Tanz:Gemischtwarenabend

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Am Nürnberger Staatsballett haben die Choreografen Marco Goecke, Jacopo Godani und Goyo Montero drei ihrer Arbeiten kombiniert. Das Ergebnis ist durchwachsen.

Von Eva-Elisabeth Fischer, Nürnberg

Ein gemischter Ballettabend gerät fast immer zum Gemischtwarenladen: Es prallen drei Stücke meist sehr unterschiedlicher Choreografen aufeinander - divergierende Tanzsprachen, Temperamente und inhaltliche wie emotionale Gewichtungen. Manchmal passt das, manchmal aber auch nicht. In Nürnberg passt's. Was Marco Goecke, Jacopo Godani und Nürnbergs Ballettchef Goyo Montero eint, ist die ambitionierte Auswahl unterschiedlichster Musiken als Inspirationsquelle. Den Anfang macht der ubiquitäre Goecke, Ballettchef in Hannover und artist in residence bei Gauthier Dance in Stuttgart. (Er gibt übrigens in München nach seiner fantastischen "La Strada" am Gärtnerplatztheater kommende Spielzeit sein Staatsballett-Debüt.) Sein nur 15-minütiges Stück "Woke up Blind", uraufgeführt vor fünf Jahren beim Nederlands Dans Theater, verhandelt die Unmöglichkeit von Beziehungen zu den tiefschwarzen Jazzballaden des mit nur 31 Jahren gestorbenen amerikanischen Singer-Songwriter Jeff Buckley.

Nein, es gibt kein Zueinanderfinden. Eine Frau umkränzt mit ihren Armen den Kopf eines Mannes - und geht ab. So wie alle potenziellen Partner, egal ob Mann oder Frau, ganz schnell wieder weg sind, bevor etwas Gemeinsames beginnen könnte. Unterfüttert von Buckleys baritonaler Spiritualstimme verfangen sich diese Einzelwesen, die nur Momente lang aufeinandertreffen, in bioenergetischem Zittern. Sie retardieren ihren gleichsam automatischen Bewegungsdrang fast bis zum Stillstand, schwenken scheinbar gelenklose Arme, beantworten Jeff Buckleys finalen Scat-Gesang überprononciert mit scharfkantigen Gliederstakkato: Fünf Männer und zwei Frauen, durch Marco Goeckes unerbittlichen Bewegungshäcksler gejagt.

Das Komplexe, das Schwierige findet sich im zweiten Stück des Abends primär in der Musik, Béla Bartóks viertem Streichquartett in fünf Sätzen. Jacopo Godani, Bill Forsythes Nachfolger als Chef der Dresden Frankfurt Dance Company und im Programmheft vollmundig als Weltstar unter den Choreografen tituliert, geht bei seinen "Metamorphers" mimetisch zu Werke. Bartóks "Brückenform", die Synthese von ungarischer Volks- und klassisch-romantischer Kammermusik, übersetzt er in vielfältigen Variationen für 13 Tänzerinnen und Tänzer als Amalgam der danse d'école und zeitgenössischem Tanz. Allein - und dies gewiss nicht zum ersten Mal - es fehlt der zündende Funke, der tadelloses, ja stupendes Handwerk über sich selbst erhebt.

Erleichtertes Ausatmen ermöglicht der Chef der Kompanie Goyo Montero mit "Blitirí" unter einem Himmel voller regengrauer Luftballons, die am Ende für den keineswegs nur harmlosen Knalleffekt sorgen. Turbulent geht es zu in dieser einzigen Uraufführung des Abends, burlesk, kunterbunt und nicht nur in den Kostümen gender-neutral zu Mozarts derb-lustigen Klaviervariationen über Christoph Willibald Glucks Thema "Unser dummer Pöbel meint". Die hat weiland Friedrich Gulda in trefflicher Eleganz noch mal maliziös vergröbert. Eine treffliche Vorlage für Monteros schillernde Tanzturbulenzen.

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