Null Acht Neun:Fragen, die das Amt bewegen

Was sein darf und was nicht, das bestimmt in München das KVR. Eine Freischankfläche auf dem Parkplatz? Ausnahmsweise. Dazu eine Lichterkette überm Kopf? Das geht zu weit

Kolumne von Laura Kaufmann

München ist die Stadt, die mit dem seltsamen Kritikpunkt leben muss, zu sauber zu sein. Das Amt, das für die Beibehaltung dieses Zustands sorgt, ist das Kreisverwaltungsreferat. In einer Reihe von Verordnungen ist vorgeschrieben, was sein darf und was nicht. Wie hoch kann ein Bäumchen neben der Tür eines Restaurants wachsen, wie viele Zentimeter Gehweg der Pflanzentrog dabei versperren? Es sind keine Fragen, die die Welt bewegen, mit denen sich dieses Amt von Amts wegen herumschlägt. Obendrein sind es meist unpopuläre Entscheidungen, die es durchsetzen muss, etwa: Der Baum steht einen halben Zentimeter zu weit in den Weg hinein. Er muss weichen. Ein Gast ist mit seinem Stuhl über die Abgrenzung der Freischankfläche hinausgerutscht. Der Wirt muss Strafe zahlen. Unpopulär, wie gesagt. Vertreter der Behörde, hier und da verärgert nach der Logik gefragt, zucken gern mit den Schultern, so seien eben die Regeln.

Und dann passiert plötzlich das Unfassbare, die Regeln ändern sich. Von heute auf morgen. Da, wo Parkplätze waren, sprießen auf einmal Lokalterrassen aus dem Boden, und die werden auch noch verziert. Mit Blumen hier, mit Lichterketten und bunten Schirmen da. Sogar mit Bäumen! Die arme Behörde, sie kommt kaum hinterher. Manche Parkplatzterrassen wurden schon öfter kontrolliert als die Einhaltung der Hygienevorschriften des dazugehörigen Lokals seit dessen Bestehen. Das kann doch nicht rechtens sein, dieser Outdoor-Villa-Kunterbunt-Wildwuchs?

Auf das KVR ist Verlass, und so hat es dabei nun einen gängigen Verstoß gefunden. Es sind keine Bäume, sondern die Lichterketten. Genauer gesagt, nicht die Lichterketten an sich. Aber das Kabel, das die Lichterkette mit Strom versorgt. Das darf nicht auf dem Gehweg verlaufen, weil das den Durchgang behindert. Aber auch nicht über Kopf, weil das eine eigene Sondernutzungserlaubnis bräuchte, eine Sondernutzung zur Sondernutzung quasi. Briefe wurden eilends verschickt, bei Nicht-Entfernung drohe ein Ordnungswidrigkeitsverfahren. Regel ist Regel. Ob ein Kabel in zwei Meter Höhe nun stört oder nicht. Aber die ersten Solarketten und Powerbanks, die Kabelverbindungen überflüssig machen, sie sind schon bestellt. Denn München, bei aller Ordnungs- und Sauberkeitsliebe, findet immer einen Weg, um zu leuchten. Jetzt erst recht.

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