Hype um Telenovela Violetta:Medien, Mädchen, Merchandising

Hype um Telenovela Violetta: Zu den passenden Accessoires für die Serie gehören nicht nur Bekleidung, sondern auch das Star-Mikrofon und das geheime Tagebuch der Titelheldin.

Zu den passenden Accessoires für die Serie gehören nicht nur Bekleidung, sondern auch das Star-Mikrofon und das geheime Tagebuch der Titelheldin.

(Foto: Robert Haas)
  • Die argentinische Telenovela "Violetta" hat bei jungen Mädchen in Deutschland einen Hype ausgelöst - die Hauptdarsteller singen an diesem Donnerstag und Freitag auf zwei Konzerten in München.
  • Die Karten für die Olympiahalle sind fast ausverkauft - trotz horrender Ticketpreise.
  • Der Disney-Konzern vermarktet die Serie crossmedial in aller Welt - so können sich die Kinder unabhängig vom Fernsehprogramm jederzeit mit Violetta beschäftigen.

Von Stéphanie Mercier und Wiebke Harms

Konzertkarten für bis zu 500 Euro, sechsjährige Mädchen, die unbedingt in die Olympiahalle möchten - Eltern in München haben in den vergangen Wochen stöhnen und diskutieren müssen, denn bei vielen Kindern drehte es sich vor allem um eins: die argentinische Telenovela "Violetta", die derzeit im Disney Channel läuft und deren Hauptdarsteller an diesem Donnerstag und Freitag auf zwei Konzerten singen. Das, natürlich, wollte kein Fan verpassen, und den Einwand, dass er oder sie für Serie und Konzert vielleicht noch viel zu jung sei, auf keinen Fall hören.

Der Filmstoff der Telenovela spricht überraschenderweise schon die Jüngsten an, obwohl er auf den ersten Blick für Teenager gemacht zu sein scheint: Hauptdarstellerin Violetta Castillo zieht mit ihrem Vater nach Buenos Aires und entdeckt dort ihr sängerisches und schauspielerisches Talent. Als sie sich an der Musikschule "Studio 21" anmeldet, gefällt das ihrem Vater nicht. Für Violetta aber wird es eine spannende Zeit, denn in der Musikschule geht es nicht nur um Gesang, sondern auch um die ersten Liebesverstrickungen.

Auch die Mama schaut mit

Die vier Kinder von Mercedes Kaskowi aus München zum Beispiel sind noch sehr jung: Drei von ihnen sind fünf Jahre, die älteste Tochter ist neun Jahre alt - und alle haben die Tage bis zum Konzert ungeduldig gezählt. Die zwei Mädchen und zwei Jungen verpassen keine Folge der Telenovela. Manchmal schaut die 29-jährige Mutter mit. "Anfangs wollte ich nur wissen, was meine Kinder da schauen. Jetzt finde ich die Handlung auch interessant", sagt Kaskowi. Was den Kleinen und auch ihr selbst aber besonders gefällt, sind die Tanz- und Gesangseinlagen.

Kaskowi hätte ihren Töchtern gerne die 500 Euro teuren Backstage-Karten gekauft, doch die waren schnell weg. Über eine Kleinanzeige hat sie stattdessen sechs Tickets für sich, ihre vier Kinder und ihren Bruder gefunden. Preis pro Karte: 105 Euro. "Die Mädchen hätten so gerne auch ein Foto mit Violetta", sagt Kaskowi. Auch Barbara, die zwölf Jahre alte Tochter von Patricia Özkan aus Germering, schaut jede Folge der Telenovela. Dem Mädchen gefalle die Musik der Serie besser als die Liebesgeschichte, sagt die Mutter. Barbara kann die spanischen Liedtexte mitsingen. Wörter die sie nicht versteht, schaut sie im Internet nach. Zum Konzert geht die fünfköpfige Familie jedoch nicht. "Tickets für Plätze, auf denen man gut sieht, kosten über 100 Euro. Wer soll das bezahlen? Das fällt für uns erst einmal ins Wasser."

"Es ist der Tanz ums goldene Kind", sagt Paula-Irene Villa, Lehrstuhlinhaberin der Soziologie und Gender Studies an der Ludwig-Maximilians-Universität. Man möchte seinem Kind das Beste bieten und definiere dies oft über den Preis.

Die Aufregung kennt keine Grenzen

Disney bindet die Kinder offenbar erfolgreich an das Format. Anders als TV-Vorgänger wie die Film-Reihe "High School Musical" und die in sich abgeschlossenen, kurzen Episoden von "Hannah Montana" ist Violetta mit ihrer Hauptdarstellerin, der Argentinierin Martina Stoessel, in einer voranschreitenden Geschichte erzählt. Für die Herstellung von Violetta haben die Produktionsfirmen Disney Channel Lateinamerika, Europa, Mittlerer Osten und Afrika zusammengearbeitet - der Gesang ist auch in der deutschen Version auf Spanisch. Die Vermarktung in Deutschland hat die Disney-Niederlassung in München übernommen. Am 16. März ist hier die zweite Staffel angelaufen. Disney spricht von einem "Hype" um Violetta und liefert dafür Zahlen: Seit dem Serienstart in Deutschland im Frühjahr 2014 sei jedes zweite Mädchen zwischen zehn und zwölf Jahren erreicht worden, und es gab insgesamt 8,2 Millionen Zuschauer. Das ist jeder zehnte Deutsche.

Violetta

In Vorfreude auf die Bühnenshow in München: Die Geschwister Noah, Rebecca, Mercedes und Jesaja.

(Foto: Lukas Barth)

Ein Hype, den auch der Einzelhandel gerne aufgreift. Eine deutsche Schuhkette etwa verkauft Violetta-Schuhe und Spielwaren-Obletter in München bietet so ziemlich alles an, was die Vermarktung der Serie hergibt - von Schmuck und Make-Up über Kissen, Taschen, Schals, Tagebücher, Figuren bis zu Partytellern, Servietten und Bechern, immer auch in Violett. Diese Artikel würden zwar auch heute noch täglich verkauft, sagt eine Obletter-Verkäuferin, aber die größte Nachfrage danach habe es vor Weihnachten gegeben.

Geschicktes Marketing - aber nicht für alle

Trotz der großen Präsenz von Violetta im Fernsehen und auch in den Auslagen der Geschäfte herrscht bei einigen Erwachsenen Ahnungslosigkeit, wenn man sie auf die Telenovela anspricht - auch bei Eltern junger Mädchen. Vieles werde, erklärt Paula-Irene Villa, auf den Schulhöfen besprochen oder per Handy kommuniziert. "Da kann es schon mal dauern, bis etwas zu Hause sagbar wird. Dann ist es schon verdaut und sortiert." Villa sieht im Medienkonsum von Violetta keine große Gefahr. Zwar präsentiere vor allem Disney sehr stereotype Vorstellungen von Geschlechtlichkeit, Schönheit, Erfolg und Freundschaft, aber Kinder und Jugendliche seien heutzutage hinreichend erfahren und durchaus medienkompetent. Sie könnten unterscheiden "zwischen Medienwelten oder Glitzi-Blitzi-Film und dem realen Leben andererseits. Man muss nicht meinen, dass die Kinder von solchen Formaten sofort versklavt werden". Allerdings liege die Verantwortung immer noch bei den Eltern, den Fernsehkonsum der Kinder kritisch zu begleiten und auch mit ihnen darüber zu reden, sagt Villa.

Dazu kommt das crossmediale Marketing von Violetta. So können die Kinder zum Beispiel auch im Internet die Serien ansehen, was neue Freiheiten mit sich bringt. Man muss sich nicht mehr an den Zeitplan des Fernsehens halten. Der Nachteil ist, dass Kinder jetzt rund um die Uhr viele Folgen hintereinander ansehen können. Im Fernsehen und im Internet wird außerdem Werbung für das Konzert gemacht, dort ist von einem "phantastischen Bühnenbild" und "Schneeeffekten" die Rede - aus einer Serie wird ein Event. Villa sieht das skeptisch: "Die Kindheit und auch das Erwachsenein unterliegen heute ganz stark einer Eventisierung. Man macht aus allem Möglichen ein großes Ereignis." Alles im Leben müsse hip, toll und das beste Erlebnis überhaupt sein.

Nicht minder groß dürften auch die Erwartungen der jungen Fans für die Konzerte in der Olympiahalle sein. Angekündigt ist einiges: Martina Stoessel, Jorge Blanco (Leon), Diego Dominguez (Diego) und andere Stars der Telenovela werden auf der Bühne in ihre TV-Rollen schlüpfen, mit dem Publikum interagieren und Songs aus der Serie singen. Gesprochen wird auf Englisch, und damit auch die Allerjüngsten dem Geschehen folgen können und Mama und Papa nicht ständig erklären müssen, hilft ein deutscher Moderator.

Spätestens Freitagnacht dann können Eltern endlich durchatmen - die Konzerte sind vorbei und die Diskussion mit den Kindern hat ein Ende. Die Telenovela allerdings noch lange nicht: Gut 150 Folgen stehen noch aus.

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