NullAchtNeun:Zum Wildsein geboren

Auch wenn die Augen früher mal besser waren: Solange man lebt, ist man nie zu alt für Rock'n'Roll. Nur nicht entmutigen lassen!

Wolfgang Görl

"Too Old To Rock'n'Roll, Too Young To Die" - das ist ein wunderbar trauriger Song der Band Jethro Tull aus den Siebzigern. Es geht um einen betagten Rock'n'Roller, der den verflossenen wilden Zeiten nachhängt, während die Freunde von einst zu Familienvätern verkommen sind und ihre Drinks im Tennisclub einnehmen. Nun, die Old Boys von Jethro Tull fühlen sich noch immer nicht zu alt für Rock'n'Roll, und schon gar nicht ihr Boss Ian Anderson.

NullAchtNeun: AC/DC auf der Bühne: Brian Johnson (l.) und Angus Young vor Kurzem bei einem Konzert.

AC/DC auf der Bühne: Brian Johnson (l.) und Angus Young vor Kurzem bei einem Konzert.

(Foto: Foto: AFP)

Am 12. August, zwei Tage nach Andersons 62.Geburtstag, gastiert die Band in München. Ob man da hingehen soll? Klar doch, auch auf die Gefahr hin, dass man das erlebt, was man stets auf Veteranen-Konzerten erlebt. Um einen herum sitzen lauter Leute, die viel zu alt sind für Rock'n'Roll.

Herrgott, denkt man, statt dass sie zuhause auf die Enkel aufpassen, damit ihre längst erwachsenen Kinder ins Konzert gehen können, nehmen sie der Jugend den Platz weg. Solche Gedanken kommen einem. Und während man sich dafür schämt, erscheint ein junger Kerl und tönt: "Hey, Alter, du sitzt auf meinem Platz." Wie? Gibt's nicht! Gibt's doch: Unsereins hat die Eintrittskarte falsch gelesen. Auch die Augen waren früher mal besser.

Enkel hüten statt abfeiern

Verdammt, ist das wirklich schon so lange her, dass wir Jimi Hendrix im "Big Apple" in der Leopoldstraße hörten oder Ten Years After und Led Zeppelin im Circus-Krone-Bau? Vorne an der Bühne natürlich, denn man wollte sich von den Gitarristen was abschauen, das war besser als jeder Musikunterricht. Immer waren die ersten Reihen voller Gitarristen, und man bekam Minderwertigkeitskomplexe, weil manche so taten, als könnten sie's besser als die Stars auf der Bühne. Was wohl aus ihnen geworden ist? Wahrscheinlich nehmen sie ihre Drinks im Tennisclub, hüten die Enkel, und ihre Gitarre hängt, seit Jahren unbenutzt, im Klo neben dem Schild "Bitte im Sitzen pinkeln!"

Vielleicht hätte man sie Freitagnacht getroffen, bei AC/DC in der Olympiahalle. Aber wir waren ja nicht dabei. Die Lust verflog, nachdem der Familienrat bei einer Gegenstimme verboten hatte, dass der Hausherr in den gleichen knielangen Schuluniform-Hosen das Konzert besucht, wie sie der AC/DC-Gitarrist Angus Young trägt. Man gehe ja auch nicht als Papageno verkleidet in die "Zauberflöte", lautete die schwache Begründung.

Das ist bitter für einen alten Rock'n'Roller, der gern den AC/DC-Kracher "Rock'n'Roll-Train" live gehört hätte und stattdessen das Signal erhält, der Zug sei abgefahren. Doch darf man sich nicht entmutigen lassen. Auch in dem Jethro-Tull-Song heißt es am Schluss, solange man lebe, sei man nie zu alt für Rock'n'Roll. Okay, AC/DC haben wir verpasst, aber ein echter Rock'n'Roller findet immer einen Ersatz. Im Tennisclub zum Beispiel gibt es eine Stereoanlage, da hört man oft "Born To Be Wild".

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