NS-Dokumentationszentrum:Der Kubus reizt zur Kritik

Erste öffentliche Debatte: Der Siegerentwurf für das NS-Dokumentationszentrum trifft insgesamt zwar auf breite Zustimmung. Einige sind aber nicht einverstanden.

Alfred Dürr

Für die einen ist ein nüchtern wirkender Würfelbau die richtige Antwort auf die ehemaligen NS-Bauten am Königsplatz. Andere üben heftige Kritik an der Gestalt des Dokumentationszentrums über Münchens braune Vergangenheit. Bei der öffentlichen Debatte über die Ergebnisse des Architektenwettbewerbs zeigte sich: Die Zustimmung zum Siegerentwurf überwiegt.

NS-Dokumentationszentrum: Der Siegerentwurf für das NS-Dokumentationszentrum.

Der Siegerentwurf für das NS-Dokumentationszentrum.

(Foto: Foto: Haas)

Der schlichte weiße Betonkubus, mit dem das junge Berliner Architektenbüro Georg Scheel Wetzel vor zwei Wochen den Wettbewerb zur Gestaltung des NS-Dokumentationszentrums an der Brienner Straße gewonnen hat, reizt zur Kritik. Das zeigte die lebhafte Debatte am Sonntagvormittag im vollbesetzten Vortragssaal der Pinakothek der Moderne. Warum diese geradezu klinische Sauberkeit des weißen Würfels, warum gibt es nicht mehr Brüche und mehr verstörende Schrägen sowie auch Einblicke ins Innere des Zentrums, lautete eine Frage aus dem Publikum. Welche städtebauliche Funktion soll dieser Klotz, dieser Hochbunker, eigentlich haben, wollte jemand anderer wissen. Wird nicht die Ensemblesituation am Königsplatz gestört, gar zerstört? Das Gebäude schrecke sie ab, sagte eine Dame. Sie fühle sich ausgegrenzt.

Solche Aussagen trafen freilich nicht auf große Zustimmung. Der Tenor der Mehrzahl der Beiträge war positiv. Der Entwurf für das Dokumentationszentrum sei die richtige architektonische Antwort auf die Nazi-Bauten am Königsplatz. Man brauche keinen lauten Auftritt, das Haus solle ein Ort der Besinnung sein. Um die Dimensionen des Bauwerks zu verdeutlichen, solle ein Phantomgerüst mit den Umrissen aufgestellt werden, meinte ein Redner.

Das versachliche die Debatte. Andere baten zu prüfen, ob auf dem Dach des Würfels eine Aussichtsterrasse angelegt werden kann. Eingeladen zu dieser Veranstaltung hatte das Architekturmuseum der TU München und der Initiativkreis für das NS-Dokumentationszentrum - ein Zusammenschluss von Vereinen, Organisationen und Einzelpersonen, die sich für das Projekt einsetzen. Der renommierte Architekturhistoriker und Mitglied des Initiativkreises, Winfried Nerdinger, kritisierte am Sonntag, dass dieses Bürgerengagement bei der Ausstellungseröffnung zu den Wettbewerbsentwürfen von Oberbürgermeister Christian Ude nicht einmal erwähnt worden sei. Nerdinger: "Wir freuen uns aber, dass sich die Politik unsere Anliegen zu eigen macht."

Udes Bemerkung, in München seien die Verdrängungsmechanismen im Zusammenhang mit der Nazi-Vergangenheit nicht stärker ausgeprägt gewesen als in anderen deutschen Städten, will Nerdinger nicht stehen lassen. München habe als Stadt, in welcher der Nationalsozialismus groß geworden sei, immer eine besondere Verantwortung gehabt. Andere Städte wie Berlin oder Nürnberg hätten lange schon ihre Gedenkstätten eingerichtet. Kommentieren wolle er Udes Stellungnahme zum Erinnern nicht weiter, sagte Nerdinger. Das Thema der Veranstaltung seien die Ergebnisse des Architektenwettbewerbs.

Dass München buchstäblich kein Gras über die braune Vergangenheit wachsen lassen darf, drücke sich im Siegerentwurf aus, sagte die Gründungsdirektorin des Dokumentationszentrums, Irmtrud Wojak. Das Preisgericht habe eine sehr gute Wahl getroffen. Die Räume für die Dauerausstellung lägen über der Erde. Andere Entwürfe hätten diese in die Kellergeschosse gelegt. In dem Gebäude könne man "mit der Kraft intellektueller Vernunft" die Geschichtsarbeit aufnehmen.

Ernst Grube, der Sprecher des Initiativkreises, wünscht sich einen "Ort der Begegnung mit der Geschichte" im künftigen Dokumentationszentrum. Die Bürger sollten sich weiter für die Gestaltung des Projekts engagieren. Das Thema dürfe man nicht nur der Verwaltung und der Bürokratie überlassen. Ulrike Mascher vom Förderverein für internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit in Dachau sagte, es komme nicht nur auf ein schönes Gebäude an. Wichtig sei, mit welchem Inhalt es gefüllt werde.

Vor sechs Jahren hatte Wilfried Wiedemann die Aufgabe, die Gedenkstätte für das KZ Bergen-Belsen zu planen. Er sieht in dem jetzt vorgelegten Entwurf für das Münchner Zentrum einen guten Weg. Der Kubus baue zu dem umliegenden Bauten Spannung auf und rege an, ihn zu betreten. Architekt Tobias Scheel sagte, man habe bewusst einen ruhigen Bau geplant und man stehe in der Diskussion erst am Anfang. Auch das war ein Fazit der Veranstaltung: Gemeinsames und konstruktives Nachdenken über die inhaltliche Gestaltung des Zentrums ist jetzt mehr gefragt als weiterhin ein Streit über die Architektur.

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