Null Acht Neun:Im Chaos vereint

Eltern haben es gerade wirklich alles andere als leicht - und dennoch oder gerade deshalb macht ihre öffentliche Passivität etwas ratlos

Von Vera Schroeder

So richtig einfach mit der Solidarität ist es im Moment nicht für Münchner Eltern. Nach drei langen Wochen Kita-Streik ist für viele überhaupt nicht mehr klar, mit wem man sich überhaupt solidarisieren soll. Das ursprüngliche Verständnis für die Erzieher und ihre Gewerkschaften schwindet mit jedem Tag, an dem das Alltagschaos ohne Krippe, Hort oder Kindergarten organisiert werden muss. Auf der Seite der kommunalen Arbeitgeber will aber selbstverständlich auch niemand stehen. Die Stadt München, zum Beispiel, kann den Eltern im Moment nicht einmal die Betreuungsgebühren für die Streiktage erlassen und verdient quasi noch an dem Konflikt.

Vielleicht ist die Unklarheit der eigenen Position der Grund dafür, dass sich Eltern in München trotz einiger sehr bemühter Einzelengagierter so schwer damit tun, ihre Wut und die in manchen Fällen mittlerweile existenzielle Bedrohung, die dieser Streik mit sich bringt, öffentlich sichtbar zu machen.

Als vor drei Wochen via Facebook dazu aufgerufen wurde, sich am Dienstagnachmittag vor dem Rathaus zu versammeln, um Solidarität mit den Erziehern zu zeigen, meinte man zwar auf dem Weg aus der U-Bahn kurz in der Ferne kräftige "Kiiita! Kiiita!"-Rufe zu hören. Im Näherkommen entpuppten sich die grölenden Männerstimmen allerdings als die von spanische Fussballfans, die "Piiique! Piiique!" riefen. Zur Demo waren gerade mal acht Eltern mit einer Handvoll Kindern gekommen. Eine Woche später scheiterte der Versuch einer Münchner Elternbeiratsgruppe, für einen Flashmob bei einer Rathaussitzung einhundert Familien zu organisieren, um die Verhandlungen anzutreiben. Es meldeten sich einfach nicht genügend Teilnehmer. Drei Mütter, eine Oma und fünf Kinder, die die Absage nicht mehr erreicht hatte, irrten schließlich peinlich berührt durchs Rathaus.

Und auch am vergangenen Mittwoch, als die Familiennerven nach drei Wochen Streik bei allen Betroffenen blank lagen, kamen gerade mal ein paar Hundert Eltern mit ihren Kindern auf den Marienplatz zusammen. Klar wurde dort erneut, dass es keine eindeutige Elternmeinung gibt zum Thema Streik - außer, dass er möglichst bald aufhören muss. Klar wurde aber auch, dass es trotzdem wichtig ist, sich als Betroffene zu zeigen und so die Dringlichkeit des Themas deutlich zu machen. Und im Grunde geht die Frage nach der gerechten Anerkennung für soziale Berufe natürlich noch viel mehr Menschen an, als die, die aktuell vom Streik betroffen sind.

Mit anderen Worten: Eltern haben es gerade wirklich alles andere als leicht - und dennoch oder gerade deshalb macht ihre öffentliche Passivität etwas ratlos. Klar, neben Betreuungsausnahmesituation, Großeinkauf und Pfingstferien bleibt wenig Zeit, um sich um mehr zu kümmern als das eigene Chaos. Aber wenn es schon mal eine Demo gibt, die einen so direkt betrifft, dann geht man da gefälligst auch hin.

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