Süddeutsche Zeitung

Notfall-Plan:Abfangjäger im Einsatz

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Als die Meldung von der gekaperten türkischen Passagiermaschine bekannt wurde, haben zwei bewaffnete "Phantom" sofort Kurs auf den Airbus genommen.

Von Dominik Hutter

Sie waren schon in der Luft: zwei Abfangjäger des Typs Phantom, bewaffnet mit Bordkanonen und jeweils zwei Luft-Luft-Raketen. Und es hätte im schlimmsten Fall das passieren können, was die Opfer einer Flugzeug-Entführung ebenso wie die Militär-Piloten spätestens seit dem Privatflieger-Zwischenfall über Frankfurt auch in Deutschland fürchten - der Abschuss eines Passagierflugzeugs, um zu vermeiden, dass etwa Terroristen ein Flugzeug auf ein Gebäude oder ein Kernkraftwerk stürzen lassen. Auch am 11.September 2001 waren über New York bereits Abfangjäger unterwegs, um die entführten Maschinen aufzuhalten.

Am Dienstagabend waren die Bundeswehr-Maschinen in Neuburg an der Donau gestartet. Das dort stationierte Jagdgeschwader74 stellte an diesem Abend die bundesweite Einsatzbereitschaft, die so genannte Alarmrotte. Eingreifen musste die Bundeswehr nicht. Die Flugzeuge, die bis auf Mach2, die doppelte Schallgeschwindigkeit, beschleunigen können, kreisten über Südbayern und kehrten, als Entwarnung kam, zu ihrem Stützpunkt zurück.

Standardisiertes Verfahren

Alarmiert wurde die Luftwaffe über ein standardisiertes Verfahren: Sobald die Deutsche Flugsicherung die erste Krisenmeldung des "Freebird"-Piloten bekam, wurde, wie in solchen Fällen üblich, auch der Nato-Gefechtsstand in Meßstetten auf der Schwäbischen Alb informiert. Als wenige Minuten später klar war, dass es sich tatsächlich um eine entführte Maschine handelt, schaltete der übergeordnete Nato-Befehlsstand die Alarmrotte ein.

Um 21.17 Uhr ging in Neuburg der Einsatzbefehl ein, sechs Minuten später waren die Phantom-Jäger in der Luft. Ein Radarleitoffizier lotste die Piloten an ihren Einsatzort - bis die Besatzung Sichtkontakt zum "Freebird"-Airbus hatte. Als die Passagiermaschine kurz später auf der Südbahn des Münchner Flughafens landete, blieb die Bundeswehr noch in Einsatzbereitschaft - dann ging es zurück an die Donau.

Wenn es zum Äußersten gekommen wäre, kann nach Auskunft der Luftwaffe nur die Politik den Einsatzbefehl geben. "Das wäre das Nationale Führungszentrum Verteidigung in Kalkar", berichtet Sprecher Hartmut Beilmann. Vertreten sind dort die Bundesministerien für Verteidigung und Inneres sowie der Bundesgrenzschutz. Das neue Luftsicherheitsgesetz, das die allseits als verbesserungsbedürftig kritisierten Zuständigkeiten klar regeln soll, ist noch nicht in Kraft.

Bereits angefordert war auch der Einsatz einer aufs Stürmen von Flugzeugen spezialisierten BGS-Truppe: der GSG9. Der sofort alarmierte Innenminister Günther Beckstein (CSU) hatte noch im Auto, auf der Fahrt mit Blaulicht zum Flughafen, seinen Kollegen Otto Schily um den Einsatz der Spezialeinheit gebeten. Dazu kam es allerdings nicht mehr. Beckstein konnte den Sturz des Entführers aus dem Jet per Video verfolgen und gab Entwarnung. Zuvor hatte Beckstein Ministerpräsident Edmund Stoiber informiert, der bei der Eröffnung der Opernfestspiele weilte.

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Quelle:
SZ vom 01.07.2004
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