Es ist ein sensationeller Fund: Bei den Erdbohrungen für die zweite Stammstrecke am Marienhof haben Arbeiter in einer alten Schuhschachtel ein stark vergilbtes Schriftstück entdeckt, auf dem die Münchner Stadtgestaltungskommission am 6. Januar 1733 ihre Stellungnahme zum geplanten Bau der Asamkirche kundtut. Das brisante Dokument wurde der SZ zugespielt und von unserem Hausboten, einem promovierten Moraltheologen, in modernes Deutsch übertragen. Die Kommission, in der noch heute dieselben Leute sitzen, schreibt:
"Die Gebrüder Egid Quirin (geb. 1692) und Cosmas Damian Asam (geb. 1686) beabsichtigen, in der Sendlinger Straße neben dem Wohnhaus des Herrn Quirin Asam eine dem heiligen Nepomuk geweihte Privatkirche zu errichten. Die Pläne liegen vor, müssen aber erheblich modifiziert werden. Die auftrumpfende Fassade zur Sendlinger Straße mit Pilastern, Säulen und dem völlig überdimensionierten Fenster nimmt nicht die geringste Rücksicht auf den schlichten Charakter der Nachbargebäude und der gesamten Straße. In unerträglicher Weise verschandelt wird das historisch gewachsene Münchner Stadtbild zudem durch den architektonisch unmotiviert geschwungenen Hauptgiebel, unter dem zwei völlig funktionslose Engel angebracht sind, die zusammen mit der Figurengruppe über dem Portal der gesamten Fassade einen unruhigen, ja geradezu flattrigen Eindruck verleihen, der unsere guten Münchner Bürger verschrecken könnte. Auf keinen Fall genehmigungsfähig ist der aufs Dach gesetzte Glockenturm, der die Sichtachse vom Hauptturm des Sendlinger Tores zur Frauenkirche empfindlich beeinträchtigen würde, was nicht zuletzt den Stadttorwächtern ein steter Dorn im Auge wäre. Die unbehauenen Felsblöcke links und rechts neben dem Eingang ragen vorschriftswidrig über die Baulinie hinaus auf die Straße, so dass Staus und Unfälle unvermeidlich sind, insbesondere an Tagen, an denen der Kurfürstliche Hof und der Bischof mit Lebendsäuen aus dem Oberland und italienischem Wein beliefert werden.
Generell widerspricht die Kirche der Asams dem auf rechten Winkel und toten Flächen basierenden Münchner Architekturstil, der sich seit Menschengedenken bewährt hat. Es ist unübersehbar, dass es den Gebrüdern Asam an fachlicher Kompetenz fehlt. Sie wären gut beraten, das Projekt in die Hände der monotoniebegabten Architekten aus dem Umfeld der Stadtgestaltungskommission zu legen. Um den beiden Bauherren ein Beispiel zu geben, welche gestalterische Qualität die Kommission erwartet, legen wir diesem Schreiben eine Schuhschachtel des Kurfürstlichen Hoflieferanten Tretter bei."
So weit die Stadtgestaltungskommission im Jahr 1733. Warum es den Brüdern Asam dennoch gelang, München mit origineller Architektur zu verhunzen, wird im Rathaus derzeit untersucht. Offenkundig handelt es sich bei der Asamkirche um einen Schwarzbau, der abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden muss. Als Vorbild könnten die mustergültigen Gebäude des Arnulfparks dienen.