopft sich die Hose ab, sieht hinüber zu der Gruppe mit den Mikrofonen und fragt sich wahrscheinlich, was das Spektakel soll, hier in seinem Park. Dort drüben steht gerade die Kandidatin der Grünen fürs Europaparlament, Henrike Hahn, und moderiert mit ein paar Gästen eine kleine Radiosendung zur Europäischen Union. Fragt man den Mann, was er davon hält, zuckt er nur mit den Achseln. Sein Freund neben ihm schläft weiter. Wahrscheinlich hat er sich in den vergangenen Wochen an den Trubel gewöhnt.

Denn im Nußbaumpark, sonst vor allem Wohnzimmer für Drogensüchtige und Schlafzimmer für Obdachlose, finden gerade öfter solche Veranstaltungen statt. Und die Frau, die dafür verantwortlich ist, sitzt ein paar Meter weiter auf einer der neu aufgestellten Bierbänke und sagt: "Es sollte ein ganz normaler Ort für München werden." Ihr Name ist Zehra Spindler, sie ist in der Stadt bekannt dafür, an den verschiedensten Orten Projekte auf Zeit hochzuziehen, vor ein paar Jahren zum Beispiel in einem leer stehenden Kaufhaus in Giesing. Nun also der Nußbaumpark.

Zu Beginn des Sommers hingen in den Straßen plötzlich farbige Plakate, auf denen "Make Nußbaumpark gschmeidig again" zu lesen war - seit Juni gibt es eine kleine Bar, einen Essensstand, ein paar Bierbänke und Liegestühle, in den Bäumen hängen Lichterketten. Es kommen jetzt Familien und Studenten, die Ärztinnen zur Mittagspause von der Klinik gegenüber. Manche Anwohner seien ihr um den Hals gefallen, sagt Spindler, weil sie sich so gefreut hätten, dass der Park zu einem Ort geworden sei, den man wieder gerne betrete. Das aber bringt auch eine andere Frage mit sich: Wenn der Nußbaumpark jetzt hip ist, nimmt man den Menschen, die es in der Stadt ohnehin schwer haben, nicht einen ihrer letzten Orte?

Zehra Spindler kennt diese Frage schon, sie deutet hinüber zu einer Gruppe Männer auf der anderen Seite des Gehwegs und sagt: "Wir lassen uns gegenseitig bestehen und das ist schon ziemlich viel." Sie wohnt in der Nähe des Parks, bei ihren Spaziergängen war ihr aufgefallen, dass die Besucher sich vor allem am Rand aufhalten, auf den Parkbänken, geschützt unter den Bäumen. Kaum einer aber auf der offenen Wiese, und deshalb kam ihr die Idee, dort etwas Neues zu versuchen - auch wenn ihr klar gewesen sei, dass eine Bar im Nußbaumpark nicht funktionieren könne wie eine Bar am Gärtnerplatz.

Die Leute sollen merken, dass die jeweils anderen keine Monster sind

Sie hat zum Beispiel nicht wie sonst mit der Augustiner Brauerei zusammengearbeitet, sondern mit Giesinger. In einem Park, in dem sich viele Alkoholkranke treffen, sollte das Bier ein wenig mehr kosten. Das Essen kommt von Viva Clara, einem sozialen Projekt, in dem Frauen kochen, die es sonst schwer haben, einen Job zu finden. Und im kommenden Sommer solle es zudem noch Workshops geben, in denen man lernen könne, wie man mit Drogensüchtigen umgehe. "Ich wusste das ja bis vor kurzem selbst nicht", sagt Spindler.

Sie hatte neulich so ein Erlebnis, ein Mann fiel am Rande des Parks in sich zusammen, sie aber traute sich nicht, ihn anzusprechen. Gemeinsam mit einer Sozialpädagogin vom Essensstand ging sie auf ihn zu. Die Frauen fragten, ob sie helfen könnten. Er winkte ab, kam am nächsten Tag aber wieder, um sich für die Nachfrage zu bedanken. Die Sozialpädagogin sagte, das sei doch selbstverständlich - der Mann entgegnete: Nein, das sei es überhaupt nicht.

Die Unterschiede im Nußbaumpark sind nach wie vor da. Wie sollen die sich auch auflösen durch einen gemeinsamen Abend auf einer Wiese? Aber besonders ist vielleicht, dass man sie in diesem Park sieht - und sie nicht wie sonst an vielen anderen Orten Münchens leicht vergessen kann. Manchmal, sagt Spindler, beglückwünschten sie ältere Herren und fragten, ob sie es endlich geschafft habe, die anderen zu verdrängen. Darum gehe es nicht, antwortet Spindler dann, sondern darum, dass die Leute merkten, dass die jeweils anderen keine Monster seien. Darum, dass es durchaus schön ist im Nußbaumpark. Gschmeidig eben.

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