Null Acht Neun:Bleibt alles anders

"Hell wie der lichte Tag", so lautet der Werbeslogan von Osram, der seit 60 Jahren an dem Gebäudeensemble am Stachus prangte. Daran ist nun am helllichten Tag eine Tat begangen worden, die für manche einem Verbrechen gleichkommt

Kolumne von Anna Hoben

Bei dem Firmennamen Osram handelt es sich um ein sogenanntes Kofferwort, das sich aus den chemischen Elementen Osmium und Wolfram zusammensetzt. Der österreichische Chemiker und Schöpfer der Marke Osram, Carl Auer von Welsbach, leistete einst einen wichtigen Beitrag zur Erfindung der Glühlampe. Für die in diesem Jahrtausend Geborenen: Das waren jene birnenförmigen Lichtquellen, mit denen man grob in der Zeit zwischen Kerzen und Handy-Displays die Räume erleuchtete.

"Hell wie der lichte Tag", so lautet der Werbeslogan des Münchner Unternehmens Osram, der als aus Leuchtröhren bestehender Schriftzug seit 60 Jahren an dem Gebäudeensemble am Stachus prangte. Einmal links: "Osram - hell wie der lichte Tag - Osram". Und einmal rechts: "Osram - hell wie der lichte Tag - Osram". Das war vor allem wegen der Verwendung des Adjektivs licht nicht ohne einen gewissen Charme; ein Wort, das heute in einem Museum der Wörter zu suchen wäre und nur noch in Verbindung mit hell gebräuchlich ist, nämlich dann, wenn es um ein Verbrechen geht: "Es geschah am helllichten Tag."

Am helllichten Tag ist nun in dieser Woche am Stachus eine Tat begangen worden, die für manche in der Stadt einem Verbrechen gleichkommt. Die Firma Osram hat ihren Schriftzug entfernt, und zwar ohne vorher alle Münchner zu befragen. Sie hat dies getan, nachdem sie den Schriftzug mit LED-Technologie modernisieren wollte, wegen des Klimaschutzes, und die Stadt es nicht genehmigte, wegen des Denkmalschutzes. Falls die Verwaltung die Reklame schon länger loswerden wollte und nur nicht wusste, wie, könnte man sagen, dass sie die Gelegenheit ganz geschickt genutzt hat.

Der darauf folgende Aufschrei in den sozialen Medien aber war ungefähr so, als wäre über Nacht das Schloss Nymphenburg abgerissen worden. "München hat ein Wahrzeichen weniger. München ist nicht mehr das, was es mal war. München wird immer weniger attraktiv. Tradition hat in München ja schon längst verloren." Ohne Leuchtreklame scheint der Stachus zu einem Stück Dunkeldeutschland zu werden. Man könnte dem manches entgegnen. Dass man das neobarocke Rondell ohne Werbung eventuell ästhetischer finden könnte als mit. Oder dass München ja wohl kaum im Verdacht steht, dereinst als jene Stadt in die Geschichtsbücher einzugehen, in der die Tradition als erstes starb. Doch gegen das "Alles soll so bleiben, wie es ist"-Phänomen, das immer dann seinen Auftritt hat, wenn sich etwas im Stadtbild verändern soll, hat all das wenig Chancen.

Die CSU hingegen wittert nun ihre Chance. In einem Anflug größter Bürgernähe bittet sie die Verwaltung in einem Antrag, "erneut mit Osram in Kontakt zu treten, um eine pragmatische Lösung für den Verbleib des Schriftzugs am Stachus zu finden". Der sei "inzwischen ein etablierter und für die Münchner Bevölkerung identitätsstiftender Bestandteil des Ensembles am Stachus". Bedenken des Denkmalschutzes müssten "in Relation zu dieser Traditionslinie gewichtet werden". Vielleicht werden die Buchstaben also wieder aus dem Lager geholt. Und alles kann endlich so werden, wie es war.

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