NullAchtNeun:Kartoffelsalat, du holde Kunst

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Paradoxes Raucherschutzgesetz: Womöglich könnte der Kartoffelsalat bald schuld daran sein, dass das Rauchen in Kneipen verboten ist.

K. Forster

Das jüngste Gericht kommt diesmal nicht als Apokalypse, sondern auf den Teller. Es entstammt der allseits beliebten Serie "Nimm 3" des aktuellen SZ-Magazins und besteht, wie der Name schon sagt, aus drei Elementen: aus Forelle, Orange und Rucola.

In Einraumkneipen sollen künftig nur noch "einfache Speisen" serviert werden dürfen. (Foto: Foto: AP)

Nicht dass wir hier der verehrten Freitagsbeilage das Werbewort reden müssten, es geht hier und heute vielmehr darum, ob eine Speise aus nur drei Bestandteilen in des Gesetzes Sinne als "einfache Speise" durchgeht oder nicht. Anlass der Betrachtung ist die Tatsache, dass künftig bayernweit in sogenannten Einraumkneipen mit einer Ausbreitung von bis zu 75 Quadratmetern geraucht werden darf, wenn der Wirt nur "einfache Speisen" anbietet. Seither fegt ein Streit durch die Küchenwelt darüber, was eine einfache Speise ist.

Ohne jetzt der oft schon dokumentierten Hirnrissigkeit der Formulierung dieses Gesetzes noch einmal auf den Grund gehen zu wollen, stehen zwei Varianten zur Deutung an. Zunächst die mathematische: Das Gegenteil (oder die Steigerung) der einfachen Speise ist die zweifache. Also beispielsweise Suppe und Hauptgericht.

Oder aber es besteht das Hauptgericht aus mehr als einer Komponente, nehmen wir mal Leberkäs mit Kartoffelsalat. Mit einer weiteren Steigerung, der dreifachen Speise, käme das Menü ins Spiel, das aber in einer verqualmten Einraumkneipe eher seltener auf der Karte stehen dürfte. Oder eben, analog zum Leberkäs mit Kartoffelsalat, Leberkäs mit Kartoffelsalat und Brezn.

Man sieht, so kommt man mit dem Begriff der einfachen Speise nicht recht weiter. Es ist also Zeit, den Gourmet in uns wachzuküssen und die Speise als solche auf ihre Einfachheit hin zu untersuchen. Beim Leberkäs geht das recht einfach, weil ihn der Metzger macht, und wenn er's kann, schmeckt der Leberkäs.

Ähnliches gilt auch für Komponente Nummer drei, die Brezn, bei der aber nicht nur des Bäckers Kunstfertigkeit, sondern auch noch der Frischegrad eine große Rolle spielt. Anders ist das beim Kartoffelsalat, vorausgesetzt, bei der hier inspizierten Einraumkneipe bis 75 Quadratmeter handelt es sich nicht um eine Boazn, deren Betreiber den Kartoffelsalat im Plastikeimer beim Großhändler kauft. Wir gehen davon aus, dass der Wirt oder dessen Koch den Erdäpfelsalat selbst zubereitet, womit die Ebene des Einfachen endgültig verlassen wird.

Denn es gibt wenig Speisen, deren Komposition so kompliziert ist wie die des Kartoffelsalats (wir reden vom bayerischen, nicht von der restdeutschen Mayonnaisepampe). Schon die Wahl der Kartoffel verlangt intensive agrikulturelle Kenntnis, die exakte Garung bis zum kartoffelsalatadäquaten Aggregatzustand dann Fingerspitzengefühl, und die Schälung der Nachtschattengewächsknolle sauberes Arbeiten.

Die Verwandlung dann von der Kartoffel in den Kartoffelsalat ist fast schon Zauberei. Klar ist, dass die Zwiebeln entweder gerieben oder kleingehackt und angeglast werden. Über die Herstellung feiner Brühe wurden Doktorarbeiten geschrieben. Deren Anreicherung aber mit Dijon-Honigsenf, weißem, zartem Essig und einem kleinen Kartoffelstück, all das fein verquirlt und lauwarm in kleinen Dosen den Kartoffelschnitten beigemengt, ist Kartoffelsalatkunst, die erst dann wirklich perfekt ist, wenn ein Hauch guten Öls das Werk vollendet.

Es könnte also sein, dass künftig in 75 Quadratmeter großen Einraumkneipen das Rauchen angesichts des Kartoffelsalates verboten ist. Denn einfach ist diese Speise nun wirklich nicht.

© SZ vom 28.02.2009/brei - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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