Null Acht Neun:München macht sich fein

Ein Zauber liegt über der Stadt. Es ist die Zeit der Öffnung, der Feier

Kolumne von Ulrike Heidenreich

In diesem Herbst zieht München seine schönsten Kleider an. Efeu und Wein färben die Fassaden rötlich, in den Gläsern bei Premierenempfängen schillern Champagner und Rosé. Die Herren bürsten ihre angestaubten Anzüge aus und stecken in die Taschen Zettel, auf denen sie Grußworte vorbereitet haben. Die Damen tun dies ebenso, wer die Rede als Gastgeberin nicht auswendig drauf hat, legt sie in die Handtasche. Die farblich abgestimmte Maske zum lange vermissten Abendkleid oder Smoking muss manchmal nur noch als mögliches Accessoire dienen. Denn München macht sich fein und frei, 3G ist das verheißungsvolle Kürzel. Es ist die Zeit der Öffnung, der Feier. Die Körkinnen und Korken knallen.

Es ist dies ein besonderes Wochenende, es sind dies besondere Wochen in der Stadt. Die zauberhafte Kunstinstallation am Odeonsplatz, bunt und luftig geknüpfte Netze, flattert davon. Es ist der Abschiedsgruß der Internationalen Automobilausstellung, die das nächste Mal die stattlichsten Plätze der Landeshauptstadt maßvoller möblieren sollte.

Währenddessen möbliert sich die Stadt neu - mit zwei Kulturhäusern, die in kurzem Abstand eröffnen, eines eindrucksvoller als das andere. Während anderswo Kunst und Gesellschaft auf den einen Termin hinfiebern, haben hier die Hausherren (sic) Abstimmungsbedarf, um sich beim Grand Oeuvre und der Gästeliste nicht in die Quere zu kommen.

Es ist ein schöner Ausnahmezustand, der die Menschen nun für den Herbst beflügelt. Die Einweihung der Isarphilharmonie vergangene Woche und die Eröffnung des Neubaus des Volkstheaters am Freitag sind das, was München lange vermissen musste. Verzaubernd schon die Anmutungen von außen, beide das Gegenteil der Schuhschachtel, jener tristen Investorenarchitektur. Verzaubernd auch drinnen, wo sich entfaltet und aufblüht, was weit ins neue Kreativviertel rundherum wirkt. Das einst unwirtliche Areal in Sendling und um den Schlachthof wird noch ein Stück mehr zu einem Hort der Fantasie und Kreativität - gäbe es hier nicht schon längst ein Schiff, das wundersam auf einer Brücke steht, müsste man es erfinden.

Das überschäumende Gefühl steckt an. In der Oper fiebern sie auf die Premiere mit wichtigen Nasen und dem neuen Intendanten hin, im Deutschen Theater ziehen sie sich den Schuh des Manitu an, die Stadt summt und brummt. Wenn man genau hinschaut, scheint sich auch das Riesenrad im Werksviertel etwas schneller zu drehen. Eine optische Täuschung? Egal. Einfach mal genießen.

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