Null Acht Neun:Bienen, Burger und Basilikum

Insekten sind überall bedroht, charmante Cafés vor allem in München - und vielleicht haben die beiden Phänomene sogar etwas miteinander zu tun

Kolumne von Laura Kaufmann

Das Rathaus betreibt jetzt Urban Gardening und züchtet Salbei, Süßkartoffeln und Basilikum auf dem Balkon. Als Nektar-Buffet sozusagen, aus Liebe zu den Bienen, nicht für regionale Bio-Mahlzeiten in der Kantine. Bienen sind bedroht, niemand will, dass sie aussterben, und dass die Münchner in einer fernen Zukunft, vielleicht als Gegenleistung für ein fast bedingungsloses Grundeinkommen, mit kleinen Pinseln von Blume zu Blume hasten müssen, um die Bestäubung per Hand vorzunehmen.

Letzten Sommer wäre für einen solchen Blütendienst kaum mehr Zeit geblieben. Da war der Münchner vornehmlich damit beschäftigt, Kaffeesatz auf dem Balkon abzufackeln, Ballabeni-Eiscreme und pappige Kinderhände zu schützen und auf das Gras am Isarufer zu starren, um nicht auf ein goldbraun oder schwarzgelb geringeltes Stechviech zu treten.

Im Alltag macht sich das Insektensterben nämlich bisher wenig bemerkbar. Die Welt ist komplex geworden, Alltagsbeobachtungen führen nicht unbedingt zu logischen Schlussfolgerungen, was manchmal verwirrend ist. Wer sich schlechten Gewissens über die Ankündigung eines weiteren Dürresommers gefreut hat, wegen der vielen lauen Abende an der Isar und auf Restaurantterrassen, der hat den Frühling vor lauter grauen Wolken nicht gesehen - und nein, trotzdem ist das Klima nicht gerettet. Schade, aber Restaurantterrassen sind sowieso vom Aussterben bedroht, weil die Pachten unbarmherzig steigen wie die Mieten - und urige Nachbarschaftskneipen und niedliche Cafés ihre Räume für Pizza- und Burger-Ketten räumen müssen, denn Pizza und Burger gehen immer. Wer nicht zur Finanzierung etwa ein großes Hotel im Rücken hat, hat eben Pech gehabt. Was die Gastroszene in naher Zukunft wieder aufwerten könnte, denn Hotels werden zweifellos genügend gebaut.

Allerdings ist München nicht gerade von Overtourism bedroht, wer wird abseits der Wiesn in all diesen Zimmern wohnen? Richtig schön ist es hier bald auch nicht mehr, wenn irgendwann jeder kleine Laden und jedes kleine Café durch eine große Kette ersetzt wurde, und noch dazu Bienen nur mehr im Zoo zu besichtigen sind. Vielleicht platzt in einer fernen Zukunft die Hotelblase, die Zimmer werden zu Spottpreisen angeboten, und der Münchner wohnt statt in einer überteuerten Wohnung einfach in der Präsidentensuite des Mandarin Oriental, bestäubt tagsüber Blüten als Grundeinkommensdienst und googelt später, als Abwechslung zur Pizza-Burger-Diät, neue Rezepte für Süßkartoffel mit Salbei und Basilikum, weil das Nektarbuffet in letzter Konsequenz die ganze Stadt zugewuchert hat. Ob das überzogen ist? Nur eine logische Schlussfolgerung von Alltagsbeobachtungen.

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