Eli Wasserscheid wirft als allererstes einen Salzstreuer um, und die Umstehenden und Umsitzenden im Baader Café könnten denken: Ist die nervös? Nein, ist die höchstwahrscheinlich korrekte Antwort, sie ist nur gerade auch Doro Bär.
Dorothee Bär ist eine bislang eher nicht im Rampenlicht ihrer Partei allzu häufig auftauchende Abgeordnete der CSU, die nun aber zum ersten Mal auf dem Nockherberg im Singspiel des Starkbieranstichs mit einer Rolle vertreten sein wird. Das bleibt sonst meist Bundesministern oder besonderen bayerischen Ministern vorbehalten, der Münchner OB hat oft auch noch eine Randrolle. Aber Bär? Da fragt sich gerade also die Starkbier-Gemeinde: Welche Position wird die beim Singspiel kommenden Mittwoch wohl einnehmen?
Gespielt wird Bär von der Salzstreuer-Gegnerin Wasserscheid. Und da seit Wochen geprobt wird, trägt Wasserscheid ausnahmsweise Bär-Fingernägel, die knallrot leuchten und auch länger sind, als die 46-jährige Schauspielerin sie üblicherweise trägt. Da kann man schon mal einen Gegenstand umhauen, ehe das Getränk an den Platz geliefert wird, das dann eineinhalb Stunden lang heil bleibt. Das Glas leert sich nur langsam im Gespräch über die Rolle der Bär und den Werdegang der Wasserscheid.

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Zunächst die Zahlen. Bär und Wasserscheid sind gleich alt und in derselben Stadt geboren, im oberfränkischen Bamberg, was schon mal dazu führt, dass Wasserscheid Bärs Dialekt mindestens so gut beherrscht wie die Abgeordnete selbst. Und auch sonst ist es in diesem Fall erlaubt, Parallelen zwischen Figur und Wirklichkeit, zwischen Bär und Wasserscheid zu ziehen. Die Schauspielerin hat bis zum medialen Durchbruch bereits einige namhafte Stationen hinter sich, ebenso wie das zu doubelnde Vorbild. Bär ist seit 23 Jahren Mitglied des Bundestags, war zuletzt unter der Kanzlerkandidatur von Armin Laschet Mitglied des Zukunftsteams und dort sowie schon unter Merkel für die Digitalisierung zuständig. Gerade ist sie mit dem bundesweit besten Erststimmen-Ergebnis wieder in den Bundestag gewählt worden.
Wasserscheid ist seit 2002 Mitglied der freien Theaterszene und hat einen schauspielerischen Werdegang, den man prototypisch als „erarbeiten“ zusammenfassen könnte. Wobei die 46-Jährige selbst meist Zusammenhänge am besten zusammenfasst, ob jetzt über sich selbst oder den Nockherberg an sich, dieses „irre Format“, über ihre Tatort-Figur oder die Arbeit mit Einspritzdüsen, über den Reiz der Schauspielerei oder Frau Bär.
Vom Baum zum Traum könnte man über Wasserscheids Karriere sagen. Oder auch vom Traum zum Baum. Denn so war das am Anfang. Zunächst wurde das mittlere von sieben Geschwistern, das sich im Café die Brille auf die Stirn schiebt, um die Karte zu überfliegen, in der Mittelstufe beim Sommernachtstraum ein Geige spielender Baum. Und da war auch ohne ein auf der Bühne gesprochenes Wort diese Faszination: „Diese Gruppendynamik, wenn viele zusammen an einer Sache arbeiten.“ Wenn dann auch noch zwei Menschen, „die sich auskennen“, weil sie selbst Schauspieler sind, unabhängig voneinander zu ihr sagen, ob sie das nicht beruflich machen wolle, dann kommt zur Faszination auch schnell Motivation. Die auch notwendig ist Ende der Neunzigerjahre, als sie an Schauspielschulen in verschiedenen Runden rausfliegt und hinterher immer erst einmal „das Ego wieder zusammenschnüren muss“.

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Zumindest finanziell kann Wasserscheid sich das zeitweise leisten nach dem „Boschsommer“, in dem sie am Fließband ein halbes Jahr lang Einspritzdüsen mit Schrauben befüllt hat, die dann weiter hinten von den Gelernten angeschraubt wurden. Es folgte „die Selbstermächtigung“, wie Wasserscheid das nennt, als sie mit dem Kollegen Felix Hellmann ein gänzlich selbst finanziertes Theaterprojekt auf die Beine stellte und dabei am Ende sogar wirklich eine gute schwarze Null herauskam. Und dazu die Überzeugung bis Gewissheit, dass sie es können. „Sie lässt sich nicht so leicht umhauen“, sagt Hellmann über Wasserscheid, „ist immer ihren Weg gegangen.“
Der forderte ihr aber zeitweilig etwas ab, was man als Durchhalten beschreiben könnte. Wasserscheid selbst sagt, „es lief organisch“, was den Arbeitsalltag vieler Darsteller, die sich eher unterhalb der Tatort-Kategorie bewegen, gut beschreiben dürfte. Wasserscheid spielte in einem Stück, das sah wiederum jemand anderer oder hörte davon und besetzte sie für das nächste, wo sie wieder jemand sah und sie ihm oder ihr auffiel und so weiter. Über Jule Ronstedt kam sie an die Schauburg, über Intendant Jochen Schölch ans Münchner Metropoltheater, für das sie noch heute spielt, obwohl sie mittlerweile mit Mann und Kind in Leipzig lebt. „Die Furien“ war ihr erstes Stück, „acht Frauen tauschen sich auf der Damentoilette aus, auch über Männer“.

Es geht organisch weiter, was aber im Alltag immer auch bedeutet, dass ein Darsteller oder eine Darstellerin bis zu dem Moment, in dem ein Engagement angeboten oder gar gleich gebucht wird, immer auch denkt bis fürchtet: dass es gar nicht weitergeht. Da helfen dann Humor, Kolleginnen und Kollegen. „Man kann irren Spaß mit Eli haben“, sagt Hellmann, „egal ob auf der Bühne oder wenn man mit ihr durch die Kneipen zieht“. Das Erste, was dem 46-jährigen Darsteller („Shoppen“, „Der letzte schöne Herbsttag“) zu Eli Wasserscheid einfällt: „Herzlichkeit“.
Und es helfen feste Spielorte, wie Wasserscheid schon früh einen im Metropol gefunden hat. Wenn dann beim Thema organisch ein Name wie Dominik Graf ins Spiel kommt, nähert man sich der nächsthöheren Kategorie an Schauspiel-Klassement. Graf besetzte Wasserscheid für einen München-Tatort, der 2013 lief. Sie war eine Pathologin, musste Maximilian Brückner als Leiche begutachten und sich mit Batic und Leitmayr auseinandersetzen. Das Urteil der Kommissare, die schon vor zwölf Jahren längst Ikonen ihres Genres waren: Die hätten wir gerne wieder. Diese Figur, die mit Kostümchen an einen Tatort kommt. Sie kam auch wieder, und bald dann regelmäßig im Franken-Tatort, in dem Wasserscheid die Ermittlerin Wanda Goldwasser spielt, die sie als „Bob Andrews von den drei ???“ beschreibt, der Junge, der bei den Hörspielen für Recherche und Archiv zuständig ist.

Und wenn man dann mal im festen Team eines Tatorts verankert ist, läuft alles irgendwann sogar hoch-organisch, fast schon organisiert. Auch die Rolle von Bär. Denn wer im BR ermittelt, tut das oft auch beispielsweise bei Marcus H. Rosenmüller oder in Niederkaltenkirchen. Wasserscheid spielte in den Eberhofer-Filmen mit, in denen auch Stephan Betz mal als Darsteller auftrat, der mit Richard Oehmann seit Jahren die Singspiel-Drehbücher schreibt und Regie führt. Deshalb steht Wasserscheid also gerade jeden Tag auf der Bühne des Nockherbergs und freut sich über das „irre Format“.
Mit irre meint sie: „Proben wie im Theater“, also täglich spielen, erst lesen, dann auf der Bühne, am Ende auch in voller Masken- und Kostüm-Montur. Außerdem „eine einzige Aufführung wie im Film“, nämlich genau zur Ausstrahlung am 12. März, das aber auch noch gleichzeitig fürs Theater und den Film. Also für den bis oben hin mit Starkbiertrinkern gefüllten Saal und für die Millionen Zuschauer vor dem Fernseher. „Und dann gibt es auch noch eine Analyse wie beim Fußball“ – die Talkrunden der Derbleckten im Anschluss.

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Was sie zur Frage bringt – respektive der Antwort, warum Bär denn überhaupt auftritt. Da darf ein Double bekanntlich laut Paulaner-Regularien nichts verraten, das soll ja immer fein säuberlich in Häppchen auf mehreren Presseterminen erzählt werden. Inhaltlich kein Kommentar, zur Person dafür jede Menge. „Ich glaube, dass wir noch viel von ihr hören werden“, sagt die 46-Jährige. Bär habe eine unglaubliche Energie, brenne für ihre Sache und liebe das, was sie tut, glaubt Wasserscheid. Und ist nebenbei die fast einzige Frauenpersönlichkeit in der CSU, die wahrscheinlich am 12. März auch im Publikum sitzt, wenn Wasserscheid versuchen wird, sie „zu überzeichnen, ohne sie zu karikieren“. Könnte gut sein, dass sie da durchaus ein wenig auch das Salz in der Singspiel-Suppe sein wird.