Null Acht Neun:Hamster Bobbys letzter Gram

Egal ob Aquarium-Haifisch, Meerschweinchen-Papa oder das deprimierte Nagetier Bobby - wenn Tierbesitzer im Urlaub sind, spielen sich daheim echte Dramen ab

Kolumne von Andreas Schubert

Es gibt Menschen, die im Urlaub keine Zeitung lesen, weil sie sich einfach mal ein bisschen seelisch erholen wollen von allen großen und kleinen Katastrophen dieser Welt. Und weil sie keinesfalls Geschichten wie die vom Bekannten W. lesen wollen, die mal wieder beweist, dass das Urlauben so seine Risiken hat. Folgendes Drama spielte sich in W.s Haus ab: Die Nachbarn haben ihn gebeten, sich während ihres Urlaubs um das Aquarium zu kümmern. W. tut dies mit bestem Wissen und Gewissen, bisher musste nur ein einziger Fisch dran glauben, den W. mangels aquaristischen Know-hows einfach Haifisch nannte. Als er Haifisch nach dessen überraschendem wie rätselhaftem Ableben der Münchner Kanalisation übergab, sei dies für ihn durchaus ein einschneidendes Erlebnis gewesen, berichtet W. Schließlich sei dies die erste Klobestattung gewesen, der er jemals beiwohnte und die er selbst durchführte. W. tröstet sich nun damit, dass Haifisch ohnehin kein angenehmer Zeitgenosse gewesen sei und sein unrühmliches Ende nicht ganz unverdient war, nicht zuletzt weil er es nicht lassen konnte, kleinere Fische durch unmotiviertes Beißen zu drangsalieren. Zu allem Überfluss zicke nun auch die Pumpe des Aquariums, berichtet W. Kann gut sein, dass er noch öfter den Bestattungsknopf drücken muss.

Ähnlich erging es einst dem Kollegen K., der auf eine vierköpfige Meerschweinchenfamilie aufpassen sollte. Auch K. entwickelte einen gewissen pflegerischen Eifer, fütterte die Tiere, hielt den Käfig sauber - und dann das: Eines Morgens fand er den Meerschweinchen-Papa tot, während der Rest der Familie unversehrt vor sich hin mümmelte. K. zeigt sich noch viele Meerschweinchengenerationen später erschüttert von dem traurigen Anblick, der sich ihm bot. Was sollte er nun mit der Leiche anfangen? Durch den WC-Abfluss würde das Tier nicht passen, außerdem kam dies K. zu pietätlos vor. Also entschloss er sich, das verstorbene Meerschweinderl im Eisschrank einzufrieren, sodass die beiden Mädchen, deren Spielkamerad es war, es nach dem Urlaub feierlich im Vorgarten würden begraben können. Das taten sie dann auch. Was sie nicht taten: K. jemals wieder irgendetwas anzuvertrauen, keinen Kaktus, nichts.

Mit Geschichten wie diesen ließen sich viele Bücher füllen. Die vielleicht traurigste ist die vom Hamster Bobby, dessen Besitzer ins Ausland gegangen sind und ihn bei der Kollegin G. in Pflege gaben. Morgens zum Abschied war Bobby noch munter wie eh und je, aß, putzte sich - alles was so ein Hamsterleben eben angenehm macht. Doch kaum saßen Herrchen und Frauchen im Flugzeug, grub er sich eine Kuhle, legte sich hinein und entschlief, wie G. mit Tränen in den Augen erzählt.

Bobby ist vermutlich aus Gram gestorben, ebenso Haifisch und Papa Meerschwein und viele andere von ihren Besitzern allein gelassene Viecherl. Und wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum es jeden Sommer unzählige Topfpflanzen dahinrafft. Den Nachbarn ist jedenfalls kein Vorwurf zu machen, wenn nach dem Urlaub alles vertrocknet ist. Sie können schließlich nichts dafür, wenn die deprimierten Tomaten auf dem Balkon die Nahrungsaufnahme verweigern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: