NS-Prozess:"Kein dringender Tatverdacht mehr"

Am dritten Tag im Prozess gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ladislav Niznansky hat Anwalt Steffen Ufer dessen Freilassung gefordert. Slowakische Zeugen scheuen unterdessen den Weg nach München.

Von Alexander Krug

Der wegen 164-fachen Mordes angeklagte mutmaßliche Kriegsverbrecher Ladislav Niznansky soll nach dem Willen seines Verteidigers aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Anwalt Steffen Ufer beantragte gestern am dritten Prozesstag die Aufhebung des Haftbefehls gegen Niznansky, da es keinen "dringenden Tatverdacht" mehr gebe. Unterdessen scheint sich auch abzuzeichnen, dass eine Vielzahl von slowakischen Zeugen nicht bereit ist, vor dem Münchner Gericht auszusagen.

Niznansky und Ufer

Am dritten Prozesstag forderte Anwalt Ufer (re.) die Freilassung von Niznansky.

(Foto: Foto: dpa)

Einer dieser Zeugen ist Jan Repasky, der als "Kronzeuge" der Anklage gilt. Der heute 78-jährige Repasky soll Mitglied der Einheit "Edelweiß" gewesen sein, die im Januar 1945 in den Dörfern Ostry Grun, Klak und im Tal Ksina bei einem Massaker 164 wehrlose Zivilisten ermordet haben soll.

Repasky hatte in seinem eigenen Prozess 1962 - bei dem er zu acht Jahren Haft verurteilt worden war - Niznansky als seinen Hauptmann bezeichnet. Dieser soll damals befohlen haben, dass "keine lebendige Seele aus dem Tal entkommen" dürfe.

Anwalt Ufer zieht indes die Glaubwürdigkeit Repaskys stark in Zweifel. Der "Kronzeuge" habe mittlerweile vier verschiedene Aussagen zu dem Geschehen von damals gemacht. Zuletzt, bei einer Vernehmung 2001, hatte Repasky behauptet, dass Niznansky bei dem Massaker in Ostry Grun eigenhändig 20 Menschen mit einer Maschinenpistole erschossen.

Ufer präsentierte dem Gericht gestern eine Aussage von Repasky aus dem Jahr 1993, die er "durch Zufall" von einem slowakischen Notar erhalten habe. Darin hat Repasky versichert, er sei mit der Einheit "Edelweiß" niemals in Ostry Grun und Klak gewesen. Er sei bei seinem Prozess 1962 von den Ermittlern zu dieser Aussage "quasi durch Folter genötigt" worden.

Angesichts der unterschiedlichen Angaben Repaskys forderte Ufer, Niznansky auf freien Fuß zu setzen. Von Verdunklungs- oder gar Fluchtgefahr könne bei einem 86-jährigen Angeklagten schließlich nicht die Rede sein. Die Staatsanwaltschaft will in den nächsten Tagen zu dem Antrag Stellung nehmen.

Probleme haben die Ankläger auch mit der Bereitschaft potentieller Zeugen zur Aussage. Repasky selbst war gestern als Zeuge geladen, hat aber wegen Krankheit abgesagt. Angeblich soll er in seiner Heimat gegenüber slowakischen Journalisten geäußert haben, er sei nicht mehr daran interessiert, dass Niznansky verurteilt werde. Auch andere Zeugen, unter ihnen angeblich auch Überlebende des Massakers, scheuen offenbar den beschwerlichen Weg nach München.

Um die Zeugen doch noch zu befragen, könnte die Kammer selbst in die Slowakei reisen, was jedoch erhebliche rechtliche Probleme aufwirft, da deutsche Richter dort kein eigenes Fragerecht haben. Möglich wäre auch ein Vernehmung per Videoschaltung, wie es schon einmal in einem anderen Fall vom Schwurgericht praktiziert wurde. Immerhin: Ein Zeuge wird für Dienstag kommender Woche erwartet. Er soll Mitglied bei "Edelweiß" gewesen sein.

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