Null Acht Neun:Schneck lass nach!

Wie die Feierbiester fallen Nacktschnecken nachts über den Garten her, durchlöchern die Hortensie und köpfen die Tagetes. Der Feldzug gegen den Feind im Beet hat begonnen. Doch die Aussicht auf Erfolg ist gering

Glosse von Nadeschda Scharfenberg

Im Garten geht es zu wie neuerdings in der Türkenstraße. Abends, kaum dass es dämmert, kriechen bierliebende Wesen aus ihren Löchern, machen ausschweifend Party ohne Rücksicht auf das Nervenkostüm der Anwohner, und am nächsten Morgen finden sich überall ihre Hinterlassenschaften. Im Garten allerdings nicht in Form von Kronkorken, Pizzaschachteln und zerdepperten Flaschen, sondern in Form von Schleim. Meterweise Schleim.

Die Feierbiester heißen Arion rufus oder Arion vulgaris, Nacktschnecken also, die vulgär, aber unhörbar schmatzend alles zusammenfressen, was ihnen vor ihre Raspelzunge kommt. Das Fressorgan der Schnecken ist eine Art Mini-Schaufelradbagger, ein elastisches Band, mit Abertausenden winzigen Zähnchen besetzt, das über einen knorpeligen Kern geführt wird und so die Nahrung, also die mit Liebe gesetzten Pflänzchen, zermalmt und dem Schlund zuführt.

Die am Abend gepflanzte Sonnenblume ist am nächsten Morgen weg, ratzeputz, die Tagetes sind kopflos, die Blätter der Hortensie zerlöchert. Die gierigen Gartenmonster kriechen sogar an der Garagenwand hoch und hangeln sich von dort aus hinüber in die Ranken der Bayern-Kiwi, die sie zu grotesken Gerippen verunstalten.

Der Feldzug gegen den Feind im Beet hat noch nicht die letzte Eskalationsstufe erreicht, es glimmt ein Fünkchen Rest-Glaube an friedliche Methoden. Die Jagd erfolgt bei einsetzender Dunkelheit mit der Handy-Taschenlampe, der Eimer mit den "schlüpfrigen kleinen Scheißerchen" (Copyright Julia Roberts in "Pretty Woman") wird sodann über die Straße getragen und hinter einer Lärmschutzwand ausgeleert. Der Kollege M. hingegen, eigentlich ein Schöngeist, aber im jahrelangen Abwehrkampf mürbe geworden, hat gestanden, dass er die Plagegeister mit einer Gartenschere zerteilt. Auch Einsalzen wird empfohlen oder Aufbrühen. Und Bierfallen? Locken auch alle versoffenen Nachbarschnecken an, die auf dem Weg zur Schänke eine Schneise fressen, bevor sie den Säufertod sterben.

Es bringt sowieso alles nichts. Wie viele Schnecken man auch einsammelt und auf die ein oder andere Weise los wird - am nächsten Abend sind sie in mindestens gleicher Zahl wieder da und platzieren sich absichtlich so, dass alle Barfußlaufenden unweigerlich in sie reintreten. Im Internet kursiert sogar die Geschichte einer Frau, die ihre Beute im Klo runterspülte und sie ein paar Stunden später quicklebendig und in Horden auf den Badfliesen wiederfand. Schneckliche Rache.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: