Null Acht Neun:Dschungel statt Dackel

Die Zukunft der Zamperl ist bedroht. Statt Haustieren liegen zunehmend Hauspflanzen im Trend. Das könnte Folgen haben für Münchens Traditionshund

Kolumne von Laura Kaufmann

Als treuer Begleiter stand dem Münchner stets sein Dackel zur Seite. Dem Spaziergänger Blasius lief einer hinterher, "Olympia-Waldi" diente als Maskottchen der Olympischen Spiele 1972, und das Valentin-Karlstadt-Musäum widmete dem Traditionshaustier unlängst die Ausstellung "Vorsicht! Dackel". Der Münchner und sein Zamperl, unzertrennlich, ein Traumteam. Aber wird das auch so bleiben? Ist dem überhaupt noch so?

Wer einen Hund hat, der kann in München gleich noch Schlagzeug spielen oder Kette rauchen - all das kommt bei Vermietern weniger gut an. Wer nicht zufrieden im Eigenheim sitzt, hält sich also mit derlei Zeitvertreib lieber zurück. Sieht man Wohnungsgesuche von Menschen, die "einen wirklich ganz lieben" Hund mitbringen wollen, laut Beschreibung einen nahezu ausgestopft ruhigen, ist das meist ein höchstens knöchelhohes Tier, nicht einmal ein Dackel, sondern ein chihuahuahaft modehundiges Wesen. Schwierig ist es selbst mit dem rattenartigsten Winzhund, die meisten Anzeigen schließen Haustiere von vornherein aus. Die Liebe zum treuesten Begleiter des Münchners, sie verträgt sich nicht gut mit dem Mietmarkt.

Vielleicht also wird das Valentin-Karlstadt-Musäum in zehn Jahren eine Ausstellung mit dem Titel "Vorsicht! Monstera" abhalten. Die Monstera - als Information für alle, die immer noch lieber Schlagzeug spielen, als die Abgründe von Instagram zu erforschen - war die Trendpflanze des vergangenen Jahres. Pflanzen machen keinen Lärm, zerkratzen keine Möbel und brauchen keinen Auslauf. Pflanzen sind die neuen Haustiere, auch und besonders für Münchner. Instagram-Sternchen inszenieren sich im Botanischen Garten, eine der Galionsfiguren des "Urban Jungle"-Trends, Igor Josifovic, bloggt von München aus, wo er mit mehr als hundert Pflanzen zusammenlebt. Denn der Trend zur Zimmerpalme funktioniert nach dem Prinzip je mehr, desto besser. Ein Dschungel für Zuhause. Nachteil: Das nimmt viel Platz weg. Und Platz ist in München bekanntermaßen Mangelware. Während also die Sturheit des Dackels den ein oder anderen Besitzer schon in den Wahnsinn getrieben haben soll, ist es jetzt nur noch eine Frage der Zeit, bis der erste Schuhschachtelbewohner den Kopf aus seinen Farnen herausreckt und brüllt: Ich bin ein Münchner, holt mich hier raus!

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