Süddeutsche Zeitung

Jazz-Festivals:Dem Sound auf der Spur

Münchner Fans pilgern zum NueJazz Festival nach Nürnberg, machen sich auf zu den Jazztagen nach Ingolstadt, zu Pepe Romeros Meisterkonzerten nach Ottobrunn oder feiern daheim in Schwabing bei 20 Jahre Jazzkombinat die hiesige Szene.

Von Oliver Hochkeppel

NueJazz Festival

München hat bekanntlich seit geraumer Zeit kein richtiges Jazzfestival mehr - was sich im kommenden Jahr übrigens ändern soll. Die Münchner Jazzfans schwärmen daher regelmäßig aus. Wer dabei auf der Suche nach dem zeitgemäßesten, weil genreübergreifenden und neben etablierten Innovatoren auch die meisten Entdeckungen präsentierenden Festival ist, der dürfte sich schon seit Jahren das NueJazz Festival in Nürnberg dick anstreichen. Das Team um den Gitarristen Frank Wuppinger und den Bassisten Marco Kühl hat auch heuer ein fulminantes Programm zusammengestellt.

Das geht schon beim "Warm-up" am 22. mit dem Hammond-Orgel-Großmeister Delvon Lamarr und dem Fusion-Trio ToyToy mit Sinti-Gitarrist Giovanni Weiss als special guest gut los. Nach dem traditionellen Bruno-Rother-Preisträgerkonzert, diesmal unter dem Motto "The Music and Lyrics of Bob Dylan" am 25., trifft tags darauf der ägyptische Oud-Virtuose auf den amerikanischen Piano-Star Christian Sands. Bereits ausverkauft ist der große Saal der Kulturwerkstatt Auf AEG am 27. bei Matthias Eick und Julian Lage. Nebenan im "Labor" kann man noch bei freiem Eintritt zu den local heroes The Big Leppinsky und dem Duo Béatrice Kahl & Gaby Schenke, das sich am Verjazzen von NDW-Songs versucht. Die zwei fettesten und spannendsten Festival-Tage folgen am 28. und 29. mit jeweils sieben Acts: vom Saxofonisten Paul Scheugenpflug, dem äthiopisch-ukrainischen Damentrio Fo Sho oder dem israelischen Multiinstrumentalisten Ron Minis bis zum Hamburger Sextett We Don't Suck, We Blow!, dem australischen Performer Ziggy Zeitgeist, der US-Sängerin Melanie Charles und abschließender Club-Night.

Besonders zeitgemäß ist dabei ein London-Schwerpunkt, gilt doch dessen Szene derzeit als besonders "hot". Was in Nürnberg Songwriterin Rosie Frater-Taylor (gerade erst in Salzburg zu sehen), das Seed Ensemble, die Afro-Jazzer Balimaya Project und das Neue Grafik Ensemble feat. Brother Portrait, der Schlagzeuger Yussuf Dayes sowie als "Afterburner" am 9. November Saxofon-Star Shabaka Hutchings mit seinem Trio The Comet Is Coming unter Beweis stellen.

NueJazz Festival Nürnberg, Sa. bis Mo., 22. bis 30. Okt., E-Werk Erlangen, Kulturwerkstatt Auf AEG und Z-Bau

Jazztage Ingolstadt

Was im Frühjahr die Jazzwoche Burghausen ist, das sind im Herbst die Jazztage Ingolstadt: die wichtigste bayerische Anlaufstelle für Jazzer. Wobei beide Festivals nicht erst seit Corona um den Anschluss kämpfen. Insbesondere das (vielleicht mit Ausnahme des Pianisten Harald Lopez-Nussa) doch sehr abgehangene Programm der Welcome- und Jazz-Nights vom 3. bis 5. November im NH Hotel - seit jeher Kernstück des Festivals neben dem Kneipen-Remmidemmi des "Jazz in der Altstadt" - belegt den unguten Einfluss von kulturpolitischen Richtungswechseln in der Stadtspitze. Spyro Gyro ist seit 45 Jahren im Fusion-Geschäft, die Jazzkantine seit 30, fast genauso lange Nils Landgren mit seiner Funk Unit, Lee Ritenour bearbeitet die Gitarrensaiten seit 60 Jahren. Für die ausgefallenen Rekord-Veteranen Tower of Power sind jetzt die "erst" vor 25 Jahren gegründeten DePhazz am Start. Immerhin kommen fast alle mit neuen Projekten und Alben, so wie sich die Jazz/Takes Supergroup mit Bill Evans, Niels Lan Doky, Darryl Jones und Harvey Mason erst unlängst zusammengefunden hat.

Drumherum gibt es in Einzelkonzerten Topstars wie Melody Gardot (3. 11.), Jamie Cullum (7.11.) und zum Abschluss Max Mutzke mit Marialy Pacheco. Alles aller Ehren wert, aber noch mehr frische junge Gesichter wie Nico Theo (9.11.), die gut versteckten und verteilten heimischen "Young Jazz"-Bands und der traditionell eröffnende Ingolstädter Jazzförderpreisträger, diesmal am 22. Oktober der Schlagzeuger Quirin Birzer, täten Not. Samt einem modernen Konzept.

Jazztage Ingolstadt, Sa., 22. Okt., bis Sa., 12. Nov., verschiedene Spielorte

Ottobrunner Konzerte

Seit längerem schon müssten die künstlerischen Leiter Johannes Tonio und Cornelius Claudio Kreusch die "Ottobrunner Konzerte" eigentlich in "Ottobrunner Festivals" umtaufen. Ob bei "Jazz and Beyond", dem "Klavier Marathon" oder schlicht dem "Gitarrenfestival" werden üblicherweise mehrere Künstler zu einem Wochenende mit Konzerten und Workshops zusammengezogen. Insofern fällt der nächste Termin etwas aus der Rolle, kommt doch nur ein Musiker. Dafür aber ein echter Star: Pepe Romero ist ein Doge der klassischen und spanischen Gitarre. Mehrfach war er schon in Ottobrunn zu Gast, aber ungebrochen ist die Faszination und Beliebtheit des Meisters. Meister trifft es auch deshalb gut, weil der seit Jahrzehnten in den USA lebende Romero als Lehrer und Professor Heerscharen von Gitarristen in die Spur gesetzt hat. Insofern ist es in Ottobrunn auch ein "Pepe Romero Festival", denn schon am Tag vor dem Konzert gibt er zwei Meisterklassenkurse.

Pepe Romero, Concert & Masterclass, Sa. und So. 22. und 23. Okt., Wolf-Ferrari-Haus Ottobrunn

Jazzkombinat

Wer nun partout nicht aus München raus will, für den hat sich jetzt kurzfristig auch noch etwas aufgetan. Es gibt noch einige Münchner Jazzfreunde, die sich an das "Jazzkombinat" erinnern. Der Bassist und heutige Musikschul-Betreiber Jerker Kluge hatte von 2003 an im "Prager Frühling" (dem ehemaligen "Babalu") an der Leopoldstraße eine Mittwochsreihe unter diesem Titel eingerichtet. Im damals für den Jazz brandmodernen Format mit Live-Konzert vorwiegend junger Bands mit anschließendem DJ-Vinyl-Set. Viel später, 2017, stand sogar ein eigener Keller in der Tumbingerstraße zur Verfügung, bis dieses Projekt sich schnell im üblichen Münchner Lärmschutz- und Verwaltungsdickicht verhedderte. Zum nominell 20-jährigen Bestehen dieser Institution veranstaltet Kluge nun aber relativ spontan ein kleines Festival am 28. und 29. Oktober im Heppel & Ettlich. Acht Münchner Bands treten jeweils ab 18 Uhr im Eineinhalb-Stundentakt an: am Freitag Four for Monk, das Duo Ohta & Lindermayr, das Robert Probst Trio und das Matthias Bublath Trio, am Samstag Mingus in Wonderland, das Bastian Jütte Quartett, Odizouu and the Octarhythmic Orchestra sowie schließlich Pho Queue. Mit Moritz Stahl, Philipp Schiepek, Till Martin, Geoff Goodman, Florian Trübsbach, Matthieu Bordenave verbergen sich hinter diesen Namen viele Münchner Schwergewichte. Eine echte Plattform der hiesigen Szene also, von der es nicht mehr weit ist bis zum "Jazzfest München" der J.I.M. Jazzmusikerinitiative vom 3. bis 5. November. Aber das ist eine andere, eigene Geschichte.

20 Jahre Jazzkombinat Festival, Fr. und Sa., 28. und 29. Okt., Heppel & Ettlich, Feilitzschstr. 12

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