Null  Acht Neun:Harlaching Blues

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Wenn es gut läuft beim FC Bayern, wird das Trainingsgelände von Fans belagert. In dieser Woche war das anders

Von Christian Mayer

Wenn man in Harlaching direkt gegenüber der Bayern-Zentrale wohnt, kennt man die Spieler des ruhmreichen FC Bayern vor allem als makellose Siegertypen, denen kein einziger Schweißtropfen anhaftet. Im Schaufenster des Vereins wirken sie wie die griechischen Götter in der Glyptothek: ein wenig zu ernst für ihr Alter, ein wenig zu steif für ihre Athletik. Müller, Ribéry, Thiago, Schweinsteiger, Neuer, Robben und Lewandowski - in der Heldengalerie haben sie alle diesen Killerblick, dieses vorgereckte Kinn. Selbst der sehr liebe Philipp Lahm, der sich immer brav an die Tempo-30-Regelung in der Säbener Straße hält, schaut auf dem Werbefoto nahezu gefährlich aus, mit einem leichten Zug ins Melancholische.

Die Nachbarn wissen aus Erfahrung: Läuft es gut beim FC Bayern, und so gut wie immer läuft es gut, seit der schöne Spanier der Chef ist, kommen am Wochenende Hunderte Fans, die einem die Parkplätze wegnehmen und dann rüber in die Säbener Straße pilgern. Ganze Familien steuern dann das Heiligtum an. Vater, Mutter, Söhne, Töchter, in voller Bayern-Kluft, damit das Selfie auch was hermacht. Stundenlang warten sie darauf, dass einer der Helden aus der Tiefgarage fährt und kurz mal für ein Autogramm anhält, der süße Alaba oder der lustige Ribéry, bei denen geht sogar was, wenn sie direkt aus der Reha kommen. Die Besucher starren auch gerne andächtig durch das Tor in Richtung Trainingsplatz, obwohl dort etliche Pflanzenkübel die Sicht versperren, weil der schöne Spanier mit seinen Männern gerne ungestört bleibt, aber sei's drum, der Besuch in der Säbener Straße ist und bleibt ein auratisches Erlebnis.

In dieser Woche, nach dem tragikomischen Dienstagabend im Pokal, war alles ein wenig anders. Die Säbener Straße hatte den Blues. Die Stimmung war gedämpft, der Fanshop leer. Die wenigen Anhänger und Angestellten, die sich kurz mal blicken ließen, standen im Regen, mit herunterhängenden Köpfen; sie wirkten so ausgeknockt wie Lewandowski nach dem Dortmund-Spiel. Ein aus der frühen Effenberg-Ära übrig gebliebener Fan hatte sein Meister-Trikot bewusst zu Hause gelassen, auf seinem T-Shirt stand der Spruch: "Ich bin aufgestanden und angezogen - was wollt ihr noch?" Selbst die Fernsehreporter, die immer dann mit ihren Mikrofonstangen den Fahrradweg in der Säbener Straße versperren, wenn etwas Dramatisches bei den Bayern passiert ist, hatten keine Lust auf Sprüche, sie sahen sich nur fassungslos an.

Als Nachbar des FC Bayern, der sich einen Funken Mitgefühl bewahrt hat, hofft man nun auf ein Wunder in der Champions League. Man hofft darauf, dass die Spieler in der kommenden Woche wieder etwas mehr den Werbefiguren aus dem Schaukasten ähneln, den Mia-san-mia-Helden. Vor allem aber hofft man, dass es nie wieder ein Elfmeterschießen gibt.

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