"Noch nie hatten wir in Bayern eine solche Überversorgung":AOK-Studie warnt vor Ärzte-Schwemme

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In Starnberg praktizieren nach Angaben der AOK viermal so viele Internisten, wie eigentlich notwendig wären.

Dietrich Mittler

Geht es um die Zukunft der medizinischen Versorgung in Bayern, dann prallen die Positionen der Ärzteschaft und die der Krankenkassen unversöhnlich hart aufeinander. Hellmut Koch, Präsident der Landesärztekammer, sagt: "Bayern droht ein Ärztemangel." Die Kassen behaupten das genaue Gegenteil - und das soll nun auch eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK - kurz Wido - beweisen. "Noch nie gab es in Bayern so viele Ärzte", postuliert Franz Bachl, der Bereichsleiter Ärzte, Arzneimittel und Apotheken der AOK Bayern, der die Wido-Zahlen genau ausgewertet hat. Er bezichtigt die Ärzte-Vertreter, sie würden aus berufsständischem Egoismus "das Gespenst des Ärztemangels" an die Wand malen. Ziel der Ärzte-Lobby sei es einzig und allein, die Zunahme an Ärzten in Bayern zu rechtfertigen. Insgesamt waren im Jahr 2002, also zur Zeit der Datenerhebung, 16.470 Vertragsärzte im Freistaat tätig - dabei ausgenommen die Nervenärzte und Psychotherapeuten, die aus methodischen Gründen nicht berücksichtigt wurden.

Geradezu absurd erscheint Vertretern der AOK das Ergebnis, zu dem die Wido-Studie im oberbayerischen Landkreis Starnberg kommt: "Bei einem Versorgungsgrad von 533 Prozent befinden sich im Kreis Starnberg viermal so viele Internisten wie für eine bedarfsgerechte Versorgung notwendig sind." Lediglich im Kreis Würzburg ist bald eine drastische Unterversorgung zu befürchten. Hier scheiden zwei von drei praktizierenden Internisten bis zum Jahr 2010 aus. Dann beträgt die Rate nur noch 19,5 Prozent. Bedenklich wird es gemäß den so genannten Bedarfsplanungs-Richtlinien dann, wenn der Fachärzte-Anteil unter 50 Prozent rutscht - und bei den Hausärzten unter 75 Prozent. Doch davon ist Bayern laut Wido-Studie weit entfernt: "Es ist deutlich zu erkennen, dass die ärztliche Landschaft in Bayern eher von Überversorgung als von einer bedarfsgerechten Versorgung geprägt ist." Bei den 79 Planungsbezirken, in die Bayern eingeteilt sei, bestehe in 74 dieser Bezirke bei den Internisten eine Überversorgung.

Ein ähnliches Bild, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt, findet sich bei den anderen Facharztgruppen wieder. So ist etwa der Anteil an Frauenärzten landesweit alles andere als besorgniserregend, wie das Wido-Team versichert. Im Bereich Weiden in der Oberpfalz/Neustadt an der Waldnaab gibt es mit 182 Prozent in Relation zur Bevölkerung die meisten Frauenärzte. Ausgerechnet in der Hightech-Region Erlangen ist hier der Versorgungsgrad mit 66,3 Prozent am niedrigsten. Lediglich bei den Anästhesisten und den Radiologen sind laut Studie 20 beziehungsweise zehn Kreise unterversorgt. Hier sei jedoch anzumerken, "dass aufgrund der geringen Anzahl der Ärzte, die für die Versorgung der Planungskreise notwendig"seien, oft schon ein oder zwei zusätzliche Anästhesisten oder Radiologen wieder zu einer Überversorgung führten. Auch bei der kinderärztlichen Versorgung seien in Bayern "außerordentlich hohe Versorgungsgrade festzustellen: "In 64 von 79 Planungskreisen besteht aktuell eine Situation der Überversorgung." An der Grenze zur Unterversorgung befinden sich Stadt und Landkreis Landshut. Dort beträgt der derzeitige Versorgungsgrad lediglich 50,6 Prozent.

Die fünf Städte und Kreise mit der größten Überversorgung in den meisten Fachgruppen sind nach Auswertung der Erhebung Starnberg, Weiden in der Oberpfalz, Neustadt an der Waldnaab, Weißenburg-Gunzenhausen, Kitzingen und Neuburg-Schrobenhausen. "In diesen Städten und Kreisen wird es in Zukunft auch dann nicht zu hausärztlicher und fachärztlicher Unterversorgung kommen, wenn aus Altersgründen frei werdende Sitze in keinem Fall wiederbesetzt werden können; die aktuelle Überversorgung der meisten Arztgruppen bleibt bestehen", heißt es in der Studie. Selbst in Kreisen mit hohem Anteil an älteren Ärzten - dazu zählen das oberbayerische Miesbach oder Memmingen im Unterallgäu - könne die Überversorgung nicht abgebaut werden. Für Hellmut Koch, dem Präsidenten der Landesärztekammer ist die Studie noch lange kein Beleg für einen Ärzteüberschuss in Bayern. Der Fall Starnberg bilde eine Ausnahme. Und: "Statistiken sind immer geduldig bei der Interpretation", sagt er. "Es besteht ein krasser Gegensatz zwischen dem, was die AOK sagt, und dem, was wir als Ärzte-Vertreter im täglichen Leben sehen."

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