Null Acht Neun:Münchner Weinsinn

Lesezeit: 2 min

Nicht nur die Mieten und die Bierpreise steigen, auch das Glas Wein wird in den Restaurants der Stadt dauernd teurer - der Sturm der Entrüstung aber bleibt aus

Kolumne von Christian Mayer

Neulich, auf einer Dachterrasse eines der schönsten Hotels dieser Stadt: Glückliche Münchnerinnen schwenken ihre Gläser, sie tragen Sonnenbrillen im Haar und feiern den glücklichen Entschluss, dass sie dieses Mal nicht nach Ibiza, auch nicht nach Thessaloniki oder nach Lissabon geflogen sind. Monaco di Baviera im August, das Isar-Rauschen mit den wilden, warmen Nächten - das ist doch das höchste der Gefühle, oder? Dann machen die Mädels noch ein paar Selfies vor der atemberaubenden Kulisse.

Ja, das Leben in dieser Stadt kann herrlich sein. Bis die Rechnung kommt: vier Mal "Frozé", macht bitte 64 Euro. Ist schließlich der Sommerdrink des Jahres, ein bisserl gefrorener Rosé, fruchtig präsentiert - das kann man sich ja schon mal was kosten lassen. Die Damen schlucken ein wenig, dann lachen sie und machen noch ein Beweisfoto von der Rechnung, weil das dann doch der Wahnsinn ist.

Na ja, es ist eher der ganz normale Wahnsinn, denn bei den Weinpreisen in dieser Stadt gibt es kein Halten mehr; die Weinpreise steigen jedes Jahr noch etwas heftiger als die Mietpreise, was die Gastronomen sehr gut begründen können. Die hohen Pachtkosten, einerseits, und dann kostet natürlich auch der hauseigene Sommelier, den jedes etwas bessere Lokal zu Fortbildungen nach Frankreich schickt, außerdem hat man ja direkte Kontakte zu diesen mehrfach ausgezeichneten und zugleich sehr exklusiven Öko-Winzern in Südtirol und sonstwo. All das spiegelt sich im Glas.

Neulich, in einem Lokal in der Residenzstraße. Alles wieder mal sehr schön hier, tolles Design, maximale Weinkennerschaft bei den Gästen und beim Personal. Glückliche Münchner schwenken ihre Gläser, in denen der Müller-Thurgau, "erste Lage", schimmert, 0,15 Liter für 7,20 Euro. 0,15 Liter? Können wir das nächste Mal vielleicht auch mal 0,175 Liter haben? Solange sich keiner beschwert, kann man dem Wirt nur gratulieren zu der genialen Idee, eine neue Maßeinheit in München etabliert zu haben. Aber wenn in einem anderen Önologen-Stüberl am Viktualienmarkt 0,1 Liter Silvaner sechs Euro kosten und der Szeneladen am Promenadeplatz, in dem die Preise nicht gepfeffert, sondern getrüffelt sind, 8,50 Euro für einen winzigen Prosecco Aperol verlangt, sollte man sich nicht mehr wundern, dass auch der sonst eher bescheidene Lieblingsitaliener bei den Getränken noch ein wenig anzieht.

Bald schon wird der Tag kommen, an dem die Mass Bier auf dem Oktoberfest billiger sein wird als das Glas Weißwein, sauber eingeschenkte 0,2 Liter, in einem Durchschnittslokal in Haidhausen. Aber anders als beim Bierpreis auf der Wiesn gibt es keinen Aufschrei, keinen Sturm der Entrüstung, nur das gelegentliche Granteln einzelner Gäste auf Bewertungsportalen im Internet.

Vielleicht hat die Münchner Weinpreis-Abzocke ja auch was für sich: Man kann jeden Schluck, jeden kostbaren Moment noch etwas mehr genießen. Und trinkt dann umso lieber etwas weniger.

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: