Markus Söder auf dem Nockherberg:Ja derbleck!

Starkbieranstich am Nockherberg

Bereit für den Karrieresprung: Markus Söder, wohlgemut bei der Starkbierprobe am Nockherberg im Jahr 2017.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Einst musste Markus Söder bangen: Wird er in der Fastenpredigt am Nockherberg überhaupt erwähnt? Die Sorge muss er sich als Ministerpräsident nicht mehr machen: seine Nockherberg-Karriere in Sprüchen.

Von Katja Schnitzler

Bayern ist reich an Kultur und Tradition, gerne in Kombination mit Bier, mass-voll genossen. Bei besonderen Gelegenheiten wird nicht nur über "die da oben" gegrantelt, die Herrschaften bekommen direkt eingeschenkt: mit besonderem Genuss beim Politiker-Derblecken auf dem Nockherberg. Einigen Partei-Größen und Scheinriesen mag der Alkoholgehalt beim Starkbieranstich helfen, ihr Gesicht zu wahren - während der Fastenprediger ihnen ihre Sünden des vergangenen Jahres um die Ohren haut. Noch schlimmer aber wäre es, gar nicht oder nur mit einer kleinen Spitze bedacht zu werden. (Hier finden Sie die aktualisierte Fassung bis zum Jahr 2023.)

Wer gerade an der Reihe ist im Fegefeuer der Fastenpredigt, muss gute Miene zum bösen Spiel machen. In diesem Jahr sind eingefrorene Gesichtszüge allerdings kein Problem: Als Ausrede dient die Technik, sollte ein gar zu wunder Punkt getroffen worden sein.

In der Corona-Ausnahmezeit ist nur ein erlauchter Kreis an Politikern die ganze Zeit live beim Starkbieranstich zugeschaltet (am 5. März, 20 Uhr im Bayerischen Fernsehen; in diesem Jahr ohne Singspiel). Ministerpräsident Markus Söder sitzt mit an der virtuellen Tafelrunde, natürlich. Das war früher nicht so selbstverständlich. Ein Rückblick auf zehn Jahre Söder am Nockherberg in Sprüchen - und wie aktuell sie heute noch sind. Oder eine klare Fehleinschätzung waren.

2011: Gebrauchtwagenhändler auf Ritalin

Horst Seehofer und Markus Söder bei der Starkbierprobe auf dem Nockherberg, 2011

"Einen Gebrauchtwagen ohne Getriebe andrehen": Ministerpräsident Horst Seehofer und Umweltminister Markus Söder bei der Starkbierprobe auf dem Nockherberg, 2011

(Foto: Stephan Rumpf)

Vor zehn Jahren liest erstmals eine Frau die Leviten, Luise Kinseher als "Mama Bavaria", die ihre missratene Kinderschar wirklich nicht durch eine rosarote Brille betrachtet. Schon gar nicht Markus Söder, 2011 als Umweltminister mit Ambitionen noch Satellit statt bayerischer Sonnenkönig: Im Zentrum dreht sich alles um Horst Seehofer.

An seiner Glaubwürdigkeit hat Markus Söder inzwischen hart gearbeitet, besonders das Image als härtester Corona-Krisenmanager zwischen Alpen und Nordsee pflegt er. Vor zehn Jahren wird ihm von Kabarettistin Kinseher höchstens ein Verkaufssegment beim fränkischen Autohändler zugetraut:

"Wenn du eine wegweisende Rede hältst, also jetzt mal rein hypothetisch, dann meint jeder, du willst ihm einen Gebrauchtwagen ohne Getriebe andrehen."

2012: Prinz Charles im Krötentümpel

Bayern: Ministerpräsident Markus Söder

Markus Söder, fokussiert aufs Geld: Diese Zwei-Euromünzen, die er fotofreundlich 2011 rieseln lässt, sind übrigens mit einem der größten Finanzdebakel in der Historie Bayerns bedruckt: Schloss Neuschwanstein.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Ein Jahr später hatte Markus Söder das Feld Umwelt&Co hinter sich gelassen, um sich härteren Themen zu widmen: Geld. Ein Wandel zum Finanzminister, der den scharfen Augen von Luise Kinseher nicht entgangen war:

"Erst so leger als Umweltminister, dann plötzlich piekfein im perfekten Wallstreet-Look. Das war doch keine Metamorphose! Nein! Das war eine Spontanmutation! Typisch Markus, der hat sich gedacht, warum Metamorphose? Warum soll ich wie die Kaulquappe wochenlang im Tümpel dümpeln. Tschakka! Ich mach euch gleich die Kröte! Und die sammelt jetzt die Kröten!"

Nicht mal Mama Bavaria hatte vorausgesehen, dass spontane Mutationen einst dazu führen würden, dass sich sehr viele Menschen im Lockdown fühlen wie dümpelnde Kaulquappen mit einem Bewegungsradius in Tümpelgröße. Und sich Mutanten (britische, nicht bayerische) auf die Kröten im Staatshaushalt auswirken. Und in noch einem Punkt war die Glaskugel wohl etwas beschlagen:

"Markus Söder fühlt sich im Moment als der zukünftig Zukünftigste. Aber das bildet sich der Prinz Charles auch immer noch ein. Markus Söder, der Prinz Charles der CSU, bloß mit schönere Ohrwaschel."

2013: Anrüchiger Armleuchter

Dass er sich als Finanzminister nicht am Ende der bayerischen Karriereleiter wähnt, war Fastenrednerin "Mama Bavaria" klar. Nur Söders Aufstiegschancen unterschätzt sie auch im Jahr 2013 - vielleicht aber nicht die vielschichtigen Emotionen beim Politiker-Paar Horst Seehofer und Markus Söder:

"Über ihn hat Horst Seehofer bereits alles gesagt. Zeit wird's, dass endlich einmal was nach ihm benannt wird. Seehofer ist auch dafür, er hat schon eine Kläranlage im Auge."

Wenn es damit nichts wird, "(...) halt wenigstens den Nürnberger Flughafen: Söder Airport. Söder - das Tor zu Europa! Stattdessen benennt Ikea nach Dir einen Lampenschirm! Da ist Söder ein mäßig effizienter Armleuchter von mittlerer Lebensdauer."

2014: Nicht der Rede wert

Dies ist kein gutes Jahr für Markus Söder auf dem Nockherberg: Luise Kinseher schießt sich ganz auf Horst Seehofer ein, für Markus Söder bleibt da kaum Raum. Kein Wunder: "Wir haben in Bayern alles ausprobiert, die Monarchie, die Anarchie, sogar die Demokratie - und halt jetzt die Horstokratie."

2015: Schlaue Luftnummer

Markus Söder stellt Gondel vor

Angemessene Fortbewegung: Markus Söder probt 2015 mit einer venezianischen Gondel am Schloss Nymphenburg den großen Auftritt. Diesen wird er fünf Jahre später bei den Chiemsee-Festspielen - auch bekannt als Merkel-Besuch - vervollkommnen.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Im fernen Berlin taugt der stagnierende Bau des Flughafens BER nicht mal mehr zur Lachnummer. Das wäre Finanz- und Heimatminister Markus Söder, auch damals schon PR-Meister in eigener Sache, nicht passiert. Der könne sogar fragwürdige Projekte gut rüberbringen, meint Luise Kinseher - nur bei der Bescheidenheit hapere es:

"Am Nürnberger Flughafen, da landet keiner, da startet keiner! Aber der Markus Söder verkauft das als Fortschritt - beim Lärmschutz! In den ländlichen Regionen schrumpfen die Einwohnerzahlen! Und der Söder verkauft das als erfolgreiche Renaturierungsmaßnahme. [...] Viele sagen ja, Dir steigt der Ruhm schon in den Kopf! Platz genug wäre da!"

2016: Intriganter Wolpertinger

Die Zeiten ändern sich auf dem Nockherberg: Die meisten giftigen Pfeile schießt "Mama Bavaria" in Richtung Söder, bestimmt ein bitter-süßer Schmerz für den Finanzminister. Doch es bleibt Luft nach oben: Die anderen Politiker nimmt Kinseher härter ran. Aber Söder arbeitet daran:

"Markus, wie oft habe ich dir schon gesagt: Es heißt integrieren, nicht intrigieren!"

Immerhin erkennt "Mama Bavaria" erste gesamtbayerische Attribute:

"Integration kann gelingen! Markus Söder: Ein gesamtbayerischer Wolpertinger: Halb Schäufele, halb Weißwurst!"

Und auch andere Ambitionen werden immer augenfälliger:

"Der kann es nicht erwarten! Da muss der Seehofer nur einen kleinen Schluckauf haben - schon ruft es von hinten: 'Lassen sie mich durch! Ich bin Söder!'"

2017: Ich bin kein Berliner

Markus Söder auf dem Nockherberg: Wohin man blickt, da ist Markus Söder - nicht erst seit der Coronakrise: Nur selten stehlen ihm andere Schwergewichte die Show, wie hier auf dem Berchinger Rossmarkt 2018. Den Rappen gefiel sein Auftritt trotzdem.

Wohin man blickt, da ist Markus Söder - nicht erst seit der Coronakrise: Nur selten stehlen ihm andere Schwergewichte die Show, wie hier auf dem Berchinger Rossmarkt 2018. Den Rappen gefiel sein Auftritt trotzdem.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Manche Dinge bleiben doch gleich, trotz des Laufs der Jahre, ja sogar trotz Corona: Die Frage, ob Markus Söder nach Berlin geht oder nicht. Da fühlt sogar "Mama Bavaria" mit:

"Eigentlich müsste der Markus Söder derjenige in der CSU sein, der sich am ehesten in die Gefühlslage eines Flüchtlings kurz vor der Abschiebung hineinversetzen kann."

Dabei ist klar, dass ach!, auch noch eine Berliner Seele in Söders Brust keinen Platz mehr hat. Der Noch-Finanzminister fühlt sich laut Luise Kinseher nicht nur als Nürnberger, als Franke, sondern sogar als Münchner:

"Bei so vielen Identitäten wundert mich, dass du überhaupt noch nach Bayern einreisen darfst!"

Wer aber erst seit der Corona-Krise glaubt, Markus Söder plötzlich überall zu sehen - das täuscht. Er war schon vorher omnipräsent:

"Er sagt, er geht eh nur in einen Bruchteil der Talkshows, in die er eingeladen ist. Gut - 9/10 sind auch ein Bruch."

2018: Ministerpräsidenten-Mutante

Markus Söder auf dem Nockherberg: Der mutierte Ministerpräsident? Nein, Stephan Zinner, Markus-Söder-Darsteller im Singspiel 2018

Der mutierte Ministerpräsident? Nein, Stephan Zinner, Markus-Söder-Darsteller im Singspiel 2018

(Foto: Stephan Rumpf)

Es ist das Jahr der Abschiede: Von Luise "Mama Bavaria" Kinseher, die ihre achte und letzte Fastenpredigt hält und beim gar nicht leisen Abgang Horst Seehofer gleich mitnimmt. Das Ende des Machtkampfs um Bayerns Thron hat nach Kinsehers Meinung immerhin kaum Folgen für den Tourismus:

"Friede in der CSU: das klingt für mich noch viel unheimlicher wie das Schweigen der Lämmer! (...) Diejenigen, die sagen, jetzt können wir endlich wieder nach Bayern in den Urlaub fahren, weil der Seehofer weg ist, halten sich exakt die Waage mit denen, die nicht mehr kommen, weil jetzt der Söder da ist."

Und wieder ist die Söder'sche Mutation Thema - und Kinseher liegt mit der Prognose abermals daneben: Drollig ist höchstens das passende Adjektiv für Söders Corona-Matte:

"Unser Markus! Wie er langsam zum Ministerpräsidenten mutiert - die angegrauten Schläfen, dieses mild durchwehte Lächeln, der gütige Blick, leichtes Übergewicht: es wird nicht mehr lange dauern, dann werden wir ihn drollig finden!"

Immerhin wird 2018 Söders Wunsch wahr und er vom Satelliten zum Sonnenkönig:

"Wir Bayern haben so viele Probleme, dass Du glauben könntest, die CSU war die letzten 60 Jahre in der Opposition! Dabei war bloß der Markus in der Opposition."

2019: Kässpätzle ohne Bodenhaftung

Mit Maxi Schafroth als Fastenprediger hat auch Markus Söder Premiere - er darf sich erstmals als Ministerpräsident am Nockherberg den Kopf waschen lassen. Doch Macht lässt selbst Franken etwas abheben. Damals hatte Söder noch Zeit, von einem Raumfahrtprogramm "Bavaria One" zu träumen und diese "Mission Zukunft" mit seinem Konterfei zu bewerben (nein, dies war nicht Teil des kabarettistischen Programms). Aber Prediger Schafroth erdet wieder:

"Da hast du den kleinen Mann erreicht. Von Oberstdorf bis Buchloe fragen wir uns schon ewig: Wie verhalten sich Kässpätzle in der Schwerelosigkeit?"

2020 blieb nicht nur die Frage ungeklärt, wie sich bayerische Kalorienbomben im All verhalten - sondern auch, ob die Sticheleien gegen Söder im zweiten Ministerpräsidentenjahr schärfer ausgefallen wären: Das Derblecken auf dem Nockherberg wurde abgesagt.

Dabei hätte ein Astronauten-Luftikus, der als Krisenmanager eine PR-Punktlandung hinlegt, durchaus Stoff geboten. Aber das ist wie so vieles bestimmt nur aufgeschoben.

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Söders Nockherberg-Karriere in Sprüchen
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