Nobelpreisträger in München:Schützenhilfe von Al Gore

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2.380 Euro für zwei Tage: Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore kommt zu einem Großkongress nach München und will für die Trinkwasserknappheit sensibilisieren.

Lukas Fritsch

Vom Fernseher her kennt man Sigmar Gabriel als eines der gebräuntesten Mitglieder der derzeitigen Bundesregierung. Im Rahmen dieser Rednerliste verblasst der deutsche Umweltminister allerdings ein wenig. Vor ihm spricht der Wirtschaftsnobelpreisträger und ehemalige Chef-Ökonom der Weltbank, Joseph Stiglitz. Gabriels direkter Nachfolger auf dem Rednerpult ist niemand anderes als einer der derzeit meist gefragtesten Redner der Welt: der Friedensnobelpreisträger, populäre Anführer der modernen Umweltschutzbewegung und ehemalige US-Vizepräsident Al Gore.

Zu kostbar für die freie Wirtschaft: Al Gore spricht sich auf einem Symposium gegen eine vorschnelle Privatisierung der Wasserwirtschaft aus. Was OB Ude als Schützenhilfe betrachtet. (Foto: Foto: AP)

Geleistet hat sich diese prominent besetzte Rednerliste - Al Gores Redehonorare liegen Schätzungen zufolge irgendwo in einem Bereich um die 100.000 Euro - die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AÖW). Am 11.September und 17.Oktober veranstaltet sie in der Alten Kongresshalle auf der Theresienhöhe ein zweitägiges Symposium zur kommunalen Daseinsvorsorge. Und ganz billig ist die Veranstaltung für die Teilnehmer nicht: Wer dabei sein will, muss für zwei Tage 2.380 Euro bezahlen.

Kommunale Daseinsvorsorge, das ist nun allerdings ein Thema, mit dem man Al Gore nicht auf Anhieb in Verbindung bringen würde. Man kennt ihn von Mega-Events wie den Live-8-Rockkonzerten, wo er gemeinsam mit Superstars wie Bono von U2 über die Rettung der Welt predigt. Bei so schlichten Fragen wie der kommunalen Daseinsvorsorge würde man einen wie ihn nicht erwarten. Der ungelenke Titel steht über der Frage, ob etwa das Münchner Trinkwasser auf seinem Weg vom Mangfalltal in die Landeshauptstadt durch privatwirtschaftlich betriebene Rohre fließt, oder ob nicht doch die Stadt den Trinkwasserhahn in der Hand behalten sollte.

Was also haben Al Gore und Joseph Stieglitz mit dem Münchner Trinkwasser zu schaffen? Für Thomas Schwarz, Vizepräsident der Trinkwasser-Allianz, ist die Frage schnell beantwortet: "Global denken, lokal handeln!" Man müsse sich damit auseinandersetzen, dass die Trinkwasserverhältnisse in Deutschland - und damit auch in München - nicht auf ewig so rosig bleiben, wie sie es momentan sind.

Kein Monopol beim Wasser

Heute belegt München bei der Trinkwasserqualität im Vergleich weltweiter Großstädte einen der vordersten Plätze. "Und trotzdem", so Schwarz, "muss man schon jetzt klar sagen, dass sich die Situation im Laufe der Zeit ändern kann". AÖW-Geschäftsführer Hans Estermann fügt hinzu: "Alle Welt redet über die Energiewirtschaft, über die Wasserwirtschaft aber wird nur wenig gesprochen."

Das soll sich ändern. Der Adressatenkreis des Symposiums ist die "kommunale Familie", wie sie Estermann nennt. Mit der geballten Kraft ihrer Rednerliste will die öffentliche Wasserwirtschaft ihre eigene Existenz sichern und davor warnen, dass eine vorschnelle Privatisierung negative Auswirkungen auf Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung der Zukunft haben könnte.

An dieser Stelle kommt das wirtschaftswissenschaftliche Renommee des Nobelpreisträgers Joseph Stieglitz ins Spiel. Wenn Privatisierung und Monopolbildung aufeinandertreffen, so Stieglitz, steigt der Preis. Wasser ist ein natürliches Monopol. Schließlich kann man seinen Trinkwasserlieferanten nicht wechseln wie den Handytarif. München bezieht, wie gesagt, sein Wasser aus dem Mangfalltal. Die Quelle kann nur einmal, von einer einzigen Firma angezapft werden, die dann folgerichtig ein Monopolist ist. In München heißt dieser Monopolist Stadtwerke München (SWM) und befindet sich zu 100 Prozent im Besitz der Stadt.

Für Oberbürgermeister Christian Ude, der am Samstag den fünften Münchner Tag der Daseinsvorsorge eröffnet, sind die prominenten Wortmeldungen auf dem AÖW-Symposium ein Glücksfall. Denn eine bessere Schützenhilfe gegen die Kritik an der Wirtschaftlichkeit der SWM lässt sich kaum vorstellen. "Es tut richtig gut, wenn ein Nobelpreisträger diese Ideologie der Privatisierung infrage stellt."

Und Al Gore? Gore macht, was er immer tut. Er skizziert die "Ökonomische Strategie für das 21. Jahrhundert" und sorgt dafür, dass Öffentlichkeit und Presse von der Veranstaltung Notiz nehmen.

© SZ vom 12.09.2008/jh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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